Neues aus der Smartfactory-KL

„Der Weg zu Standards ist in Deutschland sehr schwierig“

In der Smartfactory-KL in Kaiserslautern entwickeln Wissenschaftler gemeinsam mit Partnern aus der Industrie Fabriksysteme für die Industrie 4.0. Professor Detlef Zühlke, Vorstandsvorsitzender der Smartfactory, spricht im exklusiven Interview über den Stand der Standardisierung, ausländische Initiativen und die deutschen Probleme mit dem Tempo.



Bild: DFKI

IT&Production: In Debatten um die vierte industrielle Revolution werden verstärkt verbindliche Standards und Normen eingefordert. Lässt sich am Beispiel der Plattform Smartfactory-KL zeigen, welche Rolle diese auf dem Weg zur Industrie 4.0 einnehmen?

Detlef Zühlke: Wichtiger noch als die Standards sind die Produkte. Wir müssen sehen, dass die Vision Industrie 4.0 sehr schnell Produkte hervorbringt, mit denen die Unternehmen letzten Endes Geld verdienen können. Die Produkte erfordern allerdings in einer solchen Netzwerkvision die entsprechenden Standards, damit sie untereinander kompatibel sind und in diesem Netzwerk miteinander zusammenspielen können. Dafür ist die Verfügbarkeit von Standards so enorm wichtig. In Deutschland haben wir das Thema bereits früh identifiziert und damals im Rahmen der Plattform Industrie 4.0 eine eigene Arbeitsgruppe gestartet. Das ist leider nicht sonderlich glücklich verlaufen, daher wurde die Arbeitsgruppe Standards mit der gesamten Plattform kürzlich in eine neue Organisationsform überführt, um schneller voranzukommen. Der Weg zu verbindlichen Standards ist in Deutschland sehr schwierig, weil wir einen breiten Mittelstand haben. Das bedeutet, dass stets wesentlich mehr Firmen am Tisch sitzen, um über die Verabschiedung von Standards zu entscheiden, als wir das beispielsweise von asiatischen Industrien kennen. Nehmen wir das Beispiel Korea, wo der Industrietrend vorwiegend von zwei Unternehmen vorangebracht wird. In den USA hingegen sind es vor allem IT-Unternehmen, die auf den Trend einwirken. Im Grunde ist es allerdings unwichtig, wer die Standards einbringt, solange sie den anderen Unternehmen zur Verfügung stehen. Klar ist aber auch, dass diejenigen, die an der Entwicklung beteiligt sind, wenigstens zeitweise die Deutungshoheit über die Stoßrichtung haben.

IT&Production: An welcher Stelle auf dem Weg zur Industrie 4.0 stehen Standardisierungen derzeit?

Zühlke: Wir fangen nicht bei Null an. Es gibt bereits eine hohe Anzahl existierender Standards, gerade im Infrastrukturbereich. Allerdings fehlt es an vielen Stellen an der erforderlichen Verbindlichkeit. In dieser Angelegenheit ist auf Bundesebene in der Vergangenheit nicht allzu viel passiert. Für die Smartfactory-KL haben sich zumindest 37 Teilnehmer auf verbindliche Standards einigen können, davon waren auf der Hannover Messe 17 zu sehen. Für das Projekt haben sich teilnehmende Unternehmen auf Standards einigen können, die von der Steckverbindung bis zur Interoperabilität reichen.

IT&Production: Was ist auf internationaler Ebene in Sachen Industrie 4.0 zu beobachten?

Zühlke: Nach meinem Dafürhalten ist Korea derzeit auf diesem Feld führend. Japan war lange Zeit damit beschäftigt, die Folgen des Tsunamis in den Griff zu bekommen. Das Engagement lief daher verzögert an, gewinnt dafür aktuell sehr schnell an Fahrt. China hat eine Menge Geld, ihre Aktivitäten auf diesem Feld sind allerdings vergleichsweise undurchsichtig – wir wissen schlicht nicht genau, auf welchem Stand entsprechende Bestrebungen sind. In den USA bündeln sich viele Aktivitäten im Industrial Internet Consortium. Die Organisation selbst will keine Standards definieren. Teil des Forschungsverbundes ist allerdings das Normungskonsortium Object Management Group OMG. In diesem Rahmen werden also auch Normen vorangetrieben. Vorangetrieben werden die Bemühungen von den ‚Big Five‘ – AT&T, Cisco, General Electric, IBM und Intel. Darunter ist mit General Electric lediglich ein Fertigungsunternehmen. Ansonsten handelt es sich um Anbieter aus der IT und Elektronikbranche. Diese Marktteilnehmer werden auf entstehende Standards einwirken, fraglich ist nur, ob sich diese eins zu eins auf die Fertigungsindustrie übertragen lassen. Wie gesagt, existiert bereits eine große Bandbreite an Standards. Wir müssen uns nun einen belastbaren IndustrialStandard formen, ein industrietaugliches Internet hinter diesen Standards. Auf internationaler Ebene sieht es danach aus, als ob sich die bekannten IEEE-Internetstandards auf den Transportschichten 1 bis 4 sowie OPC UA auf den Anwendungsschichten 5 bis 7 des ISO-OSI-Kommunikationsmodells durchsetzen werden. Oberhalb der Schicht 7 bleibt dann aber zu klären, wie die Interoperabilität sichergestellt werden kann, so dass zum Beispiel beliebige Werkzeugmaschinen mit Robotern verschiedener Hersteller kommunizieren können. Dafür braucht es semantische Lösungsansätze.







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