Mit dem passenden Systemverbund keine Prüfung auslassen
Die Qualitätssicherung in der Kunststoffindustrie hebt sich von anderen Branchen ab. So müssen Bauteile für SPC-gesteuerte Prüfprozesse nach der Entnahme oft erst abkühlen, bevor sie geprüft werden können. Es müssen Entnahmezeitpunkte festgehalten, Teile gekennzeichnet und schließlich kontrolliert werden. Anwendungen für Computer Aided Quality Assurance können im Verbund mit einem MES den Aufwand für diese Aufgaben deutlich reduzieren – wenn sie die Branchenspezifika abbilden.
Bild: Böhme & Weihs Systemtechnik GmbH & Co. KG
Die qualitätsorientierte Prozessüberwachung in der Kunststofffertigung unterliegt im Vergleich zu anderen Branchen besonderen Anforderungen: SPC-gesteuerte Prozesse verlangen regelmäßige Stichprobenprüfungen, in denen Teile nach ihrer Entnahme unmittelbar geprüft werden, sodass der Zeitpunkt der Prüfung üblicherweise mit dem Zeitpunkt der Entnahme übereinstimmt. Zudem gibt es besondere Situationen, in denen zusätzliche Stichproben entnommen werden müssen. Dazu zählen Produktionsstart, Produktionsende oder Wiederaufnahme der Produktion nach geplanten oder ungeplanten Stillständen. Auch bei diesen Sonderprüfungen ist die Dokumentation der Entnahmezeitpunkte – nicht der Prüfzeitpunkt – für die Prozessanalysen von Bedeutung. Im Gegensatz zu anderen Branchen würden in der Kunststofffertigung jedoch zu früh durchgeführte Prüfungen auf Grund der mit der Abkühlung verbundenen Verformung der Teile zu fehlerhaften Prüfergebnissen führen.
Der Aufwand ist größer
Das bedeutet: Die an der Maschine entnommenen Teile können erst nach dem Abkühlvorgang im CAQ-System erfasst werden. Damit ist die exakte Zuordnung zwischen Messwert und Prozessdaten zum Entnahmezeitpunkt nur mit erhöhtem organisatorischen Aufwand möglich. Die Teile müssen für die Stichproben-Messwerterfassung entnommen und zum Abkühlen separiert werden. Um Verwechslungen zu vermeiden, sind sie eindeutig mit Auftrag und Teilenummer zu kennzeichnen. Darüber hinaus ist der Entnahmezeitpunkt festzuhalten, der bei der Messwertaufnahme anstelle des Prüfzeitpunkts auszuweisen ist. Damit fordert die Fertigungsorganisation für die SPC-Prüfungen einen spezifischen Ablauf, der durch eine intelligente Kommunikation zwischen MES und CAQ für die Werker sicher unterstützt werden kann. So lassen sich für die SPC-Stichprobensteuerung in der Kunststofffertigung folgende Aufgabenstellungen differenzieren: Stichprobenplanung (regelmäßige und Sonderprüfungen), Auftragsstart, Produktion, Steuerung der Teile-Entnahmen, Kennzeichnung der Entnahmeteile, Prüfung und Auftragsende. Wie diese Aufgaben mit IT-Unterstützung zu lösen sind, ist nachfolgend beschrieben.
Stichprobenplanung
Die Stichprobenplanung erfolgt üblicherweise im Prüfplan des CAQ-Systems. Hier unterscheidet man gemäß ISO/TS 16949 zwischen regelmäßig erfassten Merkmalen und solchen, die nur zum Fertigungsanlauf oder bei Beendigung des Fertigungsauftrags geprüft werden. Für die regelmäßigen Prüfungen werden die Prüffrequenz und der Stichprobenumfang für jedes Merkmal stückzahl- oder zeitintervallabhängig definiert. Die Merkmale, die nur bei der Erstteil- und Letztteilprüfung herangezogen werden sollen, werden besonders gekennzeichnet.
Auftragsstart
Der Start des Fertigungsauftrags wird im MES ausgelöst. Diese Information stellt das MES im Sinn der Industrie 4.0-Philosophie mit allen Hintergrundinformationen zum Produktionsauftrag anderen Systemen zentral zur Verfügung. Das CAQ-System ist so in der Lage, den zugehörigen Prüfauftrag an dem Prüfplatz in der Fertigung anzuzeigen. Umgekehrt meldet das CAQ-System den Prüfauftrag mit den Prüfplaninformationen an das Intranet, sodass auch diese allen Systemen zur Verfügung stehen.
Während der Produktion leistet das MES einen Broadcasting-Service. Es gibt laufend die aktuellen Meldungen wie Stückzahlen und Produktionsstatus weiter. So lassen sich diese Informationen am Prüfplatz des CAQ-Systems nutzen, um den Werker sowohl über mögliche Störungen als auch den voraussichtlichen Zeitpunkt der nächsten Prüfung zu informieren.
Steuerung der Teileentnahme
Das CAQ-System gibt zu Auftragsbeginn und im Betrieb Prüfauftragsinformationen aus, mit der das MES die Teileentnahme steuern kann. Hier bieten sich drei Varianten an:
Das MES nutzt die Prüfplaninformationen zum Stichprobenumfang und der Prüffrequenz, um den Zeitpunkt der Teileentnahme selbst zu bestimmen.
Das MES nutzt das Signal ‘Bitte Stichprobe vom Umfang n entnehmen’. Dieses Signal generiert das CAQ-System, sobald die entsprechende Stückzahl erreicht ist oder der Auftragsstatus mit einem Produktionsneustart oder dem Produktionsende die Stichprobenentnahme erfordert.
Die SPC-Prüfstation des CAQ-Systems fordert selbst zur Stichprobenentnahme auf.
Darüber hinaus können sich auch weitere Systeme der zentralen Informations-Cloud bedienen. So sind beispielweise Maschinen mit einer entsprechenden Vorrichtung in der Lage, die Teile automatisch bereitzustellen.
Bild. Böhme & Weihs Systemtechnik GmbH & Co. KG
Kennzeichnung der Entnahmeteile
Da nun die entnommenen Teile über einen bestimmten Zeitraum bis zur Prüfung abkühlen müssen, bietet es sich an, sie in Behältern abzulegen, die mit Hilfe von Etiketten oder Chips markiert werden. Diese enthalten sämtliche Stichprobeninformationen und können über Barcode, QR-Code oder RFID später wieder eingelesen werden. Die Markierung kann von allen Systemen ausgelöst werden, die miteinander verbunden sind: CAQ, MES und Maschinen.
Prüfung
Müssen Teile vor der Prüfung nicht abkühlen, beginnt der Werker mit der Messwerterfassung, sobald er zur Stichprobenentnahme aufgefordert wird. Meist unterstützt ihn dabei die CAQ-Station an seinem Prüfplatz, indem es zum Beispiel einen farbigen Zeitbalken anzeigt. Für die Prüfung früher entnommener und markierter Teile wird die Prüfung anders ausgelöst. Anstelle des Klicks auf den Zeitbalken an der Prüfstation genügt das Lesen des Barcodes, QR-Codes oder des RFID-Chips. So wird der Entnahmezeitpunkt der Stichprobe automatisch zugeordnet und festgehalten, ob es sich um eine Sonderprüfung handelt. Damit ist die korrekte Reihenfolge der Stichproben in der Regelkarte gesichert, selbst wenn die Erfassungsreihenfolge nicht eingehalten wurde. Zudem werden die Stichproben dem Produktionszeitpunkt zugeordnet und damit den Prozessparametern, die etwa im MES dokumentiert sind.
Wie der Produktionsstart wird auch das Ende eines Fertigungsauftrags durch das MES eingeleitet und mit den Auftragsabschlussdaten der Intranet-Cloud gemeldet. Wieder ist jedes System im Verbund in der Lage, die Letztteilprüfung mit der Teileentnahme anzustoßen, wobei die Prüfung erneut erst nach Abkühlung der Teile erfolgt.
Fazit
Prof. Dr. Norbert Böhme ist Geschäftsführer der Böhme & Weihs Systemtechnik GmbH & Co. KG.
Die offene Kommunikation zwischen MES und CAQ kann den Aufwand für die Qualitätsprüfungen in der Kunststoffindustrie deutlich beschleunigen – und gleichzeitig Lücken in der Stichprobensteuerung schließen. Vielfach lässt sich die dokumentierte Teileentnahme und Stichprobenprüfung sogar erst durch diese enge System-Kommunikation zuverlässig verwirklichen. Zudem können je nach Anforderung weitere Systeme in diese Aufgabenteilung einbezogen werden.
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