Für die weltweit agierende Siemens AG ist die Hannover Messe ein Heimspiel. Sie ist Leistungsschau und Kontaktbörse gleichermaßen. Was dort im Mittelpunkt steht, ist dem Münchener Technologie-Konzern besonders wichtig. In diesem Jahr war das vor allem die IoT-Plattform Mindsphere. Darüber haben wir mit Eckard Eberle gesprochen, dem Siemens-CEO für das Process Automatisierungsgeschäft – und in diesem Jahr verantwortlich für den Siemens-Stand auf der Hannover Messe.
Eckard Eberle, CEO Process Automation, Siemens-Division Process Industries and Drives (Bild: Siemens AG)
Im Zentrum ihres Messestandes hier auf der Hannover Messe steht die IoT-Plattform Mindsphere. Was ist der Hintergedanke?
Eckard Eberle: Wir bei Siemens sehen das Thema Digitalisierung als Chance und rücken es für die kommenden Jahre stark in den Vordergrund. Begonnen haben wir damit aber eigentlich vor rund zehn Jahren. Die erste größere Akquisition war UGS im Jahr 2006, was heute Siemens PLM ist. Wir wollen unsere Kunden über den gesamten Lebenszyklus von der Idee eines Produktes – ob Consumer Produkt oder Molekül – über die Produktentstehung, die Herstellung und den Service mit einem lückenlosen Portfolio begleiten und mit der so hergestellten Durchgängigkeit den Weg für den Digitalen Zwilling freimachen. Erst mit diesem lassen sich die nächsten Schritte in Richtung Effizienz gehen. An dieser Stelle kommen wir auch zu unserem Cloud-basiertem offenen IoT-Betriebssystem Mindsphere. Mit ihm können unsere Kunden, also unsere Endkunden, unsere Maschinenbauer, third-Parties, aber auch wir selbst industrielle Applikationen umsetzen, die Anwendern Nutzen stiften. Hier am Messestand zeigen wir 50 Applikationen für Mindsphere, davon sind 29 von Partnern wie zum Beispiel Atos, Accenture und Rittal. Wir arbeiten u.a. mit Amazon Web Services zusammen und mit Microsoft. Ziel ist es, ein Ökosystem aufzubauen, an dem viele teilhaben können. Das zeigen wir hier auf der Hannover Messe.
Die von Ihnen genannten Unternehmen sind alle am Markt etabliert. Welche Chancen bietet Mindsphere jungen Unternehmen?
Eberle: Wir nennen es ein offenes IoT-System, weil die Idee dahinter ist, dass Integratoren, Startups – eigentlich alle Firmen mit guten Ideen – Applikationen für ihre Kunden schreiben und Mindsphere nutzen können, sie an den Markt zu bringen. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine kleine Applikation schneller und einfacher zu erstellen ist, als eine komplexe Anwendung.
„Mit Mindsphere stellen wir eine professionelle Umgebung zur Verfügung, um Dinge zu visualisieren, Algorithmen anzuwenden und auch größere Datenmengen zu untersuchen, um etwa Vergleichswerte zu erzeugen.“ Eckard Eberle, Siemens
Noch einmal etwas Grundsätzliches. Im Gegensatz zu Ihrer Plattform sind die Anforderungen im industriellen Umfeld nicht neu. Was lässt sich mit Mindsphere erreichen, was vorher so nicht möglich war?
Eberle: In der Vergangenheit war es so, dass Ihnen die Systeme in der Anlage möglicherweise sehr viele Informationen zur Verfügung gestellt haben, Sie aber nur einen kleinen Teil davon genutzt haben. Mit Mindsphere lassen sich Applikationen über existierende Technologien legen, eben auch in Brownfield-Anlagen. So können Sie relevante Daten intelligent zusammenbringen und optimieren. Früher wurde vieles vielleicht händisch oder mit Excel-Sheets gemacht, aber mit Mindsphere stellen wir eine professionelle Umgebung zur Verfügung, um Dinge zu visualisieren, Algorithmen anzuwenden und auch größere Datenmengen zu untersuchen, um etwa Vergleichswerte zu erzeugen. Früher brauchte es dafür proprietäre Lösungen, die oft umständlich und aufwendig waren – das wird in Zukunft leichter.
Wie muss ein Unternehmen IT-seitig aufgestellt sein, um von Mindsphere zu profitieren? Und wie gehen Sie mit den Vorbehalten um, die vielleicht noch gegen die Bereitstellung von IT aus der Cloud existieren?
Eberle: In der Vergangenheit war es gerade für kleinere Firmen nicht so einfach, sich eine größere Infrastruktur für ihre IT-Welt zu leisten. Diese Unternehmen können jetzt Teil eines Ökosystems sein und ihre Applikationen auf Mindsphere nutzen. Große Firmen treffen Plattformentscheidungen oft eher grundsätzlich. Sie haben die Wahl, sich komplett für Mindsphere zu entscheiden, oder in ihrer eigenen Datenlandschaft zu bleiben. Hier spielen oft Aspekte der IT-Security eine Rolle. Das Thema beschäftigt uns derzeit alle, aber ich kann darauf verweisen, dass große Vorhaben, wie es unsere Cloud-Aktivitäten darstellen, mehr Ressourcen für die IT-Sicherheit aufwenden können, als die meisten Anwender bei lokaler Datenhaltung. Hinzu kommt, dass in den ersten Schritten zwar sehr viele Informationen und Daten nach oben gespielt werden, die den Produktionsbetrieb aber nicht maßgeblich beeinflussen werden. Es sind erst einmal Informationen, um den Betrieb zu optimieren. Ich denke, dass in den nächsten Jahren stärkere Eingriffe auf die Anlage aus der Cloud heraus vorgenommen werden, vorausgesetzt, die Cloud-Applikationen laufen stabil und mit den erforderlichen Latenzzeiten. Aber hier sehen wir gerade in der Prozessindustrie noch Zurückhaltung. Ich kann mir vorstellen, dass diese Diskussion in der diskreten Industrie sogar ein bisschen früher aufkommt.
Siemens-CEO Joe Kaeser zeigt Kanzlerin Angela Merkel und Polens Premierministerin Beata Szydło einen Spiderbot, den Prototyp eines mobilen Roboters. (Bild: Siemens AG)
In erster Linie geht es also darum, vorhandene Daten besser zu nutzen. Also zählt es nicht unbedingt zu den primären Problemen, überhaupt erst Konnektivität herzustellen?
Eberle: Das würde ich nicht sagen. Wie bereits erwähnt, werden 90 Prozent der verfügbaren Informationen heute noch nicht genutzt. Aber wir sehen – auch bei unserer Zusammenarbeit mit der Namur – dass beim Thema Connectivity gerade Sensoren verstärkt in den Fokus rücken, die zusätzliche Informationen bereit stellen. Wir sind mit unserem Portfolio etwa im Bereich Netzwerktechnik, gut aufgestellt, um solche Informationen aufzunehmen und etwa Cloud-Applikationen zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, künftig wird ein zusätzlicher Informationskanal entstehen, der durchaus an der klassischen Automatisierungstechnik vorbeigehen wird.
Ein weiterer Schwerpunkt von Siemens auf der Hannover Messe ist Additive Manufacturing. Wie kommt das?
Eberle:Hier wollen wir uns positionieren, da es gerade aus Software-Sicht ein ganz wichtiger Aspekt ist. Wir haben mit Teamcenter und NX eine Software-Suite, womit Sie alles – vom Auto bis hin zu einer Protese für ein Kniegelenk – entwickeln können. Wir wollen jetzt das Design nicht nur mit den klassischen Produktionsmethoden verbinden, sondern auch mit denen für 3D-Printing. Unsere Anwender sollen die Möglichkeit haben, Teile für die generative Fertigung zu optimieren und die Daten so an einen 3D-Drucker auszugeben, dass er sie optimal verarbeiten kann. Dafür kooperieren wir sehr eng mit der Firma EOS zusammen, die eine starke Position im 3D-Printing hat.
Ich glaube, künftig wird ein zusätzlicher Informationskanal entstehen, der durchaus an der klassischen Automatisierungstechnik vorbeigehen wird. Eckard Eberle, Siemens AG
In Additive Manufacturing steckt großes Potential – auch für die Serienfertigung. Wann werden 3D-Drucker als Station am Band integriert sein?
Eberle: Insgesamt sind wir weiter, als viele vielleicht denken. Wir haben gestern auf der Messe beim Besuch der Kanzlerin eine kleine Turbinenschaufel aus einem 3D-Drucker gezeigt. Sie hatte geometrische Formen, die sich über abtragende Verfahren – etwa mit einer Fräse – nicht realisieren lassen. So erhalten Sie Metallstrukturen mit einer besseren Wärmeabfuhr. Diese Turbinen laufen mit einem anderen Druck, einer anderen Temperatur und Drehzahl. Ohne generative Verfahren wäre das nicht möglich. Doch damit das funktioniert, brauchen Sie eben das Zusammenspiel einer Konstruktionssoftware, hinterlegten Simulationen und einem Printing-System. Über 3D-Druckverfahren wird künftig immer häufiger differenziert werden, da sich damit massiv Gewicht sparen, bessere Strukturen erreichen und andere Vorteile gegenüber klassischen Abtragungsprozessen oder Pressprozessen erlangen lassen. Wenn es um Massenproduktion geht, sind wir nicht ganz so weit, da die Geschwindigkeit der Maschinen noch immer limitiert ist. Sie können schlicht nicht beliebig schnell thermisch auftragen – zumindest nicht so schnell es die industrielle Massenproduktion erfordert. Meines Erachtens wird die Technologie dort zuerst großen Einfluss ausüben, wo es um Individualisierung geht und bei Strukturen, bei denen sich mit 3D-Druck andere Geometrien erreichen lassen. (ppr)
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