Die Industrielle Lernfabrik 4.0 will den Nachwuchs für Industrie 4.0 begeistern. Dafür wurde eine Referenzanlage an der Feintechnikschule in Schwenningen erdacht und als vernetzte Fabrik mit industriellen Komponenten ausgestattet. Das Konzept schlug an und so will das eigens gegründete Konsortium hinter dem Projekt die Lernfabrik künftig auch bei anderen Abnehmern einrichten.
Bild: Imsimity GmbH
Laut der VDE-Tec-Studie 2017 gibt es bereits heute Engpässe beim Nachwuchs von Elektroingenieuren und IT-Experten. Für die Zukunft rechnen nur neun Prozent der Unternehmen damit, ihren Bedarf an digitalen Fachleuten decken zu können. Um dieser Entwicklung vorzubeugen gilt es, das Bewusstsein und eine gewisse Begeisterung für die Digitalisierung, I4.0 und IoT zu wecken. Und wo wäre ein fruchtbarerer Boden für die neuen Ideen, als bei den jungen Menschen, die heute als Generationen von ‘digital natives‘ aufwachsen? Um bei den jungen Menschen Begeisterung auszulösen und sie vor allem so gut wie möglich auf die neue Arbeitswelt vorzubereiten, wurde in der Feintechnikschule in VS-Schwenningen (FTS) mit der sogenannten Web-Factory ein Projekt angegangen. Die Feintechnikschule kommt aus der Tradition der Schwarzwälder Uhrenindustrie. Insgesamt 650 Schüler werden auf unterschiedlichsten Niveaus ausgebildet als Assistent für Informations- und Kommunikationstechnik, in einer vollschulischen Ausbildung zum Facharbeiter Feinwerkmechanik/Systemelektronik oder Uhrmacher, als Techniker Feinwerktechnik/Mechatronik beziehungsweise Informationstechnik, als Industriemeister/Metall und Uhrmachermeister und in einem technischen Gymnasium zu einem allgemein gültigen Abitur.
Projektgruppe entwirft Vision
Schulleiter Thomas Ettwein sagt: „Mit den Schwerpunkten Feinmechanik, Elektronik und Informationstechnik ist die FTS prädestiniert für eine Erweiterung der Kompetenzen in Richtung Industrie 4.0 und Internet der Dinge.“ Um die Absolventen für diese digitale Zukunft zu qualifizieren und sie am praktischen Beispiel auf I4.0 vorzubereiten, entwickelte deshalb eine 12-köpfige Projektgruppe mit der Vision einer ‘Web-Factory‘ eine vollständig automatisierte Lernfabrik, inklusive eines darauf abgestimmten Lehrkonzeptes. Neben einer finanziellen Basis vom Schwarzwald-Baar-Kreis wurden jetzt vor allem finanzielle Unterstützung und technisches Knowhow von Firmen aus der Region eingeworben. Die beteiligten Firmen haben durch ihr Engagement an der Lernfabrik den Vorteil, dass sie ihre Mitarbeiter aus erster Hand in digitaler Kompetenz fortbilden können. Das Konzept sieht darüber hinaus generell Weiterbildungsangebote für kleine und mittelständische Firmen vor. Für die Einwerbung und Auswahl der Firmen sowie die gesamte Koordination der Lernfabrik an der FTS sind die beiden Technischen Lehrer Jürgen Kubas und Frank Storz verantwortlich. Mit fünf Firmen wurde eine besonders enge Kooperation eingegangen. Sie waren von Beginn an in der Projektgruppe aktiv, haben Maschinen und Anlagen sowie die Software zur Verfügung gestellt und arbeiten ständig mit an der Weiterentwicklung der Lernfabrik. Das sind die Firmen Asstec Assembly Technology (Rottweil), Gewatec (Wehingen), Imsimity (St. Georgen), Müga Werkzeugmaschinen (VS-Schwenningen) und Stein-Automation (VS-Schwenningen).
Unter realen Bedingungen
Die Lernfabrik an der FTS setzt auf Industriekomponenten, die automatisch und individuell konkrete Produkte fertigen. Als Produkte stehen vier Schlüsselanhänger aus Aluminium (Flaschenöffner, Anhänger, Signalpfeife und LED-Taschenlampe) zur Auswahl. Ein Kunde geht zur Bestellung mit seinem Smartphone, Tablet oder PC per QR-Code oder URL auf die Website, gibt seine persönlichen Daten an, wählt einen Schlüsselanhänger aus und gibt die Gravur ein. Über die Anbindung des Webclient an das ERP-System werden die Daten an die Anlage übermittelt und im Produktionsleitsystem (MES/ERP) automatisch die Stammdaten angelegt, das zugehörige CNC-Programm geladen, das Gravierprogramm generiert und die Daten an die Maschine übertragen. Dann erhält die Anlage das Startsignal und der Fertigungsprozess wird angestoßen. Der Kunde kann die Fertigung des eigenen Schlüsselanhängers dabei per Webcam verfolgen. Momentan wird der Rohling durch einen Werker entnommen, der ihn in den Werkstückträger (WT) einlegt. Unterstützt wird der Werker durch ein Assistenzsystem, bei dem Informationen direkt auf die Tischplatte oder auf eine Augmented Reality-Datenbrille eingeblendet werden. Durch ein integriertes Bildverarbeitungsprogramm wird die Tätigkeit des Werkers überwacht. Das Transportsystem bringt den Rohling dann an das Portal des Bearbeitungszentrums. Der Roboter entnimmt das Werkstück, setzt es in die Spindel ein, wendet es für die beidseitige Bearbeitung und legt das fertige Teil auf den WT zurück. Der Schlüsselanhänger kommt zum Werker zurück, wird montiert, verpackt und mit einem automatisch ausgedruckten Adressaufkleber versehen und versandt. Lieferschein und Rechnung werden automatisch erstellt und per E-Mail zugesandt.
Die Lernfabrik an der FTS hat jetzt die erste Ausbaustufe erreicht. Erweiterungen um zusätzliche I4.0-Merkmale sind in konkreter Planung oder werden bereits umgesetzt. Koordinator Frank Storz: „Ein wichtiges I4.0-Merkmal wird jetzt mit der dezentralen Selbststeuerung des Werkstückes durch die Fertigung umgesetzt. Ein Auftrag wird dann als eine Art eigenständiges Objekt programmiert und alle Steuerungen gehen von diesem Auftrag aus.“ Andere angedachte Erweiterungen sind zum Beispiel eine kameraunterstützte Qualitätskontrolle, der Einsatz eines kollaborierenden Roboters und Smart Grid-Anwendungen. Industrie 4.0-Aspekte, die in der ersten Ausbaustufe realisiert wurden, sind:
Verwendung von cyberphysischen Systemen (CPS)
Individualisiertes Produkt
Produktgedächtnis während der Fertigung mittels RFID-Chip
Variantenfertigung ab Losgröße Eins
TCP/IP-Steuerung und somit Netzzugriff auf alle Komponenten
Handarbeitsplatz mit intelligentem Assistenzsystem
Virtuelle Darstellung der Anlage
Cyber-Classroom
Die virtuelle Darstellung der Anlage erfolgt im sogenannten Cyber-Classroom. Das didaktische Konzept variiert den Unterricht zu I4.0-Themen auf verschiedenen Leistungsniveaus, sodass alle Schüler entsprechend ihrem Niveau die praktische Seite in der Lernfabrik erfahren. Als Vorbereitung auf die Lernfabrik können sie mittels interaktiven, 3D-fähigen Lernprogrammen, die digitale Kopien beziehungsweise digitale Zwillinge der Anlage sind, ausgewählte Bereiche und Themen bereits anschaulich kennenlernen und erkunden. Diese Lernmodule werden mit 3D-Brillen und Beamern oder auf Bildschirmen im Klassenraum vom Schüler interaktiv er- und bearbeitet und münden schließlich in fächerübergreifende Projektarbeiten an und mit der Lernfabrik.
Schlüsselfertiges Gesamtsystem
Der Aufbau einer Lernfabrik an der FTS in Zusammenarbeit von berufsbildender Schule und regionalen Unternehmen hat an beruflichen Ausbildungseinrichtungen in verschiedenen Nachbarkreisen bereits Interesse hervorgerufen. Das veranlasste die fünf Firmen, sich als Konsortium zusammenzuschließen und eine industrielle Lernfabrik 4.0 (ILF 4.0) als Gesamtsystem anzubieten. Diese wird nach gemeinsamer Konzepterstellung mit der Bildungseinrichtung angeliefert, installiert und in betriebsfertigem Zustand übergeben.
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