Um die Effizienz zu steigern und Vorgänge zu vereinfachen, sollten sich Produktion und Instandhaltung neue Anwendungen wie mobile Apps, Dienstleistungen oder auch Webanwendungen zu eigen machen. Allerdings stehen die Hersteller von Maschinen und Anlagen mit den Besonderheiten von Softwarelösungen und -konzepten vor großen Aufgaben. Dr. Andreas Gallasch spricht im Interview über die Herausforderungen, die Industrie 4.0 mit sich bringt und wie man diesen am besten gegenübertritt.
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Herr Dr. Gallasch, Sie werden in Ihrem Unternehmen nahezu täglich mit dem Thema Industrie 4.0 konfrontiert. Was ist damit gemeint?
Dr. Andreas Gallasch ist Geschäftsführer der Software Factory GmbH. Bild: Software Factory GmbH
Dr. Andreas Gallasch: Die dritte industrielle Revolution war getrieben von den ständig wachsenden Möglichkeiten zur Automatisierung seit den 1970er-Jahren. Nach einer gewissen Euphorie im CIM-Bereich, also dem Computer Integrated Manufacturing, ebbte diese Entwicklung langsam ab und stabilisierte sich schließlich auf einem wirtschaftlichen Optimum. Parallel dazu entwick-elten sich Computer, Smartphones und speziell das Internet, auf das als standardisierte Infrastruktur leicht zurückgegriffen werden kann, signifikant wei-ter. Neben sozialen An-wendungen entstan-den immer mehr private Dienste wie Mail, Kalender, Sport Monitoring, Hausautomatisierung oder Überwachung von Körperfunktionen. Bei Industrie 4.0 als die ausgerufene vierte industrielle Revolution geht es nun darum, die Methoden und Techniken der Internetwelt mit der Produktion zu verbinden. Dadurch lassen sich neue Produkte, Produktionsmethoden und Geschäftsmodelle etablieren. Ein bekanntes, immer wieder gerne angeführtes Beispiel ist, dass Daten von einer Vielzahl von Sensoren in einer bestimmten Art und Weise gesammelt und ausgewertet und mit Informationen aus PLM und den Diensten von Drittanbietern aus dem Internet verknüpft werden. Anhand dieser Information werden dann Zukunftsprognosen bezüglich Ausfallwahrscheinlichkeiten erstellt.
Gibt es bestimmte Anforderungen, die Unternehmen im Hinblick auf die Idee des Industrie 4.0-Konzepts zu erfüllen haben?
Gallasch: In der Tat gilt es, drei wichtige Punkte zu beachten, wenn Sie im Bereich Engineering neue Lösungen entsprechend den modernen Vorgaben gestalten oder alte Konzepte hinsichtlich dieser Kriterien erweitern möchten. Für den Anlagenbetreiber zählt natürlich in erster Linie die Produktivität. Einen Maschinenausfall wegen eines neu bootenden PCs darf es nicht geben. Die Qualität der Software muss entsprechend reif und getestet sein, um Ausfälle und große Verluste zu vermeiden. Zudem spielt die Sicherheit eine große Rolle. Zu guter Letzt müssen die Systeme und die Unternehmen flexibel genug sein, neue Wege zu gehen und bestehende Systeme auszubauen.
Gallasch: Ein Punkt, der in Teilbereichen immer noch zu wenig beachtet wird. Es sind zwei Bereiche zu unterscheiden: Safety und Security. Safety meint den Schutz vor Unfällen – ein Thema, das natürlich im Fokus der Ingenieure steht und durch Standards und Richtlinien auch normativ geregelt ist. Security, im Sinne von Datensicherheit, beschäftigt sich inzwischen verstärkt mit Cyber-Security – also dem Schutz von Datensystemen vor Angriffen von außen, durch die ebenfalls Mensch wie Maschine zu Schaden kommen können. Der Bedeutung von Cyber-Security wird bis dato eindeutig noch zu wenig Beachtung geschenkt. Beide Bereiche, Safety und Security, sind eng miteinander verzahnt und müssen unbedingt gemeinsam betrachtet werden. Dies stellt auch eine der größten Herausforderungen für Industrie 4.0 dar. Nur Geräte, die konsequent mit Updates versorgt und von Herstellern mit ausreichend Sicherheits-Know-how gepflegt werden, gehören ins Internet. Alles andere ist grob fahrlässig. Sicherheitsupdates erfordern derzeit zwar noch eine neue Inbetrieb- und Abnahme der Gesamtanlage, was mit Beeinträchtigungen verbunden ist, aber zukünftig können abnahmerelevante Systembausteine konsequent von updaterelevanten entkoppelt sein.
Wie muss Ihrer Meinung nach im Engineering vorgegangen werden, um den genannten Anforderungen gerecht zu werden?
Gallasch: Heute bietet insbesondere die Software ein immer höheres Maß an Möglichkeiten, die Funktionalität der Produkte und die möglichen Dienstleistungen zu erhöhen. Daher muss die Zusammenarbeit auf der Ebene der geforderten Maschinenfunktionen erfolgen. Die Herausforderungen sind nur über eine engere und verstärkt parallele Zusammenarbeit der einzelnen Gewerke Mechanik, Elektrik und Software zu schaffen. Die Frage, die wir uns immer wieder stellen, lautet: ‚Wie nutzt man bestimmte Tools und Lösungen bei der Entwicklung von Maschinen und Anlagen?‘ In der Vergangenheit ist jeder Bereich – ob Mechanik, Elektrik oder Software – unterschiedlich vorgegangen. In Zukunft ist ein ganzheitlicher Methoden- und Engineering-Werkzeug-Ansatz gefragt, der auf gemeinsamen Datenmodellen und durchgängigen IT-Lösungen basiert.
Wie sieht das Konzept aus?
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Gallasch: Im Software-Bereich haben sich mittlerweile Methoden herauskristallisiert, mit denen man flexibel an die Sache herangehen kann. Umschrieben wird das mit dem Begriff ‚agile Softwareentwicklung‘: Aus einem zugrunde liegenden großen, groben Bild wird eine Lösung aus kleineren Paketen geschnürt, die zusammen ein klares Gesamtbild ergeben. Der Vorteil liegt darin, dass kleinere Pakete wesentlich leichter zu handeln sind, sodass die Fehlerwahrscheinlichkeit sinkt. Werden in bereits bestehenden Systemen Änderungen durchgeführt, muss neben der Mechanik auch die Software geändert oder angepasst werden, da die Zusammenarbeit ansonsten nicht mehr gewährleistet ist. Dies kann sehr schnell zu einem unüberschaubaren Kostenfaktor werden.
Wie weit ist man derzeit bei der Umsetzung dieser Idee?
Gallasch: Noch passen die Arbeitsweisen der verschiedenen Gewerke oft nicht zusammen. Es ist jedoch bereits zu erkennen, dass sich Mechaniker wie auch Elektriker mit dem Prozessvorgehen aus dem Software-Bereich auseinandersetzen und damit experimentieren. Daher bietet es sich für sie an, zukünftig grundsätzlich über Schnittstellen von Mechanik, Elektrik und Elektronik nachzudenken. Auf dem Markt sind dazu bereits Lösungen aus vorhandenen Bausteinen erhältlich. Sie erlauben eine Verzahnung der Entwicklung von Mechanik und Software, wodurch Maschinen optimiert verkauft, montiert und angepasst werden können. Diese sind die Zukunft für Neuentwicklungen und zur Dokumentation.
Wie begegnet denn die Software Factory der vierten industriellen Revolution?
Gallasch: Wir realisieren Systeme für solche integrierten und ganzheitlichen Prozesse. Mit Systems Engineering für den Maschinen- und Anlagenbau bieten wir eine Lösung an, die mittels Software die Elektronik, die Elektrik und die Mechanik verbindet. Wir ermöglichen somit eine durchgängige Produktentwicklung mit Werkzeugen und Bausteinen. Ganz nach dem Motto ‚Alles aus einer Hand‘ – von der Idee über die Konstruktion und Softwareentwicklung mit vorgefertigten Softwarebausteinen bis hin zu Remote-Service-Lösungen nach der Inbetriebnahme. Dabei orientieren wir uns bei der Findung einer individuellen Lösung an zwei Leitbildern: dem Baukasten-Prinzip aus Standard-Softwaremodulen und den individuellen kundenspezifischen Komponenten. Anhand von Angaben zu den Vertriebs- und Entwicklungsprozessen, zu Neuentwicklungen oder Wiederverwendungen erstellen unsere Experten ein Konzept, bei dem auch die bestehenden Elemente der Entwicklungsinfrastruktur berücksichtigt werden. Einzelne Softwarekomponenten werden nach individuellen Kundenanforderungen kombiniert, um so die beste Lösung zu generieren.
Gibt es ein konkretes Produkt, von dem Sie sagen würden: ‚Das ist unsere Antwort auf Industrie 4.0?‘
Gallasch: Auf ein bestimmtes Produkt lässt sich das nicht herunterbrechen. Wir bieten beispielsweise eine durchgängige Entwicklungswerkzeugkette für den Maschinenbau mit den Produkten der Firma PTC an. Diese sind Model Based Systems Engineering mit PTC Integrity Modeller, Requirements Management mit PTC Integrity Lifecycle Manager sowie Agile Entwicklung, Software Configuration und Change Management mit PTC Integrity Lifecycle Manager. Im Bereich der Umsetzung von Industrie 4.0 setzen wir auf die PTC-Thingworx-Plattform und bieten hier als Thingworx-Systemintegrator kundenspezifische Lösungen und Add-ons für das Internet der Dinge und die Produktion an.
Die Software Factory bietet verschiedene Veranstaltungen zum Thema Industrie 4.0 an. Was hat Sie dazu bewogen und welches Ziel verfolgen Sie damit?
Gallasch: Im Laufe unserer Zusammenarbeit mit vielen Unternehmen aus dem Mittelstand stoßen wir immer wieder auf deren Unwissenheit beim Thema ‚Sicherheit im Netz‘. Das hat uns dazu veranlasst, Infoveranstaltungen wie Arbeitskreise oder Kompetenztage anzubieten. Manche Unternehmen fragen sich tatsächlich immer noch: ‚Was wollen andere denn mit meinen Daten?‘ Die Software Factory hat es sich zusammen mit dem Sicherheitsnetzwerk München zur Aufgabe gemacht, dem Mittelstand als Randgruppe die Frage nach der ‚Sicherheit‘ verständlich zu machen und konkrete Lösungen anzubieten. Gemeinsam mit unserer Schwesterfirma ITQ, die sich auf Methodikberatung spezialisiert hat, werden dort Lösungen im Bereich Engineering etwa anhand der oben genannten Produkte aufgezeigt.
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