Komplexität reduzieren mit schlanken Lösungen

Alternativen zur Revolution

Nicht alle Fertigungsunternehmen sehen die Entwicklung in Sachen Industrie 4.0 uneingeschränkt positiv. Häufig werden Sorgen darüber zum Ausdruck gebracht, dass die steigende Komplexität der IT-Infrastruktur unverhältnismäßig hohe Kosten nach sich ziehen könnte. Dagegen kann die Einführung eines schlanken Manufacturing Execution-Systems vergleichsweise effizient realisiert werden. Mit diesen Lösungen lassen sich im Sinn einer Brückentechnologie schon heute viele Ansätze einer Industrie 4.0 umsetzen.

Bild: GBO Datacomp GmbH 2015

Entgegen vieler Zukunftsversprechen im Kontext der Industrie 4.0 befürchten nicht wenige mittelständische Betriebe hohe Investitionen und zu komplexe Systeme. Eine kosteneffiziente Alternative für den Mittelstand könnte die Einführung eines schlanken Manufacturing Execution-Systems (MES) sein, das die Zusammenarbeit im Shopfloor ebenso fördert wie es die Integration verschiedener Ressourcen unterstützt. Bei den Diskussionen zur Industrie 4.0 schwingt das Versprechen von höherer Produktivität durch eine bessere vertikale und horizontale Integration von dezentraler Intelligenz mit. Viele dieser Aufgaben lassen sich mit verfügbaren MES-Lösungen mit vergleichbar geringen Aufwand schon heute umsetzen.

Betriebsdaten nutzen

Produktionsnahe Anwendungen verarbeiten Betriebsdaten zu relevanten Informationen und stellen sie bedarfsgerecht zur Verfügung. MES-Lösungen werden vor diesem Hintergrund in der Forschung als Brückentechnologie betrachtet. Aktuelle Lösungen stellen eine Verbindung zwischen Mensch, Maschine, Material und Werkzeug durch die zentrale Daten- und Prozessbasis her und ermöglichen eine hohe Integration in Managementsysteme – ein wichtiger Schritt in Richtung Industrie 4.0. Auch in Zukunft müssen integrative Aufgaben nicht zwangsweise auf das intelligente Werkstück ausgelagert werden, insofern werden MES voraussichtlich auch in Zukunft diese Rolle in vielen Steuerungsszenarien übernehmen.

Standards helfen schon jetzt

Damit MES dies zukünftig bestmöglich leisten können, gilt es, eine umfassende Standardsprache der Schnittstellen zu entwickeln. Eine standardisierte Schnittstellensprache in Verbindung mit schlanken MES-Anwendungen könnte die Innovationsfähigkeit insbesondere im fertigenden Mittelstand verbessern. Der Mittelstand prägt die deutsche Industrielandschaft und ist somit erfolgsentscheidend für das von Bund und EU geförderte Projekt ‚Industrie 4.0‘. Doch ist die Industrie 4.0 überhaupt mittelstandstauglich? Der Mittelstand ist in Bezug auf die technologischen und organisatorischen Voraussetzungen heterogen aufgestellt. Industrie 4.0-Lösungen für den Mittelstand können daher kein technisches Basis-Szenario oder einen bestimmten Reifegrad voraussetzen. Der Mittelstand wird nur da investieren, wo der Return on Investment deutlich ist, und nur so viel, dass die Wirtschaftlichkeit verbessert wird. Hightech-Lösungen und ‚Big Bang‘-Lösungszenarien dürften nicht flächendeckend auf Interesse stoßen. Eine Alternative können schlanke und integrationsoffene Systeme auf Basis offener Standards darstellen, die vorhandene Systemlandschaft unterstützen und sukzessiv vorhandene Produktivitätspotenziale realisieren helfen.

Der Autor Michael Möller arbeitet als Managing Director bei der gbo datacomp GmbH.

Shopfloor-IT und Lean?

Funktional ’schlanke‘ MES-Anwendungen als Datendrehscheibe sind in der Lage, im Sinn eines ‚Lean MES‘ als Integrationswerkzeug Systeme, Anlagen, Werkzeuge, Materialien und Menschen zu vernetzen. Daten stehen in Echtzeit zur Verfügung – von der Verdichtung der Einzelinformationen an der Maschine bis hin zum effizienten Kennzahlenmanagement. Der Datenaustausch via Cloud mit Vorlieferanten, Zulieferern und Endkunden lässt sich in einem solchen Szenario auch sicherstellen. In einer solchen Umgebung kommt dem Thema Datensicherheit eine zentrale Bedeutung zu.

Industrie 4.0 und Lean?

Passen die Konzepte Industrie 4.0 und Lean zusammen? Als der Trend zum ‚computer-integrated manufacturing‘ (CIM) im Sande verlief, sozugsagen ein Vorläufer der Industrie 4.0, bot sich Lean fast parallel dazu als Alternative oder Gegenbewegung an. Industrie 4.0 kann hier aus den Fehlern lernen, die im Zusammenhang von CIM gemacht wurden. Nicht zentralisierte, maximal funktionale, monolithische Systeme sind zukunftsträchtig, sondern vernetzte, dezentrale und schlanke Lösungen, die über gemeinsame Sprachen miteinander verbunden werden. Insofern ließ sich das Szenario einer Industrie 4.0 – wenn überhaupt – als ‚Lean CIM‘-Konzept vorstellen, in dem Technologie und Integration eine Schlüsselrolle spielen, aber je nach Kontext eingesetzt werden. Schlanke MES-Anwendungen können mit ihrem Stellenwert für aktuelle Fertigungsumgebungen das sukzessive Wachsen von Industrie 4.0-Lösungen befördern. Das Szenario einer Smart Factory ist daher noch Zukunftsmusik, doch die Weichen sind gestellt.