Informationspotential

Der Weg zum digitalen Unternehmen

Industrie 4.0 und Digitalisierung – zwei Themen, die bei zukunftsorientierten Unternehmen ganz oben auf der Agenda stehen. Aber wie diese Herausforderungen in der Praxis tatsächlich angegangen werden können, ist oft noch völlig unklar. Dabei kann das Zukunftsthema Digitalisierung bei Maschinen- und Anlagenbauern schon jetzt von einer Abteilung gelöst werden, die in vielen Unternehmen bis jetzt ein eher stiefkindliches Dasein führt: die Technische Dokumentation. Wird das dort gehortete Informationspotential entsprechend verfügbar gemacht, ist ein Unternehmen auf einen Schlag digital.



Bild: Docufy GmbH

Für manche Unternehmenschefs bringen die Worte Daten und Digitalisierung gleich ein drittes ‘D’ mit: Druck. Und der Druck ist groß, vor allem für B2B-Unternehmen. Wer mitmachen will bei Industrie 4.0 oder überhaupt im Zeitalter von schnellem Informationsaustausch via Smartphone und Co., der muss sich um Daten und Digitalisierung kümmern. Kunden und Mitarbeiter wollen heute auch in der Geschäftswelt das, was privat längst Standard ist: die sekundenschnelle Informationsbeschaffung via Smartphone überall, jederzeit, komfortabel und vor allem leicht. Doch womit fängt man an? Wie wird beispielsweise ein traditioneller Maschinen- und Anlagenbauer zum digitalen Unternehmen? Je nachdem, mit welcher Art von Berater man sich unterhält, kommen verschiedene Strategien zum Einsatz. Von der kompletten Umkrempelung des Unternehmens bis hin zur Schaffung eigener Abteilungen für Digitalisierung – es gibt viele Ansätze, die der Unternehmensleitung große Entscheidungen abverlangen und oft auch große Investitionen.

Im Kreis von Beratern und Strategen mutet es dann fast schon kurios an, wenn plötzlich ein Abteilungsleiter den Finger hebt, dessen Stellenwert im Unternehmen oft den des ‘müssen wir eben haben’ nicht übersteigt. Die Rede ist von der Technischen Dokumentation. Oft ein Stiefkind im Unternehmen, ein notwendiges Übel, aufgezwungen durch den Gesetzgeber, weil jede Maschine nur mit einer solchen ausgeliefert werden darf. Aber genau hier schlummert ein oft vergessener Schatz, der die Digitalisierung und Informationsbereitstellung in einem Unternehmen auf einen Schlag nach vorn in das Zeitalter 4.0 katapultieren kann: Sämtliche Daten einer Maschine, über ihre Risiken, ihre Bedienung, ihre unterschiedlichen Varianten, Datenblätter, Fotos et cetera – alles ist bereits im Unternehmen vorhanden und bei den meisten heutzutage längst digital und in schnittstellenfähigen Datenbanken gespeichert. Eine große Wissensdatenbank, die aber bislang ‘nur’ für die Technische Dokumentation genutzt wird.

Navigation in Informationsräumen

Wie kann man diese Datenschätze bergen? Unternehmen digitalisieren ihre Technische Dokumentation ständig weiter, zerlegen sie in Komponenten und Module und automatisieren sie. Wenn man die Speicherung von Daten in ihrer althergebrachten Struktur durch das Denken in topicbezogene Informationen ersetzt und man ein System nutzt, mit dessen Hilfe sich jegliche Information eindeutig adressieren und auffinden lassen, können diese Daten unternehmensübergreifend für viele Abteilungen nutzbar gemacht werden. Dann werden Informationen nicht mehr in Datenbanken verwaltet – der Nutzer navigiert vielmehr zu Topics in Informationsräumen. Die Technische Dokumentation wird dann als Wissenspool zur wichtigsten Abteilung eines digitalen Unternehmens.

Vom Stiefkind zum Superstar

Diese Vision ist in einigen Unternehmen bereits Realität geworden. Das Dokument löst sich in viele kleine Informationseinheiten, die sogenannten Topics auf – und diese füllen den Informationsraum. Ein Verfahren, mit denen sich Datenbanken zu solchen Informationsräumen machen lassen, entstammt beispielsweise der Wissenchaft: Professor Wolfgang Ziegler, Professor für Informations- und Content-Management an der Hochschule Karlsruhe, führte ein Klassifikationsmodell ein, das eine Methode für die modulare Erfassung von Informationen bietet. Zentral sind dabei die beiden Dimensionen ‘Produkt’ und ‘Information’ sowie deren Einteilung in intrinsische (aus sich heraus) und extrinsische (von außen vorgegebene) Merkmale. Jede Information wird nach diesem System klassifiziert und in einer XML-Datenbank abgespeichert. Damit ist sie quasi eindeutig beschriftet und somit jederzeit abrufbar. Informationen sind dabei nicht nur Textbausteine, die beispielsweise die Funktion eines Schalters erklären, sondern auch Produktfotos, Sicherheitshinweise, Demovideos et cetera.



Bild: Docufy GmbH

Mobile Publikationsplattform macht Informationen verfügbar

In der Abteilung Technische Dokumentation wird so die Datenbasis für ein firmeninternes Wissenssystem erstellt. Und diese Datenbank kann sogar bereits mittels Smartphone oder Tablet mobil angezapft werden. Mit Software lassen sich die Informationen auf mobilen Endgeräten, im Intranet und im Web publizieren. Solche Software kann den Import aus verschiedenen Quellen und die Ausgabe von Informationen verschiedenster Formate ermöglichen. Jeder unternehmensweit vorhandene Content wie Text-, Bild-, Grafik-, Audio- und Video-Daten, Tabellen oder PDF-Dokumente wird verfügbar gemacht und gerätespezifisch aufbereitet dargestellt (zum Beispiel für iOS oder Android). So kann beispielsweise der Vertriebler vor Ort beim Kunden alle technischen Details aufrufen, bei Bedarf Fotos oder Filme zeigen oder auch Gerätevarianten anbieten und erläutern. Der Servicetechniker kann auf dem Display der zu wartenden Maschine die Beschreibung von Funktionen oder die Spezifikation von Ersatzteilen heraussuchen. Die Schulungsunterlagen für die Technikeinweisung wird je nach benötigtem Umfang auf Knopfdruck zusammengestellt und natürlich die Technische Dokumentation automatisch zu jeder Maschinenvariante erstellt. Die Marketingabteilung entnimmt Fotos und Beschreibungen zur Gestaltung eines Produktflyers. Auch die Internetseite des Unternehmens oder das Intranet kann technische Details und Fotos aus der Datenbank stets aktuell herauslesen.

Unterwegs zur Multi-Level-Dokumentation

Die Autorin Petra Erner ist PR-Beraterin in Utting.

In Zeiten, in denen bedrucktes Papier elektronischen Medien weicht und klassische Dokumente zu Abfolgen von Topics werden, kommt der intelligenten Organisation von Informationen entscheidende Bedeutung zu. Softwarelösungen versetzen Unternehmen in die Lage, das Potenzial ihrer Dokumentationen auf allen Ebenen zu erschließen. Dokumentations- und Publikationsvorgänge können so gestaltet werden, dass jede Informationseinheit in jedem Kontext optimal zum Unternehmenserfolg beiträgt, sozusagen eine Multi-Level-Dokumentation. Am einfachsten ist dieser Schritt hin zum digitalen Unternehmen für Betriebe, in denen die Technische Dokumentation sowieso schon mit XML-Datenbanken arbeitet. Hier muss nur der Datenbestand durchforstet und jede Informationseinheit klassifiziert und damit eindeutig adressiert werden. Das ist ein Aufwand, bei dem sich Unternehmen aber auch von entsprechenden Dienstleistern helfen lassen können. Diese Mühe lohnt sich: Wenn nämlich der Datenbestand zu einem echten Informationsraum geworden ist, ist dieser Wissenspool auf einen Schlag in allen Unternehmensbereichen – sprich Leveln – verfügbar. Sofort, digital und mobil. Dann ist es geschafft: Technische Dokumentation ist zur Multi-Level-Dokumentation geworden und der traditionelle Maschinen- und Anlagenbauer damit zum digitalen und Industrie 4.0-fähigen Unternehmen.