Die Ansätze Green Stream Analysis und Green Stream Design verbinden die Wertstromanalyse mit dem ökologischen Modell des Energiewertstroms.
Bild: MHP – A Porsche Company

Energiedaten berechnen

Soweit die theoretische Grundlage, die für Unternehmen leicht nachvollziehbar und prinzipiell auch umsetzbar sein dürfte. In der Praxis kann allerdings ein Umstand immer wieder zu einem entscheidenden Hemmnis werden: die Verfügbarkeit – oder besser Nicht-Verfügbarkeit – von verlässlichen und exakt zuzuweisenden Daten zum Energieverbrauch und den resultierenden Emissionen. Unternehmen müssen genau sagen können, welche Maschine oder Anlage, welches Transportmittel oder welches Werkzeug wie viel Energie verbraucht und wie viel CO2 dabei freigesetzt wird. Wenn das nicht bekannt ist, können auch keine Verschwendungen identifiziert und beseitig werden – nicht innerhalb eines klar definierten Projekts und schon gar nicht im Rahmen eines KVP.

Bestimmen lassen sich die Kennzahlen auf zwei Arten: Sie können berechnet oder gemessen werden. Die Berechnungen werden auf Basis bekannter Größen angestellt. Dafür werden etwa die Angaben des Herstellers zum Stromverbrauch und zu den emittierten Schadstoffen einer Maschine bezogen auf die verschiedenen Leistungsbereiche mit der jeweiligen durchschnittlichen Laufzeit multipliziert. Das setzt voraus, dass auch tatsächlich für jeden Verbraucher innerhalb der betrachteten Wertschöpfungskette die Angaben vorliegen. Aber selbst wenn das der Fall ist, geben die Werte nur bedingt Auskunft über den tatsächlichen Energieeinsatz beziehungsweise die tatsächlichen Emissionen. Denn je älter eine Maschine ist, desto höher ist ihr Verschleiß und desto höher ist auch der Verbrauch. Exakte Aussagen sind möglich, wenn der Energieeinsatz und die Emissionen an jedem einzelnen Verbraucher durch Sensoren gemessen werden. Wo sie nicht ohnehin vorhanden sind, lassen sich solche Sensoren in den Regel nachrüsten.

Die weitere Verarbeitung der auf diese Weise erfassten Werte kann auf zwei Arten erfolgen: Entweder die Daten werden offline ausgewertet, sehr simpel ist das zum Beispiel mit Excel möglich. Oder die Daten werden online und in Echtzeit bereitgestellt. Dafür ist es notwendig, sie automatisch an ein zentrales IT-System zu übergeben, das sie analysiert, zu den benötigten Kennzahlen verdichtet und die Ergebnisse visualisiert. Solche Systeme sind momentan allerdings immer noch die Ausnahme. Zwar setzen viele Unternehmen mittlerweile in ihren Werkhallen Manufacturing-Execution-Systeme ein, die produktionsnahe Daten verarbeiten. Auf das konsequente Management von Daten zum Energieverbrauch oder zu Emissionen sind die derzeitigen Lösungen jedoch nur bedingt ausgelegt – die VDI-Richtlinie VDI 5600 zu Fertigungsmanagementsystemen umfasst diese Aufgabe jedenfalls nicht.

Kein KVP ohne Software

Wenn Unternehmen einen ersten Eindruck davon gewinnen wollen, wie hoch ihr Energieverbrauch ist und wie viel CO2 sie emittieren, genügen dafür Näherungswerte. Hier kommt die Berechnung als Methode infrage. Sobald aber die Ist-Situation im Rahmen einer Wertstromanalyse erfasst werden soll, müssen exakte Werte vorliegen – der Energieeinsatz und die Emissionen müssen demnach an jedem Verbraucher gemessen werden. Während für diese statische Betrachtung noch eine Offline-Verarbeitung ausreicht, ist eine Online-Verarbeitung unabdingbar, wenn das Projekt in einen KVP münden soll. Denn erst durch die Echtzeit-Verfügbarkeit der Energiedaten ist eine stetige Kontrolle der Entwicklung und damit eine kontinuierliche Verbesserung möglich.

Für die regelmäßige Beseitigung von Verschwendungen im herkömmlichen Verständnis ist eine datenbasierte Evaluation zwar auch wünschenswert, hier sind unerwünschte Ereignisse aber deutlich offensichtlicher. Wenn eine Maschine immer wieder steht, weil der Naschschub fehlt, bekommen das die Verantwortlichen in der Werkhalle direkt mit. Wenn die gleiche Maschine unnötig Energie verbraucht, bleibt das aber erst einmal unbemerkt. Gleiches gilt für den Erfolg von beschlossenen und implementierten Maßnahmen. Um einen solchen KVP in der Praxis umzusetzen, wird nahezu jedes Unternehmen eine Energiemanagementsoftware einsetzen müssen, die von unterschiedlichen Sensoren erfassten Daten aufnehmen und verarbeiten kann.

Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Software die Norm DIN ENISO50001 erfüllt, die den organisatorischen Rahmen für ein Energiemanagementsystem definiert. Insofern lässt sich die Umsetzung des Green Stream Designs mit der Überführung in einen KVP auf Basis einer solchen Software als Operationalisierung der Norm verstehen. Auf diese Weise entsteht ein Rückkopplungsmechanismus: Das Energiemanagement ist einerseits ein wichtiger Enabler für Green Stream Analysis und Green Stream Design. Andererseits kann der Ansatz das Energiemanagement effektiv unterstützen.



Zwölf Richtlinien geben vor, wie Prozesse gestaltet werden sollten. Dabei werden vier Dimensionen in den Blick genommen: die Prozessanalyse (Richtlinien 1 – 7), die Effizienzanalyse (Richtlinie 8), die Relationsanalyse (Richtlinien 9 – 11) und die Energie. Bild: MHP – A Porsche Company

Wandel in der Organisation

Die Einführung einer Energiemanagementsoftware schafft die technologische Basis, Verbrauch und Emissionen kontinuierlich zu reduzieren. Um die dafür benötigten Ressourcen freizusetzen, ist in vielen Organisationen ein Wandel erforderlich. So ist die Frage zu klären, wer im Unternehmen für das Thema verantwortlich ist, mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestattet wird und zusätzliche Mittel erhält. Dabei sollte von Beginn an berücksichtigt werden, dass sich der Energieverbrauch und die Emissionen nur dann stetig senken lässt, wenn die Abteilungen gut zusammenarbeiten. Die Forderung klingt zwar erst einmal trivial. Das nach wie vor sehr verbreitete Silodenken und -handeln in den Unternehmen macht aber die Dringlichkeit dieses Punktes deutlich. Neben einer umfänglichen internen Kommunikation und der Einbeziehung der Mitarbeiter können auch angepasste Zielvereinbarungen dafür Anreize schaffen. Auf der UN-Klimakonferenz in Paris Ende 2015 haben die Staats- und Regierungschefs unerwartet ambitionierte Ziele beschlossen. Erreichen lassen sich diese nur, wenn in allen Gesellschaftsbereichen ein Umdenken stattfindet. Mit dem Green Stream Design steht den Unternehmen ein Werkzeug zur Verfügung, diesen ökologischen Wandel mit dem ökonomischen Nutzen zu verbinden.