PLM im Industrie 4.0-Zeitalter

Produkte digital beschreiben

Eplan, Rittal und Phoenix Contact zeigen im Projekt ‚Smart Engineering and Production 4.0‘, wie sich Produktdaten im Prozess vorhalten, synchronisieren und gezielt bereitstellen lassen. Die Grundlage: digitale Artikeldaten und ein digitales Produktdatenmodell, das über Systemgrenzen hinweg zur Verfügung steht. Dieser Ansatz könnte im Sinn einer Industrie 4.0 Anlagenbetreibern dabei helfen, Stillstandszeiten und Betriebskosten nachhaltig zu senken.



Virtuelle Produktentwicklung eines Schaltschranks in 3D und digitale Beschreibung des Endproduktes für die nachgelagerten Prozessschritte im Product Lifecycle. Bild Phoenix Contact Deutschland GmbH / Eplan Software & Service GmbH & Co. KG / Rittal & Co. KG

Zukünftige Produktentstehungsprozesse benötigen zunehmend intelligente Werteketten aus digitalen Produktdaten und vernetzten Engineering-Werkzeugen. Insbesondere das Thema ‚Produktdaten‘ erfordert hier eine Betrachtung in drei Dimensionen: über die Engineering-Disziplinen wie Mechanik, Elektrik und Software, über die Wertschöpfungskette, das heißt von der Vorplanung bis zur Wartung und in jedem Bereich über die Tiefe der Daten. Voraussetzung ist die Bereitstellung kompatibler und ganzheitlicher Produktdaten in digitaler Form. Vorteile versprechen hier standardisierte Schnittstellen, die über Systeme und Prozesse hinweg Produktdaten vorhalten, synchronisieren, anreichern und für die einzelnen Prozessschritte bereitstellen können. Der Nutzen liegt in der Erstellung umfassender digitaler Produktdatenmodelle, die über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes genutzt werden können.

Smart Engineering and Production 4.0

Das Technologiennetzwerk von Eplan, Rittal und Phoenix Contact hat sich zur Aufgabe gemacht, den hierfür erforderlichen Grad an Standardisierung von Daten, Schnittstellen, Software-Systemen, Produkten und Produktionssystemen zu definieren. Bereits auf der Hannover Messe 2015 präsentierten die Unternehmen hierzu auf dem Gemeinschaftsstand ‚Smart Engineering and Production 4.0‘ (Seap), wie die Integration von Engineering-Werkzeugen und Datenmodellen in Engineering- und Produktionsprozessen umgesetzt werden kann und welches disruptive Potenzial in diesem technologischen Ansatz steckt. Besucher konnten beobachten, wie Produktdaten entstehen, für die Erstellung von virtuellen Prototypen genutzt und über standardisierte Schnittstellen bis in die Fertigung weitergereicht werden. Unterschiedliche Stationen des Konzepts zeigen exemplarisch die digitale Beschreibung eines Endprodukts (‚Digital Twin‘), die Konstruktion am Beispiel des Schaltschrankaufbaus, die NC-gestützte mechanische Bearbeitung von Bauteilen sowie die automatisierte Konfektionierung von Baugruppen.

Die digitale Produktbeschreibung kann bis in die Inbetriebnahme, Anlagenbedienung und -wartung, entlang des gesamten Produktlebenszyklus, genutzt werden. Damit wird die Idee einer Industrie 4.0-Anwendung in Form eines Abbildes der digitalen Datenwelt anschaulich. Die Zielsetzung dahinter: Künftig alle erforderlichen Daten digital bereitstellen, durch Software-Lösungen verknüpfen und über alle Instanzen des Lebenszyklus verfügbar machen. Damit soll eine Wertschöpfung erreicht werden, die bislang nicht oder nur unwirtschaftlich möglich ist. Dieter Pesch, Bereichsleiter Produktmanagement und Entwicklung bei Eplan, sagt: „Die Ursprungsidee war, plastisch darzustellen, dass der digitale Artikel und das digitale Engineering extrem wichtig sind. Die Verbindung von Artikeln und dem Engineering-Projekt ergeben ein ‚Single Source of Truth‘-Konzept.“



Produktdaten werden über standardisierte Datenformate und Schnittstellen bereitgestellt. Bild Phoenix Contact Deutschland GmbH

Modulare Systeme in der Fabrik von morgen

Bei seiner Zusammenarbeit an der herstellerunabhängigen Industrie 4.0-Demonstrationsplattform Smartfactory KL ist Lösungsanbieter für das Engineering der Automation zuständig. Der Ansatz des modularen Systems ist, ohne Engineering-Aufwand einzelne Bearbeitungsstationen aus- und auch wieder einkoppeln zu können. Die CAE-Software ist hier die Engineering-Instanz, die im Betrieb über Visualisierung auch Maintenance-Konzepte unterstützt und Projektdaten sichert. Per OPC UA werden die Maschinendaten ausgetauscht. Damit sollen statische Pläne dynamischer werden. Per Viewer wird eine Verbindung zwischen Steuerung und Hardware geschaffen – als Basistechnologie in Richtung Predictive Maintenance. So kann der Instandhalter online über mobile Endgeräte Steuerungsinformationen nutzen. Datenanalyse und Vorhersagen über Ausfallwahrscheinlichkeiten werden in Zukunft Stillstandszeiten minimieren helfen. Die im System dokumentierte Automatisierungstechnik wird in der Lieferkette und im Produktlebenszyklus von Zulieferer über Endkunde bis Anlagenbetreiber als Datenbasis genutzt.

Erkenntnisse schon früh berücksichtigen

Der Software-Hersteller erforscht zudem, welche Informationen durch die Verknüpfung von Prozessdaten mit der steuerungstechnischen Logik in Zukunft zu Mehrwerten in der Produktionsphase beim Betreiber führen. Das Ziel ist es, die gewonnenen Erkenntnisse bereits in der Engineering-Phase zu berücksichtigen, beziehungsweise im Product Lifecycle Management-Prozess des Zulieferers anzureichern. Insbesondere für Industrie 4.0-Konzepte wie Flexibilität einer Fertigung in Losgröße 1 und die Übermittlung von Prozessdaten über das OPC UA-Protokoll liegt hier Potenzial: etwa die Verknüpfung von Schaltplan und Prozessdaten zur Energieverbrauchsoptimierung. Ein weiteres Beispiel im Sinn von Industrie 4.0 wurde von Eplan auf der Messe SPS IPC Drives 2015 gemeinsam mit Sick gezeigt. So lassen sich im Engineering Einstellparameter beispielsweise für Sensoren im CAE-System vorbelegen.

Während der Inbetriebnahme lassen sich diese Parameter aus der elektrotechnischen Dokumentation per OPC UA an das Fertigungsmodul übertragen. Die eingestellten Parametersätze einer Anlage sind im CAE-System sowie der begleitenden Dokumentation der Maschinen erfasst und lassen sich in den Engineering-Prozess zurückführen. Die dadurch mögliche Mehrfachverwendung einmal eingestellter Subsysteme (Klonen) sowie die Weiterentwicklung von ‚Documentation as built‘ zu ‚Documentation as built and setup‘ stellen hierbei Mehrwerte für Inbetriebnehmer und Anlagenbetreiber dar. Per OPC UA werden Einstellparameter während der Inbetriebnahme an eine Maschine übergeben. Weitere Nutzenaspekte sind die Unterstützung einer schnelleren Inbetriebnahme sowie neue Wartungsszenarien. Dieses kann für Aktoren, Sensoren als auch für die I/Os der SPS erfolgen.

Virtualisierung als Grundlage der Produktbeschreibung

Für Geräte, Komponenten, Maschinen und Anlagen dürfte in allen Stufen der Wertschöpfung künftig ein digitales Abbild bereitstehen. Auf Basis von CAE-Daten werden diese digitalen Zwillinge virtuell zu neuen Systemen verschaltet. Diese wiederum werden auf Basis der Engineering-Daten virtuell in Betrieb genommen, getestet und optimiert. Verbesserte Diagnose-Tools greifen im Fehlerfall auf die CAE-Daten zurück und liefern dem Service-Personal erforderliche Informationen zu Ursachen, Auswirkungen und zur Fehlerbehebung. Das soll Ausfallzeiten nachhaltig reduzieren. Damit dies gelingt, müssen die Werkzeuge, die Integration und die Kopplung von und mit Drittsystemen hohen Anforderungen genügen. Ebenso groß sind die Herausforderungen an die Methoden im Engineering und die resultierenden Datenmodelle. „Es gilt, in Zukunft bereits in der Produktentwicklung diese neuen Szenarien und Dienste im Kontext ‚Industrie 4.0‘ vorzudenken und daten- wie systemseitig über den gesamten Lebenszyklus zu unterstützen“, sagt Dieter Pesch.





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