Lkw-Zulaufsteuerung in der Praxis

Engpässe im Wareneingang
vermeiden

Wenn ein Pkw, Lkw, Traktor oder anderes Fahrzeug in Deutschland sein Produktionswerk verlässt, sorgen Schmierstoffe der Fuchs Petrolub AG an irgendeiner Stelle für reibungsfreie Bewegung. Bei Motoren- und Stoßdämpferölen ist der weltgrößte, unabhängige Schmierstoffanbieter mit großem Abstand deutscher Marktführer. Rund 3700 Mitarbeiter sind in den 50 operativen Gesellschaften an 34 Produktionsstätten tätig. Und das Unternehmen wächst weiter.

Bild: Fuchs Petrolub

Im Mannheimer Stammwerk, betrieben vom Tochterunternehmen Fuchs Europe Schmierstoffe GmbH, hat sich die Schmierstoff-Produktion um den Faktor 2,5 erhöht. Dieses Wachstum auf einem kaum erweiterbaren, 102.000 Qudratmeter großen Werksgelände zu stemmen, ist eine Herausforderung auf vielen Ebenen, wovon derzeit zahlreiche Baustellen zeugen. Auch die Logistik muss kreativ darüber nachdenken, wie sie die gewachsene Produktion mit den Grundstoffen und Material versorgt.

Wachstumsstress: 30 Lkw warten auf Entladung

„Früher standen hier morgens 30 Tankwagen und Lkw mit Anlieferungen vor dem Werkstor und wir kamen durch den Stau manchmal nicht in unser eigenes Werk hinein“, blickt Logistikleiter Lutz Schulz zurück. Die Fahrzeuge wurden zu der Zeit per Fahrrad und Zuruf durch das Werk über die Waage und das Labor zur Entladestation gelotst. Diese Situation war für alle Parteien unbefriedigend: Bei Fuchs kam es zu einer morgendlichen Überlastung der personellen und technischen Entladeressourcen. Die Fahrer andererseits mussten stundenlang auf ihre Abfertigung warten. Die Speditionen konnten daher nie abschätzen, wann ihre Fahrzeuge nach der Anfahrt zu Fuchs wieder verfügbar waren.

Intelligente Zulaufsteuerung lässt Werksverkehr fließen

Da diese Entwicklung abzusehen war, hatte Schulz frühzeitig begonnen, sich nach geeigneten Lösungen für seine Verkehrsprobleme umzuschauen. Dabei war er auf die intelligent optimierende Lkw-Zulaufsteuerungssoftware Syncrosupply von Inform gestoßen. Nach Kongressbesuchen, persönlichen Demonstrationen und Diskussionen mit Kollegen, die ähnliche Herausforderungen mit dem System gelöst hatten, war Schulz sicher, dass er mit der Software den morgendlichen Stau abbauen und die Entladeprozesse drastisch optimieren konnte. Für die Geschäftsführung entwickelte er ein Umsetzungskonzept und einen überzeugenden Business Case, wonach die Investition freigegeben wurde.

Zeitfensterplanung vermeidet Staus

Heute stehen keine Tankwagen mehr vor dem Tor, weder morgens, noch zu anderen Zeiten. Das IT-System steuert den Zulauf bereits vor der Ankunft der Fahrzeuge. Speditionen haben so die Möglichkeit, ihre Anlieferungen auf der Online-Plattform des Systems anzumelden. Sie können eine Wunschzeit für die Anlieferung angeben; vorausgesetzt, dass der Termin noch nicht gebucht ist, wird das Zeitfenster freigegeben. Ist dies nicht der Fall, gibt Syncrosupply eine Alternativzeit aus, die sich an der Wunschzeit, den Ladestellenkapazitäten, den verfügbaren Entladeressourcen und – sofern vom Werksbetreiber gewünscht – an den Anlieferprioritäten orientiert.

Angemeldete Tankwagen werden pünktlich entladen

Die Anlieferungsabwicklung per Software sorgt dafür, dass alle angemeldeten und pünktlichen Tankwagen oder Lkw innerhalb der vertraglich vereinbarten Entladezeit abgefertigt werden. Bei der Priorisierung stellt das Systrem dabei das Erreichen einer möglichst kurzen Gesamtdurchlaufzeit in den Vordergrund. Sollte in Einzelfällen dennoch entschieden werden, dass ein Tankwagen oder Lkw trotzdem länger warten muss, werden diese Zeiten von Fuchs über entsprechende Standgebühren ausgeglichen. Fahrzeuge ohne Ankündigung müssen warten, bis das System ihnen in der laufenden Echtzeit-Optimierung der Entladeprozesse ein Zeitfenster zuweist. Die Speditionen haben dann keinen Anspruch auf Standgelder und erhalten zudem Minuspunkte bei der Lieferantenbewertung. Dieser Ablauf, verbunden mit dem Anreiz einer kalkulierbareren und kurzen Durchlaufzeit, hat die anliefernden Speditionen dazu gebracht, heute für 90 Prozent der Tankwagen ein Zeitfenster zu buchen. In den ersten Monaten betrug die Rate 73 Prozent.

Laufzettel für beschleunigte Pfortenprozesse

Hat die Spedition den Anmeldeprozess planmäßig durchlaufen, kommt der angemeldete Tankwagen oder Lkw bereits mit einem Laufzettel an der Pforte des Werksgeländes an. Dieses Papier hatte die Zeitfensterbuchungsplattform nach der Buchung des Termins automatisch mit einer eindeutigen Anmelde-ID und den Lieferdaten an die Spedition gesendet. An der Pforte genügt dann ein Scan des Dokuments und alle Anmeldeformalitäten sind erledigt. Ohne Laufzettel müssen zunächst die Inhalte der Lieferpapiere ins System eingegeben werden.

Mehrsprachige SMS leiten über das Werksgelände

Nach dem Eingangsprozess erhält der Fahrer ein Handy, das ihn per SMS in einer von 27 Sprachen über das Werksgelände steuert. Als Tankwagen geht es zunächst zur Waage und anschließend zur Laborprobe. Falls diese in Ordnung ist, führt der Weg weiter zur Entladung. Diese im IT-System als ‚Tätigkeiten‘ definierten Abläufe können vor und nach einer Ladestelle beliebig in den Ent- oder Verladeprozess eingebunden werden und lassen sich auch duch Anwender ohne IT-Kenntnisse im System konfigurieren. Die nächste SMS schickt den Lieferanten dann zu einer der Entladestationen für Tankwagen. Für Lkw mit Stückgut, Fässer etwa, sieht der Prozess grundsätzlich ähnlich aus. Ihre Tour endet jedoch an einer der Rampen. In seinem Leitstand überblickt Logistikleiter Schulz den gesamten Entladeverkehr. In Echtzeit zeigt das System, welches Fahrzeug sich wo in welchem Status befindet. Von dort kann er das System auch übersteuern, wenn etwa ein Tankwagen mit einer priorisierten Ladung ankommt. Auch das Entladepersonal ist über Monitore stets im Bild, wann welcher Lkw zu erwarten ist und kann sich entsprechend vorbereiten und die nötigen Entladeressourcen vorhalten.

Automatische Steuerung mit intelligenten Verfahren

Die Steuerung der Tankwagen und Lkw über das Werksgelände übernimmt die Software. Das System entscheidet dazu, wann welches Fahrzeug wohin gesteuert wird. Dazu nutzt das Programm intelligente, auf ‚Operations Research‘-Algorithmen basierende Entscheidungsverfahren, die bei dem Anbieter der Software in den letzten 40 Jahren kontinuierlich weiterentwickelt wurden. Dazu betrachtet die Lösung immer in Echtzeit die gesamte Verkehrssituation im Werk und die zu erwartenden Anlieferungszuläufe. Sind Fahrzeuge früher als erwartet eingetroffen oder verspäten sie sich, errechnet das Zeitfenstersystem sofort eine neue Entladereihenfolge, die alle Stationen im Werk optimiert auslastet und Staus auf dem engen Gelände möglichst vermeidet. Disponenten wären angesichts der dabei zu beachtenden unzähligen Randbedingungen kognitiv überfordert. Allerdings besteht, wie erwähnt, immer die Möglichkeit, das System zu übersteuern, wenn dies notwendig ist. Abgesehen von dem verschwundenen Morgenstau konnten so auch die Logistikkosten stark reduziert werden.

Mehr Zeitfenster in der verfügbaren Zeit

Zurzeit schleust Lutz Schulz 20 Tankwagen an einem Standardtag durch das Werk; in Spitzenzeiten können es bereits jetzt deutlich mehr sein. Mit der Hilfe von Snyncrosupply und angepassten Durchgangszeiten wurden auch schon 38 Tankwagen an einem Tag entladen. Dabei rechnet er mit einer Durchlaufzeit von drei Stunden pro Entladeprozess. „Syncrosupply hat uns nicht nur ermöglicht, diese Durchlaufzeit sehr zuverlässig einzuhalten, es liefert uns auch die Daten, um sie langfristig weiter zu verkürzen“, erläutert der Logistikleiter. „Ich kann sehen, wie lange die Entladung für einen Grundstoff genau dauert. Oft sind das weniger als zwei Stunden, manchmal mehr, wenn die Laboruntersuchungen sehr lange dauern.“ Mit diesem Wissen kann Schulz Zeitfenster individuell auf die angelieferte Ladung zuschneiden und insgesamt einen engeren Takt mit mehr täglichen Fenstern realisieren. Weiteres Optimierungspotenzial sieht der Logistikleiter in der besseren Integration des Einkaufs und des Probenlabors in die Zulaufsteuerung, die er in Angriff nimmt, sobald die dafür notwendigen IT-Ressourcen zur Verfügung stehen. „Alle, die mit dem System arbeiten, sind begeistert“, erklärt Schulz beim Blick auf die drei Bildschirme seines Leitstandes, auf dessen größtem der Werksverkehr visualisiert ist.