Kurze Durchlaufzeiten sind nur eine Seite der Medaille

Die Verbindung von Materialbewirtschaftung und Fertigungsplanung gestattet Anwendern, gegenseitige Abhängigkeiten – etwa im Hinblick auf Materialverfügbarkeit sowie Maschinen- und Mitarbeiterauslastung – bei der Planung im Leitstandssystem zu berücksichtigen. Ein technologischer Ansatz, um diese enge Verknüpfung zu erreichen, ist die Verlagerung von Aufgaben aus dem Bereich Materialwirtschaft auf die produktionsnahe IT.

Viele Planungssysteme arbeiten bei der Optimierung zudem noch mit kurzen Durchlaufzeiten als einziges Kriterium. Doch eine Durchlaufzeit, die im Vergleich mit anderen Alternativen kurz ist, kann immer noch eine unnötig lange – und damit teure – Rüstzeit enthalten. Deshalb ist es wichtig, dass Planungssysteme neben der Terminberechnung auch die Kosten einbeziehen. Auf Basis der unterschiedlichen Kostensätze und der verschiedenen Produktionsgeschwindigkeiten der einzelnen Maschinen lässt sich berechnen, auf welcher Maschine die Fertigung insgesamt günstiger ist. Ebenso lässt sich vergleichen, ob es aus Termin- oder Kostengründen sinnvoller ist, angearbeitetes Material zwischenzulagern, um es dann mit einer kleinen Rüstzeit gemeinsam mit anderen Aufträgen zu verarbeiten. Auf diese Weise kann entschieden werden, welche Auftragszuordnung aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten günstiger ist.

Der Planer wird wieder zum Entscheider

In leistungsfähigen Software-Systemen nimmt der Leitstand dem Planer bereits heute bei der komplexen Aufgabenstellung der Produktionsoptimierung alle Rechenoperationen ab und präsentiert ihm einen Vorschlag, den er annimmt, ablehnt oder individuell nachbearbeitet. Außerdem kann ein Software-Leitstand auf mögliche Verbesserungsmaßnahmen hinweisen, zum Beispiel auf Zusatzarbeitszeiten oder Teilmengenlieferungen. Diese Arbeitsweise geht mit der grafischen Darstellung der Ergebnisse einher – der Planer sieht die Aufträge etwa als farbige Balken, die er mit der Maus verschieben kann. So kann der Planer auf einer ganz anderen Ebene arbeiten: Er wird wieder zum Entscheider, er erkennt kritische Situationen sofort und bestimmt, wie ein Auftrag termingerecht und kostengünstig bedient werden kann.

Suche nach Alternativen: Autoradios machen es vor

Wenn die Vorgänge in den Betrieben abgebildet sind und der Leitstand die Feinplanung übernimmt, sind die Anwender in der Lage, zeitnah Alternativen durchzuspielen. Ein Beispiel ist die Entscheidung darüber, ob Dinge selber gefertigt oder nach außen vergeben werden. Unterstützt der Leitstand diese Funktion, kann der Anwender angeben, ob externe Arbeitsplätze existieren und ob der Auftrag bevorzugt extern oder im eigenen Werk gearbeitet wird. Erst wenn ein Termin an der bevorzugten Fertigungsstätte nicht mehr gehalten werden kann, wird die Vergabe auf die Alternative freigegeben. Wenn Materialbewirtschaftung und Fertigungsplanung zusammengeführt werden und das System Alternativen prüfen kann, können auch neue Ansätze realisiert werden: Während der Planer auf einem Rechner im Meisterbüro arbeitet, kann ein zweiter Rechner ständig prüfen, ob ein anderer Plan besser zu den veränderten Informationen passt. Ein ähnlicher Vorgang ist in vielen Autoradios realisiert: Ein Tuner gibt das aktuelle Programm wieder, ein zweiter sucht ständig eine Frequenz, auf der der Empfang besser ist.

Just-in-time: Fertigungsplanung im Minutentakt

Ein weiterer Grund für die Verlagerung der Produktionsplanung in den Leitstand ist die intensive Vernetzung zwischen Kunden und Lieferanten. Viele Unternehmen sind eingebettet in den Materialfluss ihrer Lieferanten und Kunden, deshalb muss schnell auf kurzfristige Änderungen reagiert werden. Ein Beispiel ist die Lieferung von flüssigem Aluminium, das ein Hersteller von Motorblöcken in regelmäßigen Abständen von einer Aluminiumhütte erhält. Wenn der LKW auf dem Weg zum Kunden in einen Stau gerät, muss das verarbeitende Unternehmen schnell eigene Aluminiumbarren schmelzen, damit der Gießbetrieb nicht unterbrochen wird. Dann muss die Produktionsplanung innerhalb von wenigen Minuten reagieren. In dem Moment, in dem die Nachricht eintrifft, kann per Software-Leitstand die Planung an den neuen Istzustand angepasst und alle Tätigkeiten veranlasst werden, die mit der Änderung verbunden sind, zum Beispiel das Aufheizen des eigenen Ofens und die Bereitstellung der Barren aus dem Lager.

Zentrale Kontrollinstanz auch für das Management

Wenn ein Planungssystem durch die Verknüpfung von Materialbewirtschaftung und Fertigungsplanung Termine und Kosten quasi in Echtzeit berücksichtigt, ist es in der Lage, die Entwicklung der kommenden Wochen oder Monate präzise abzubilden. Damit kann die Software auch Umsätze und Kosten für die entsprechenden Zeiträume berechnen. So wird die Feinplanung auf MES-Ebene zum Steuerungsinstrument für Werkhalle und Management.







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