Komplexe Messsysteme

Valide Daten verlangt

Welche Auswirkungen werden Big Data und Industrie 4.0 auf die industrielle Produktion haben? Wie kann das Konzept Industrie 4.0 in einem Produktionsumfeld umgesetzt werden? Und welche technischen Anforderungen müssen dabei erfüllt werden? Bereits heute ist ein Ausblick möglich, wie ein komplexes Messsystem im Zeitalter von Industrie 4.0 aussehen könnte und welche Hauptaspekte Unternehmen künftig berücksichtigen müssen.



Bild: Q-DAS GmbH

Das Schlagwort ‚Big Data‘ ist in aller Munde und hat in der industriellen Produktion Einzug gehalten. Daten und Informationen können automatisiert erfasst und günstig abgespeichert werden. Die Möglichkeiten der globalen Kommunikation haben durch das Internet enorm zugenommen. Wie sozialen Medien zeigen, erhöht sich die Bereitschaft, Informationen preiszugeben. Das Gold der Zukunft scheint in den Daten zu liegen. Viele Konzerne nutzen diese Möglichkeiten bereits heute und richten ihre Geschäftsmodelle danach aus.

Strukturiert ablegen

Hier ist es insbesondere wichtig, valide Daten zu erfassen und diese strukturiert abzulegen. Nur so können Auswertungen schnell und nahezu in Echtzeit durchgeführt und verlässliche Ergebnisse kommuniziert werden. Ob die heutigen Vorstellungen von Industrie 4.0 das halten, was man sich verspricht, wird man allerdings erst in 20 bis 30 Jahren wissen. Die erklärten Ziele von Industrie 4.0 sind:

  • Ressourceneffizienz

  • Erhöhung der Produktivität

  • Mehr Flexibilität bei der Produktion

  • Kosten bei der Erstellung eines Einzelteils, die sich in Richtung der Kosten
eines Massenprodukts bewegen

  • Schnelle Information über Prozesszustände

  • höhere Transparenz, insbesondere unter Einbezug der gesamten Lieferkette

  • die einzelnen Systeme kommunizieren miteinander und tauschen ihre Daten
direkt aus

  • Selbststeuerung der Produkte durch ein vorhandenes Gedächtnis.

Insbesondere die Notwendigkeit, in der Zukunft kundenindividuell zu produzieren und schnell marktreif zu sein, erfordert flexible und effiziente Entwicklungs- und Produktionsprozesse. Erreichen kann man diese Ziele, indem man sich weg von den heute üblichen hierarchischen Systemen hinein in eine vernetzte Welt bewegt. Die dafür notwendige Technologie bilden sogenannte Cyber Physical Systems (CPS). Dabei besteht jedes der Systeme aus einem Kommunikationsteil sowie einem Verarbeitungsteil und wird als so genanntes Embedded System in die Netzwelt integriert. Es löst eigenständig Aufgaben und gibt die Ergebnisse der Community zurück. Andere Systeme greifen bei Bedarf auf die jeweilige Informationsbasis zurück. Integriert werden dabei nicht nur die firmeninternen Systeme, sondern auch die im Internet verfügbaren Informationen. Dabei kommt der Datenhaltung eine große Bedeutung zu. Da die Informationen ständig und quasi überall verfügbar sein müssen, bietet sich die Datenhaltung in der Cloud an. Es ist allerdings zwischen der ‚public‘ und der ‚private‘ Cloud zu unterscheiden. Je produktionsnäher die Informationen abgelegt werden, umso wichtiger wird die Sicherheit und die strukturierte Datenhaltung. Bezüglich der Datensicherheit ist man in Deutschland besonders sensitiv. Auf der einen Seite wird eine 100-prozentige Sicherheit wohl nie erreicht werden, da sich Hackerangriffe und Sabotageversuche nicht verhindern lassen. Andererseits müssen Risikoanalysen herangezogen werden, um die Datensicherheit unter Kosten-, Nutzen-, Chancen- und Risikoaspekten zu bewerten.

Qualität 4.0

Gerade Qualitätsinformationen spielen bei Industrie 4.0 eine große Rolle. Daher spricht man auch von Qualität 4.0. Bei einer quasi selbststeuernden Produktion, bei der die Produkte selbst entscheiden, welche Merkmale wie von welcher Einrichtung beziehungsweise von welchem Werkzeug und mit welchen Prozessparametern bearbeitet werden sollen, müssen Entscheidungen unter Qualitätsaspekten getroffen werden. Ansonsten werden die Kundenanforderungen nicht erfüllt werden können. Hierzu müssen Datenbasen aufgebaut werden, die wesentliche Informationen über die Eignung von Messprozessen, die Qualifikation von Maschinen und Fertigungseinrichtungen, die optimale Einstellung von Prozessparametern sowie die zu erwartende Lebensdauer der Produkte enthalten.

Auf diese Informationen greifen die anderen Systeme zur Entscheidungs- findung zu. Für den Aufbau dieser Informationsplattform ist es wichtig, einheitliche und unternehmensweit gültige Auswerteregeln festzulegen. Hierbei sollte man sich an internationalen Standards wie Normen, Firmenrichtlinien und Leitfäden bedienen. Diese können zusätzlich in Form von Verfahrensanweisungen auf firmenspezifische Belange angepasst werden. Somit wird sichergestellt, dass einerseits innerhalb eines Konzerns einheitliche Spielregeln gelten und andererseits Lieferanten ihren international verbreiteten Kunden durch akzeptierte Auswertungen ihre Prozesse transparent präsentieren können. Dies ist besonders für die Rückverfolgbarkeit nicht nur bei Reklamationen bedeutsam, da die Integration der Zulieferer innerhalb der Produktionskette weiter an Bedeutung zunehmen wird.

Erfassung und Haltung

Aufgrund der vorhandenen Sensoren ist zu erwarten, dass häufig mehr 100-Prozent-Prüfungen durchgeführt werden. Dies erhöht einerseits die Sicherheit, allerdings steigt andererseits das Datenvolumen an. Auch wenn aufgrund der vorhandenen technischen Möglichkeiten die Daten – immer valide Daten vorausgesetzt – schnell zu erfassen und kostengünstig zu speichern sind, sollte die Notwendigkeit der Erfassung von Daten immer hinterfragt werden. Die Aussage: „Wir speichern die Daten – wir wissen ja nicht, ob wir sie benötigen oder nicht“ sollte auf Sinnhaftigkeit bewertet werden. Denn gespeicherte Daten müssen langfristig archiviert und verwaltet werden. Auch dies kostet Zeit, Geld und die Performance leidet. Dieser Aufwand steigt mit zunehmendem Datenvolumen unweigerlich. Daher sind Entscheidungsregeln festzulegen:

  • Wann sollen Daten mit welcher Häufigkeit erfasst werden?

  • Wie lange müssen erfasste Daten in ihrer Urform aufbewahrt werden?

  • Können Daten zu Kennzahlen verdichtet werden?

Bei der Datenverdichtung ist festzulegen, welche Kennzahlen relevant sind und wie diese bestimmt werden, um sie langfristig verwenden zu können. Empfehlenswert ist auch die kontinuierliche und nachvollziehbare Ablage von Kennzahlen in grafischer Form, beispielsweise als PDF-Datei. Auf diese Dateien kann bei entsprechend strukturierter Ablage sehr schnell ohne weitere Auswertungen zugegriffen werden. Ob sich die hier beschriebenen Ideen einstellen und die angesprochenen Vorteile tatsächlich den erwarteten Nutzen bringen, wird die Zukunft zeigen.

Auch wenn die erforderlichen Systeme vorhanden sind oder in naher Zukunft vorhanden sein werden, sind heute die Themen Schnittstellen und Datenformate für eine umfassende Kommunikation der Systeme mit- und untereinander nur rudimentär gelöst. Dies zu lösen, wird eine wesentliche Voraussetzung zum Gelingen von Industrie 4.0 sein. Erforderlich sind weltweit gültige Standards, an die sich die einzelnen Systeme halten können. Insel- beziehungsweise individuelle Lösungen sind für die Verbreitung nicht geeignet, da zusätzliche Schnittstellen erforderlich sind, die in der Regel erhebliche Kosten verursachen, pflegeaufwendig und oftmals instabil sind. Beispielsweise hat sich für den Datenaustausch von Qualitätsinformationen aus der Produktion das Q-DAS-ASCII-Format weltweit immer weiter verbreitet. Eine Untermenge daraus ist das Advanced Quality Data Exchange-Format (AQDEF), das von mehreren Konzernen bei der Beschaffung und Installation von Messprozessen gefordert wird. Durch die Standardisierung können erfasste Qualitätsinformationen strukturiert abgelegt und automatisiert ausgewertet werden.

Dabei sorgen die Erfassungssysteme für die Datenkonsolidierung. Durch entsprechende Mechanismen wird überprüft, ob die Daten vollständig sowie sinnhaft sind und können den jeweiligen Feldern korrekt zugeordnet werden. Dabei helfen heute bei der Datenerfassung Scanner und die Auswahl von ergänzenden Informationen aus vordefinierten und unternehmens- beziehungsweise bereichsweise gültigen Katalogen. Wenn die in den Daten enthaltenen Informationen das Gold darstellen sollen, muss es insbesondere in der industriellen Produktion gelingen, die Datenerfassung so zu realisieren, dass die Daten valide sind und alle erforderlichen beschreibenden Informationen mit erfasst werden. Für hohe Transparenz und schnelle Bereitstellung von Ergebnissen anhand von Kennzahlen und deren grafische Aufbereitung sorgt eine strukturierte Datenhaltung mit einheitlichen Schnittstellen. Somit können in der vernetzten Welt die einzelnen Systeme gezielt die gewünschten Informationen bedarfsweise abrufen und weiterverarbeiten.







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