MES in der Prozessindustrie

Zwischen den Systemen

Enterprise Resource Planning-Anwendungen und Prozessleitsysteme entwickeln sich in der Prozessindustrie vertikal weiter in die klassischen Funktionsbereiche von Manufacturing Execution-Systemen hinein. Der Shopfloor-IT kommt in einer solchen Umgebung die Aufgabe zu, sich flexibel zwischen diese beiden IT-Ebenen einzubetten.

Bild: on/off it-solutions GmbH

Bei Manufacturing Execution-Systemen (MES) mittelständischer Unternehmen zeichnet sich ein deutlicher Trend in Richtung flexibler, skalierbarer und dynamischer Systeme ab. Der Mittelstand erwartet durch den Einsatz von MES Produktivitätssteigerungen mit einem darstellbaren Return on Investment (ROI). Daher müssen moderne Systeme optimal an die Bedürfnisse des Fertigungsunternehmens angepasst werden. Daraus lassen sich Forderungen für die Integration der Lösungen und die Schnittstellengestaltung ableiten. Ein Beispiel aus der Natur: Amöben sind Einzeller, die keine feste Körperform besitzen, sondern ihre Gestalt der Umgebung anpassen. Das MES als Bindeglied zwischen Enterprise Ressource Planning (ERP) und Prozessleitsystemen (PLS) muss genau diese Eigenschaft besitzen. Sowohl ERP als auch PLS entwickeln sich vertikal weiter und stoßen in die MES-Domäne vor. Gehen wir davon aus, dass diese MES-Domäne durch die ISA-95 beziehungsweise IEC 62264 oder DIN EN 62264 relativ klar beschrieben ist, so zeigt die Praxis heute, dass bereits viele MES-Funktionalitäten sowohl im PLS als auch im ERP-Bereich umgesetzt werden können.

Sonderfall Prozessindustrie

Gerade in der Prozessindustrie können diese beiden Welten aber oft nicht direkt verbunden werden, jedenfalls nicht ohne erhebliche Probleme und Aufwand sowie Konsequenzen für die Flexibilität in der Produktion. Hier ist ein MES erforderlich, das sich analog zur Flexibilität einer Amöbe zwischen PLS und ERP legt. Die Software kann diese Aufgabe nur dann erfüllen, wenn es über einen großen Fundus vielseitiger und einfach anpassbarer Schnittstellen verfügt, also sozusagen als ‚Hub intelligenter Schnittstellen‘ fungiert. Daneben ist ebenso wichtig, dass ein MES über eigene funktionale Module verfügt. Zusammenführung und Auswertung der Daten in einem System sind von zentraler Bedeutung. Ein Qualitätsmanagement-Modul erlaubt es beispielsweise, Qualitätsdaten im MES zu erfassen. Diese Daten können mit aus unterlagerten Systemen ausgelesenen Prozessdaten korreliert werden. Solche Datenanalysen stellen ein wichtiges Instrument für Prozessoptimierungen dar. Das MES sollte aber nicht darauf angewiesen sein, die Qualitätsdaten zu erzeugen.

Alternativ muss es in der Lage sein, die Daten zum Beispiel aus einem SAP-QM oder auch direkt aus bestehenden Labor-Informations-Managementsystemen (LIMS) auszulesen. Dieser Grundsatz lässt sich verallgemeinern und auf andere MES-Module übertragen. Eine solche Shopfloor-Anwendung kann sich in gewachsene Systemstrukturen einbetten und den Informationsfluss und die Datenintegrität zwischen den bestehenden Systemen sicherstellen. MES müssen in der Regel im laufenden Betrieb und ohne Produktionsunterbrechung eingeführt werden. Die Einführungsprojekte sind herausfordernd und sollen möglichst schnell positiven Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Fertigungsbetriebes zeigen. Der hier vorgestellte integrative Ansatz ermöglicht es, das MES an neuralgischen Punkten einzuführen, wo es zurzeit am meisten ’schmerzt‘ und wo mit relativ geringem Aufwand ein großer Nutzen erzielt werden kann. Im Anschluss kann das System je nach Bedarf weiter ausgebaut und Altsysteme können sukzessive durch die Übernahme der Funktionalität in das MES abgelöst werden. Die Notwendigkeit von produktionsnahen, riskanten IT-Großprojekten gehört damit der Vergangenheit an.

Der Mensch im Mittelpunkt

Mit einer Systemarchitektur, die über hervorragende Integrationsfähigkeiten verfügt, ist es jedoch noch lange nicht getan. Die beste Software kann ihre Möglichkeiten nicht entfalten, wenn sie dem Menschen, also seinen Nutzern, nicht gerecht wird. Hierbei ist die Flexibilität der Bedienoberflächen eine wesentliche Anforderung, streng nach dem Grundsatz ’so einfach wie möglich‘. Also dem ‚Keep it simple and stupid‘-Prinzip (Kiss) folgend, das Clarence Leonard Johnson bereits in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts geprägt hat. Auf die Software übertragen bedeutet das zum Beispiel, flexible Bedienportale bereitzustellen, die den jeweiligen Nutzer mit ein bis zwei Mausklicks ans Ziel führen. MES werden in der Regel von vielen Nutzern mit unterschiedlichem Hintergrund genutzt. Dem lässt sich durch individuell konfigurierbare Bedienportale Rechnung tragen, um jedem Nutzer den bestmöglichen Zugang zu den von ihm benötigten Funktionen zu ermöglichen. Die Komplexität der Software sollte keinesfalls eine gleichartige Komplexität der Bedienebene zur Folge haben.







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