Die meisten Industrie 4.0-Konzepte sehen die Datenintegration aller Systeme in der Produktion vor. Denn in den Fertigungsumgebungen der Zukunft sollen Maschinen ohne Eingriff von Menschen miteinander kommunizieren. Die Idee ist, auf Kundenbestellung Kleinstserien auf Knopfdruck flexibel zu produzieren. Doch schon die Integration der Produktionssysteme ins Manufacturing Execution System wird bisher von kaum einer Branche konsequent umgesetzt. Der Grund findet sich oft bei den hohen Kosten, da die Datenschnittstellen der Geräte keinen Standards entsprechen und so den Aufwand für die Integration in die Höhe treiben.
Das Referenzarchitekturmodell Rami 4.0 soll Industrie 4.0-relevante Technologien greifbar machen. Bild: Plattform Industrie 4.0
Den Kern der im April 2015 vorgestellten Umsetzungsstrategie der Plattform Industrie 4.0 bildet das Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (Rami 4.0). Damit liegt eine klare Umsetzungsempfehlung für die vertikale Integration in der Produktion vor. Mit Rami 4.0 und den daraus abgeleiteten Industrie 4.0-Komponenten haben die in der Plattform zusammengeschlossenen Wirtschaftsverbände Bitkom, VDMA und ZVEI ein dreidimensionales Schichtenmodell entwickelt, das Standards und Normen für die Vernetzung und Integration in der Wertschöpfung formuliert. Mit diesem Gerüst kann Industrie 4.0-Technologie systematisch erfasst, eingeordnet und entwickelt werden. Das System ist komplex und bietet zahlreiche Ansätze. Doch noch sind viele Fragen offen. Das Modell lässt sich als dreidimensionales Koordinatensystem darstellen: Auf drei Achsen werden Schichten (Layers), Hierarchieebenen (Hierarchy Levels) und der Lebenszyklus einzelner Bestandteile der Produktion (Life Cycle Management & Value Stream) dargestellt. Die Zusammenhänge lassen sich so in überschaubare Einheiten gliedern.
Neue Ebene Werkstück
Die Achse ‚Hierarchy Levels‘ bildet die aus der Automatisierungspyramide bekannten funktionalen Hierarchieebenen der Produktion ab und ergänzt die in IEC62264 definierten Ebenen um die Ebene Werkstück (Product) und die unternehmensübergreifende Vernetzung (Connected World). Die linke horizontale Achse Life Cycle Management & Value Stream stellt den Lebenszyklus von Anlagen und Produkten dar. Grundlage hierfür ist die IEC62890 zum Lebenszyklusmanagement. Mit den sechs Schichten auf der dritten, vertikalen Achse des Modells wird die IT-Repräsentanz, das heißt das digitale Abbild, beispielsweise einer Maschine, strukturiert und Schicht für Schicht beschrieben. Die Darstellung in Schichten stammt aus der Informations- und Kommunikationstechnologie, in der komplexe Produkte üblicherweise auf diese Art aufgegliedert werden. Die drei Achsen bilden wesentliche Aspekte von Industrie 4.0 ab. So lassen sich Gegenstände wie eine Maschine oder ein Produkt im Modell einordnen. Das Referenzarchitekturmodell soll mit seinem Gerüst als dreidimensionales Schichtenmodell, das Verständnis für eine systematische Einordung und Weiterentwicklung von Industrie 4.0-Technologie schaffen.
Ein wesentliches Element des Rami 4.0 ist die Industrie 4.0-Komponente. Eine Komponente kann dabei eine Maschine sein, ein elektrischer Antrieb, eine Software, aber auch ein Produkt und muss eine sogenannte Verwaltungsschale besitzen. Diese stellt eine virtuelle Repräsentation des Objekts der realen Welt bereit und enthält die für das Zusammenwirken in der automatisierten Produktionswelt nötigen Funktionen, Informationen und Kommunikationsfähigkeiten. Die Schale kann dabei vom Gegenstand selbst realisiert werden oder an ein beliebiges IT-System delegiert werden. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand eindeutig typisierbar sowie identifizierbar ist und damit seiner Verwaltungsschale zugeordnet werden kann. Damit geht die Spannbreite möglicher Industrie 4.0-konformer Komponenten von der komplexen Produktionsanlage bis hinunter zum Produkt mit Seriennummern-Aufdruck.
Standards verwenden und ergänzen
Hans Mayer. Bild: ZNT-Richter
Bei der Entwicklung der Referenzarchitektur haben die beteiligten Verbände auf bestehende Standards zurückgegriffen und diese bei Bedarf ergänzt. Als wichtige Standards für die Shop Floor-Integration wurden bisher ISA S95 (Manufacturing Execution Systeme), ISA S88 (Batch Control) und OPC UA (Kommunikation in Produktionsnetzwerken) benannt. In angestrebten Industrie 4.0-Szenarien soll die Integration durch die perfekte, standardisierte Kommunikation der Komponenten über ihre Verwaltungsschalen realisiert werden. In der Praxis ist es bis dahin noch ein weiter Weg, denn die Integration erfordert unter anderem die ‚Verzahnung‘ von Office Floor und Shop Floor und damit eine direkte Kommunikation zwischen beiden Ebenen. Dazu müssten alle Rami 4.0-Komponenten über ein gemeinsames semantisches Modell verfügen, also die gleiche Sprache sprechen. Doch dies ist bisher nur als Idee vorhanden. Für das Frühjahr 2016 ist eine neue Version des Architekturmodells angekündigt, die konkretere Aussagen zur Verwaltungsschale enthalten soll. Bis jedoch die nötigen Standards existieren und tatsächlich in Produkte umgesetzt sind, könnte eine separate Schicht die semantische und technische Transformation erledigen, die auch das MES entlastet, denn für die reibungslose Kommunikation von Komponenten ist es erforderlich, dass alle Informationen in Realtime zur Verfügung stehen. Grundsätzlich kann dies das MES leisten. Doch bei komplexen Fertigungsprozessen kann es zu einer Überlastung und damit einer Verlangsamung des MES kommen, wenn dort alle relevanten Daten zeitgleich verarbeitet werden müssen. Zudem wird das MES womöglich mit den Detailaufgaben der Schnittstellenbedienung funktional überfrachtet. Hier setzen Process Automation Controller an.
Plattform für die Integration
Diese konfigurierbaren Implementierungsplattformen für die Shop Floor-Integration dienen horizontal und vertikal als Bindeglied zwischen den einzelnen, am Prozess beteiligten Maschinen und der MES-Ebene. Neben ihren Schnittstellenfunktionen können Process Automation Controller Automatisierungsaufgaben übernehmen, wie die übergreifende Fertigungssteuerung, die Integration verschiedener Systeme auf MES-Ebene, beispielsweise die Materialflusssteuerung sowie die Qualitätssicherung. Ihre zentrale Aufgabe ist es, die MES-Ebene von maschinentyp-spezifischen Automatisierungsabläufen zu entlasten und so die Komplexität zu reduzieren. Der Controller steuert zum Beispiel die Abarbeitung eines Fertigungsauftrags an einem Prozessschritt oder Arbeitsplatz. Dabei übergibt das MES die relevanten Daten wie Rezepte, Stücklisten, Materialdaten beim Job-Start an den Controller. Ab diesem Zeitpunkt ist der Controller selbstständig für die Steuerung des Ablaufs mit allen beteiligten Systemen verantwortlich. Nach Abschluss des Jobs meldet er Daten wie Stückzahlen und Qualitätsdaten an das MES zurück. Die mittels Controller angeschlossenen Maschinen können bei Bedarf auch vom MES abgekoppelt werden. Dies ermöglicht es, eine Anlage anderweitig zu nutzen, ohne den gesamten Produktionsprozess zu beeinflussen.
Viel Architektur, wenig Standards
Das Referenzarchitekturmodell Rami 4.0 bietet in seiner aktuellen Fassung bereits zahlreiche Architekturansätze, aber noch wenig konkrete Lösungsvorgaben und Standards für die Umsetzung. Bis diese soweit sind, könnten Implementierungsplattformen den Fertigungsunternehmen bei vielen Integrationsprojekten hilfreich zur Hand gehen.
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