Welche Arbeitsfelder kamen hinzu?

Rauen: In der Verbändeplattform haben wir uns darauf geeinigt, mit der Entwicklung einer Referenzarchitektur zu beginnen, also Standards und Normen zu definieren. Die Roadmap für Forschung wurde in der Arbeitsgruppe Forschung und Innovationen vorangetrieben und in einer dritten Arbeitsgruppe standen die Themen IT-Security und Sicherheit vernetzter Systeme im Mittelpunkt. Mit der Öffnung der Verbändeplattform kamen die Politik und die Gewerkschaften ins Spiel, um Fragen der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Arbeit sowie der Aus- und Weiterbildung zu klären. Das ist auch der Grund, warum wir den Migrationsprozess von der Verbändeplattform zurück in die Politik angestoßen haben.

Wie kam es zu der Neuausrichtung der Verbändeplattform und welche Auswirkungen hatte sie?

Rauen: Der Ursprung war seinerzeit die Forschungsaktivität. In die Hightech-Strategie des BMBF war der VDMA seit Beginn eingebunden, damals hieß es noch CPS. Bei der Übergabe des Abschlussberichtes wurde festgelegt, wie das Thema in der Industrie verankert werden soll. Den Namen Industrie 4.0 hatten übrigens Wolfgang Wahlster, Wolf-Dieter Lukas und Henning Kargermann zu diesem Zeitpunkt bereits erfunden. Das Projekt wurde dann in eine industriegetragene Plattform überführt, um die Realisierungschancen auszuloten. An diesem Punkt haben wir gesagt, wir machen das. Und auch ZVEI und der Bitkom waren dann dabei.

Mitunter hat es Erstaunen ausgelöst, dass sich die Verbände an einen Tisch setzen, um das Projekt anzugehen.

Rauen: Wir haben von Anfang an gesagt, dass es ein technologieübergreifendes Thema ist, das keine der drei Branchen alleine erfolgreich angehen kann. Weder die IT-Industrie noch die Elektrotechnik oder der Maschinenbau. Das war Anlass zur Gründung der Plattform, die aus unserer Sicht auch sehr gut funktioniert hat. Die Interessenlage ist homogen. Parallel dazu erkannte die Bundesregierung, dass mit der Digitalisierung der Wertschöpfungsketten ein riesiges Thema auf unsere Volkswirtschaft zurollt. Schon in den Koalitionsverhandlungen wurden die industrielle Produktion adressiert und eine digitale Agenda vereinbart. Eines der sieben Handlungsfelder davon ist Industrie 4.0. Dieses Handlungsfeld wurde in zwei Bereiche aufgespannt, dem Wirtschaftsministerium und dem Forschungsministerium. Nachdem das politisch gesetzt war, machte eine weitere Dialogplattform der Politik neben einer Verbändeplattform der Industrie für uns wenig Sinn. Es sind die gleichen Themen und die gleichen Fachleute, und die sollen nicht zweimal das Gleiche bearbeiten. Zudem brauchen wir die Politik, um jene Themen zu adressieren und umzusetzen, für die nur sie ein Handlungsmandat hat. Zum Beispiel, wenn es um den Rechtsrahmen und um Gesetzesgebung geht. Gleichzeitig ist es sinnvoll, die Gewerkschaft als Partner beim Thema Arbeit mit an Bord zu haben. Das ist der Handlungsrahmen der laufenden Plattform für den dritten Schritt zur Industrie 4.0.

Also fördert es die Entwicklung, dass die Plattform Industrie 4.0 auf ein breiteres Fundament gestellt wurde?

Rauen: Ja, auch in Bezug auf die Schnittstelle hin zu Europa oder anderen Ländern. Oder wenn Sie unsere Volkswirtschaft industriepolitisch positionieren wollen, etwa gegenüber China, im Fall der IT-Security vielleicht auch in Richtung der USA. Erfolgsaussichten hat das nur, wenn Industrie und Bundesregierung Hand in Hand arbeiten. In Europa sind wir mit Herrn Oettinger als Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft gut aufgestellt. Aber es wird auch notwendig sein, relativ schnell einen homogenen Handlungsraum in Europa zu schaffen. Das ist eine Herausforderung gerade gegenüber den USA mit ihrem riesigen homogenen Markt. Bei dieser Aufgabe müssen wir auf europäischer Ebene schnell vorwärts kommen. Gerade was die rechtlichen Rahmenbedingungen angeht.

Welche Rolle spielt der VDA bei der aktuellen Entwicklung?

Rauen: Die Firmen der Automobilindustrie befassen sich damit. Sie sind in der Produktion häufig First Mover, was die Anwendung der Technologien des Maschinenbaus und der Elektrotechnik betrifft. Mit dem autonomen Fahren und dem Thema des elektrifizierten Antriebsstrangs mangelt es der Automotive-Industrie auch nicht an weiteren Herausforderungen. Zudem sitzt der VDA auch im Strategiekreis der Plattform.

Wie dringlich ist es denn für den Maschinenanlagenbauer, sich den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen?

Rauen: Die Entwicklungen in der IT-Technologie sind manchmal disruptiv, dann kann alles ganz schnell gehen. Wenn man nicht gut aufgestellt ist, kann es zeitlich schon eng werden. Ich glaube, dass sich jedes produzierende Unternehmen die Frage beantworten muss, wie es positioniert ist. Wie passen meine Produkte und meine Prozesse in eine digitalisierte Welt hinein? Was kann sich für mein Geschäftsmodell ändern? Wie kann ich mein Geschäftsmodell mit den neuen Möglichkeiten neu aufstellen? Ich glaube, das anzugehen, ist fast schon Pflicht für jeden, der jetzt Verantwortung in einem Industrieunternehmen hat. Von daher dringlich, auf jeden Fall.

(ppr)







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