Praxisnahe Ausbildung

Lehre mit Robotern

Das Ramtec Career Center in Ohio ist die Heimat des größten Ausbildungszentrums für Robotertechnik in den USA. Hier werden qualifizierte Arbeitskräfte für den Fertigungsbereich aus- und weitergebildet – mit kollaborierenden Leichtbaurobotern von Universal Robots.

Bild: ©Universal Robots
Bild: ©Universal Robots

Das Career Center Ramtec hat seinen Sitz in Marion, Ohio, eine Stadt mit tief verwurzelter Geschichte als Produktionsdrehscheibe des 18. Jahrhunderts. Mit der ‘Robotics and Advanced Manufacturing Technology Education Collaborative’ (Ramtec) steht Marion auch heute noch beispielhaft für Effizienz und Produktivität. Die Kooperative ist bestrebt, den aktuellen und zukünftigen Bedürfnissen der Industrie gerecht zu werden. Studenten sollen freie Stellen besetzen, die eine qualifizierte Ausbildung erfordern. Aus diesem Grund sind vor allem Vertreter der Branche an der Gestaltung des Lehrplans beteiligt.

Arbeitskräfte von morgen

Ramtec will eine sich abzeichnende Qualifikationslücke schließen, die bis zum Jahr 2020 auf zwei Millionen unbesetzte Stellen im Fertigungsbereich geschätzt wird. Ritch Ramey ist verantwortlich für die Robotik-Ausbildung in Ohio: „Allein in Ohio gibt es rund 60.000 offene Stellen, die wir mit umgeschulten Schulabsolventen, Studenten oder Arbeitern besetzen könnten“, erklärt er. Er betrachtet dabei zwei Sachverhalte separat: Die Ausbildung höher qualifizierter Arbeitskräfte und den Einsatz von Robotern. „Wir müssen Studenten beibringen, wie Roboter und andere Maschinen programmiert und bedient werden. Gleichzeitig sollen Roboter die Tätigkeiten ausführen, die eine geringere Qualifikation erfordern.“ Als lokale Unternehmen damit begannen, eine neue Robotergeneration, englisch Collaborative Robots oder kurz Cobots, einzuführen, nahmen dies auch die Mitarbeiter bei Ramtec zur Kenntniss. „Wir wollen der Fertigung immer einen Schritt voraus sein. Damit stellen wir sicher, dass unsere Studenten in der Lage sind, genau die Anlagen zu bedienen, mit denen sie in der Branche arbeiten werden“, sagt Ramey. Für Clay Hammock, Robotik-Ausbilder bei Ramtec, ist der vielfältige Einsatz der Cobots im Unterricht ein großer Vorteil. „Es ist wie bei einer Zwiebel. Wir können den Roboter vereinfachen und Fünftklässlern präsentieren, die innerhalb von ein paar Minuten mit der Programmierung anfangen können. Oder wir passen ihn auf die Situation an einer Hochschule an und lassen die Studenten kompliziertere Bewegungskontrollen ausführen.“ Ebenso sind viele der lokalen Fertigungsunternehmen daran interessiert, dass ihre Mitarbeiter schnell die eigenen Roboter programmieren können. „Wir setzen die Cobots auch in der Erwachsenenbildung ein“, sagt Hammock.

Sicher heißt auch erschwinglich

Anders als Industrieroboter, die in einem Schutzkäfig verschraubt sind, können die Roboter von Universal Robots nach erfolgreicher Risikobeurteilung ohne Schutzzaun agieren und direkt neben dem Menschen arbeiten. Durch das eingebaute Sicherheitssystem des Roboters stellt er automatisch den Betrieb ein, wenn er auf seinem Weg auf Gegenstände oder Menschen trifft. Hammock bewertet das als einen wichtigen Aspekt für die Nutzung im Klassenraum: „Das Schöne an den Robotern ist, dass ich keine Angst haben muss, dass sich einer meiner Studenten bei der Programmierung eines echten Industrieroboters verletzen könnte.“ Der Robotik-Ausbilder ist sehr zufrieden mit den Sicherheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit den Cobots. „Gerade jüngere Schüler, die mit Robotern arbeiten, sind nicht immer so sicherheitsbewusst wie Erwachsene, die schon länger in der Industrie tätig sind“, ergänzt Ramey. Das Sicherheitssystem hat einen weiteren positiven Nebeneffekt: „Da wir keine teuren Sicherheitskäfige um jeden Roboter bauen müssen, sind die Anwendungen so insgesamt viel erschwinglicher“, erklärt Ramey. Er betont außerdem die Flexibilität: „Wir können die Roboter je nach Aufgaben im Raum frei bewegen. Schließlich gibt es so viele Dinge, die ein Student mit einem Roboter ausprobieren und lernen kann.“

Kreatives Lernen

Die Schülerin Kierstyn Graber besucht einige Ramtec-Lehrveranstaltungen. Sie war überrascht, wie benutzerfreundlich die Cobots von Universal Robots sind: „Innerhalb von zwei Minuten haben wir ein Grundprogramm zum Laufen gebracht. Man tippt direkt neben dem Roboter auf den Touchscreen auf ‚Wiedergabe‘, und alle Bewegungen laufen sofort ab.“ Der Schülerin gefällt vor allem der „Freilaufmodus“, mit dem der Nutzer einfach den Arm des Roboters greifen und ihm eine neue Aufgabe beibringen kann, indem er ihn physisch von Wegpunkt zu Wegpunkt führt, die er vorher auf dem Touchscreen eingegeben hat. Eine allgemeine Anwendung für Industrieroboter ist die Maschinenbestückung, bei der ein Roboter Teile greift und sie zum Beispiel einem 3D-Drucker zuführt. Dieser Vorgang wird auch am Ramtec gelehrt. Als Hammock die Studenten anwies, für den neuen Cobot einen eigenen Greifer herzustellen, kam der 3D-Drucker gerade gelegen. Oberstufenschüler Canyon Gamble war sofort begeistert von der Aufgabe: „Wir suchten im Internet zunächst nach einem Schema für die Frontplatte des UR3-Roboters. Dann begannen wir, den Greifer von Grund auf zu bauen. Bald fanden wir heraus, wie man den Greifer anbringt und lernten, wie genau die Inputs und Outputs beim Roboter funktionieren.“ Stolz führt er ‘die Klaue’ vor – so hat er die eigene Applikation benannt. Canyon hat vor allem die einfache Handhabung der Roboter überzeugt: „Mir hat es Spaß gemacht, weil der Prozess schnell Früchte trug. Ich programmierte und konnte die Auswirkungen meines Programms nahezu unmittelbar sehen.“ Erfahrungen wie die von Canyon Gamble vermitteln den Studenten Verantwortung und führen zu einem hohen Engagement sowohl innerhalb als auch außerhalb des Klassenraums. Zum eigenständigen Arbeiten der Schüler tragen ebenso die kostenlosen Online-Ressourcen von der UR-Website bei. Für Hammock ist besonders der Simulator ein wirkungsvolles Instrument in der Lehre. Er hilft Studenten, die Dinge zu Hause noch einmal durchzugehen und zu üben. „Schließlich lernt jeder auf unterschiedliche Weise“, erklärt der Lehrer.

Material herunterladen

Die Studenten können den Simulator und andere Materialien einfach herunterladen und ohne Nutzungslizenz einsetzen. „Auch wenn wir nicht genug Roboter haben, so haben wir immer genug Simulatoren“, betont der Robotik-Ausbilder. Auf diese Weise findet ein Großteil der Programmierung außerhalb des Klassenraums statt. „Im Unterricht können wir uns dann auf speziellere Aufgabenstellungen konzentrieren“, erklärt Hammock. Er lehrt seinen Studenten beispielsweise, Befehle von speicherprogrammierbaren Steuerungssystemen (SPS) über Ethernet-IP an die Roboter zu streamen und ihnen Aufgaben zuzuweisen. Bei der Umsetzung dieser Aufgabe helfen der kostenlose technische Support und die Online-Ressourcen von der UR-Website. „Das ist genauso wie im richtigen Leben“, betont Hammock, der seine Studenten gerne vor die Herausforderung stellt, ein Skriptprogramm zu schreiben und den Roboter etwas Originelles ausführen zu lassen. „Dann müssen sie herausfinden, wie etwas umzusetzen ist. Sie müssen im Internet recherchieren und üben, Informationen zu finden und die richtigen Dokumente herunterzuladen.“ Ausbildungsleiter Ramey bewertet die Einführung der Roboter insgesamt positiv und resümiert: „Cobots im Klassenraum – Das ist die Zukunft der Robotik-Ausbildung.“





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