Manchmal Vision, manchmal sogar Revolution, aber stets ein Versprechen für die Zukunft: Industrie 4.0 ist seit einiger Zeit eines der zentralen Themen der Fertigungsindustrie. Im Doppelinterview äußern sich Georg Kube (links), Global Vice President Industrial Machinery & Components bei SAP, und Thomas Rinn, Partner bei Roland Berger Strategy Consultants, über den Stand der Entwicklung.
Im Bild: Georg Kube, SAP
Industrie 4.0 ist ein Zukunftskonzept, aber auch schon ein Stück Realität. Wie viel Prozent an Digitalisierung und Vernetzung von realer und digitaler Welt sind in der Industrie schon umgesetzt?
Georg Kube: Das Konzept von Industrie 4.0 basiert auf der Idee, die Maschinenwelt mit dem Internet zusammen zu führen. Wenn wir in der Fertigung die selbständige Kommunikation der Werkstücke mit den Werkzeugmaschinen als Endzustand von Industrie 4.0 definieren, dann stehen wir erst am Anfang. Meiner Einschätzung nach haben wir vielleicht ein Viertel des Wegs geschafft, drei Viertel liegen also noch vor uns.
Thomas Rinn: Aus Gesprächen mit Unternehmen wissen wir, dass viele noch nicht mal bei diesen 25 Prozent sind. Die Firmen arbeiten mit Hochdruck immer noch an der horizontalen Integration ihrer Geschäftsprozesse, also zum Beispiel an einer besser gemanagten Wertschöpfungskette. Erst als nächster Schritt kommt oft die vertikale Integration bis hinunter zu den Maschinen. Aber das Tempo der Veränderung ist hoch. Industrie 4.0 als umfassende Vernetzung der Prozesse in Produktion, Logistik und Service ist inzwischen quasi in jedem produzierenden Unternehmen in Europa ein Thema – nur heißt es nicht immer so.
Worin liegt der Quantensprung durch Industrie 4.0?
Rinn: Die Vernetzung aller Objekte und verschiedenen Systeme beschleunigt die Produktionssysteme. Über ein umfassende Flexibilität in der Produktion – also ‚lean‘ zu arbeiten und gleichzeitig individuelle, maßgeschneiderte Produkte herzustellen – reden Unternehmen schon lange, konnten es aber nur bedingt umsetzen. Nun gibt es die Basistechnologien, die Kommunikationswege und Möglichkeiten der Datenspeicherung und -analyse, um den Anspruch zu erfüllen.
Kube: Industrie 4.0 wird häufig als vierte Revolution der Produktion bezeichnet. Das Umwälzende der Entwicklung erschließt sich, wenn man alle vier Revolutionen mit der Brille des Konsumenten sieht. Die erste Revolution mit Wasserkraft und Dampfmaschine brachte den Menschen überhaupt erst den breiten Zugang zu Waren. Die Elektrifizierung als zweiter Umbruch führte zur Massenproduktion. Im dritten Schritt gelangen durch die Computerisierung immense Fortschritte bei der Qualität der Produkte. Die Industrie 4.0 wird die umfassende Individualisierung ermöglichen und dabei Fertigung, Handel und Vertrieb radikal verändern.
Wie zahlt sich Industrie 4.0 für die Unternehmen betriebswirtschaftlich aus
Kube: Ich sehe, dass die Unternehmen in drei Bereichen profitieren, wenn sie das Konzept einer umfassenden Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse umsetzen. Erstens werden ihre Produkte besser. Eine zu produzierende Maschine beispielsweise wird durch Sensorik oder Softwarefunktionalitäten vernetzungsfähiger und intelligenter, was Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz schafft. Zweitens führt Industrie 4.0 durch die Vernetzung von digitalen und realen Abläufen in den Unternehmen zu mehr Effizienz und ermöglicht Kosteneinsparungen. Drittens entstehen völlig neue Geschäftsmodelle. Eines von vielen Beispielen: Maschinenbauer gehen inzwischen dazu über, nur noch den Output in Rechnung zu stellen, den die verkauften Anlagen erzielen.
Rinn: Das Konzept der Industrie 4.0 ist ein absoluter Innovationstreiber, der auch als solcher positioniert werden kann. Er wird zusätzlich Kreativität einfordern und freisetzen. Weil die Unternehmen registrieren, dass eine neue Zeitenwende begonnen hat, sind sie bereit, alte, gewohnte Abläufe zu ändern und Neues zu wagen. Teilweise geschieht dies auch durch Druck auf Kunden- oder Lieferantenseite. In der Beratung spüren wir seit einiger Zeit diesen positiven Einfluss auf jene Unternehmensleitungen, die weiter zu den Besten gehören wollen. Die Nachfrage nach Geschäftsmodell-Innovationen steigt.
Das deutsche Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung prognostiziert, dass Industrie 4.0 zu einem Produktivitätssprung von 20 bis 30 Prozent bis 2025 führen kann.
Kube: Das entspräche einem Anstieg der Produktivität von zwei bis drei Prozent pro Jahr. Aus unserer Sicht ist das Potenzial sogar noch erheblich größer. Verbesserungen von bis zu fünf Prozent jährlich sind in ganz vielen Firmenbudgets ohnehin schon eingearbeitet – ohne, dass irgendwer auf Industrie 4.0 setzt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich durch konsequente Vernetzung und Digitalisierung der Prozesse, die Produktivität um den Faktor zwei oder drei verbessern lässt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der US-Motorradhersteller Harley-Davidson kann in seiner neuen digitalen Fabrik in der Nähe von Washington seine fünf Basismodellreihen in 1.300 Varianten bauen, wobei die Kundenwünsche erst ein paar Stunden vorher abgerufen werden. Das ist der Sprung nach vorn!
Führt stark steigende Produktivität in der Industrie am Ende nicht immer zum Abbau von Jobs?
Rinn: Nein, diese Automatik gibt es aus meiner Sicht nicht. Viel hängt davon ab, welchen Stellenwert die Industrie in einer Volkswirtschaft hat. Bei einer breiten Basis kommt in der Spitze dann noch etwas drauf. Nehmen wir das Beispiel Deutschland. Da die Industrie mit einem Anteil von rund 24 Prozent sehr viel zur Gesamtwertschöpfung des Landes beiträgt, sehe ich eine große Chance, dass Industrie 4.0 zusätzliches Wachstum durch neue, bessere Produkte und neue Geschäftsmodelle ermöglicht – was unter dem Strich dann auch mehr Jobs bringen kann. Zusätzlich wird ein neuer Industriezweig entstehen, der Unternehmen auf dem Weg zur Industrie 4.0 begleitet. Im Übrigen: Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung war schon die Automatisierung der Industrie seit den 1970er Jahren, also quasi die Industrie 3.0, kein Jobkiller. Deswegen ist und bleibt es wichtig, dass Industrie 4.0 von allen Beteiligten – Unternehmern, Arbeitnehmern, Politikern, Verbandsvertretern – als beste Gelegenheit für die Weiterentwicklung einer Volkswirtschaft begriffen wird.
Mittelständische Unternehmen investieren selbst in schwierigen Zeiten in Microsoft-Technologien, weil sie überzeugt sind, dass ihre Mitarbeiterproduktivität steigt und sich ihre Kostenstruktur bessert. Microsoft hat mit dem Microsoft-Partner-Network ein Netzwerk aufgebaut, das ein Forum für den Aufbau von Partnerschaften, Zugang zu Ressourcen und einen Rahmen für Dialoge und Kooperationen bietet. Für unsere Leser gibt die Microsoft-Partnerübersicht in Ausgabe Juli/August der IT&Production Tipps für die Suche nach einer geeigneten Branchen- oder Speziallösung im Bereich des produzierenden Gewerbes.
Auf der Suche nach Innovation, nach neuen Lösungen und der Abgrenzung zum Mitbewerb vernetzen sich zunehmend mehr Unternehmen mit externen Experten und Partnern. SAP hat mit dem SAP-Ecosystem ein Netzwerk aufgebaut, das ein Forum für den Aufbau von Partnerschaften, Zugang zu Ressourcen und einen Rahmen für Dialoge und Kooperationen bietet. In der Maiausgabe der Fachzeitschrift IT&Production erhalten unsere Leser einen aktuellen Überblick zum SAP-Ecosystem im Bereich des produzierenden Gewerbes.
Anbieter & Produkte
augmented instructions – digitalisiertes Know how unterstützt die Industrie beim Wissenstransfer
MPDV Mikrolab GmbH – WE CREATE SMART FACTORIES
becosEPS – Enterprise Planning System
Wachstum durch Kundenorientierung: Das Geheimnis liegt in einem smarten Variantenkonfigurator
Weltweit führende APS-Technologie für alle industriellen Anforderungen
Work-in-Process-Management in S/4HANA
Qualität, Lieferketten, Rückverfolgbarkeit – Nachhaltigkeit hat viele Facetten
IIoT in Stahl Service Centern
ANZEIGE
Whitepaper
Vom 4-Stufen-Modell zum Regelkreis
Monitoring IT, OT and IIoT with Paessler PRTG: use cases and dashboards
Vollautomatische Feinplanung
Mit Kennzahlen die Produktion im Griff
Smart Factory Elements
Videos
KSB: Digitale Lieferantendokumentation
MES HYDRA X Build your factory smart
MPDV Mikrolab GmbH – Imagefilm
Erfolgreiche Asprova APS Einführung bei Prospera: Laserschneiden, Biegen und Stanzen. Aprova hat all unsere Planungsprobleme gelöst.
Ein Unternehmen, das sich mit der Auswahl eines ERP- Systems befasst, muss sich gleichsam mit einem viel- schichtigen Software-Markt und unklaren Interessen- lagen an interne Abwick- lungsprozesse auseinander- setzen. Guter Rat bei der Investitionsentscheidung ist teuer. ERP/CRM Wissen Kompakt unterstützt Sie bei der gezielten Investition in die IT-Infrastruktur.
Immer mehr Anbieter von Maschinen, Automatisierungstechnik und Industriesoftware integrieren künstliche Intelligenz in ihre Produkte. Das ganze Potenzial spielen selbstlernende Systeme aber erst aus, wenn sie passgenau auf ihren Einsatz in Fertigung und Büro zugeschnitten wurden. Über beide Möglichkeiten, als Fertiger die Vorzüge von industrieller KI zu nutzen, geht es im regelmäßig aktualisierten Themenheft Künstliche Intelligenz.
Das Internet of Things verändert Produktwelten und die Vernetzung in der Fertigung gleichermaßen. Entstehende Ökosysteme laden zur einer neuen Form der Zusammenarbeit ein. Die Spezialausgabe IoT Wissen Kompakt informiert über die Technologie, Projektierung und Anbieter für die eigene Applikation, in- und außerhalb der Fabrik.
Um alle Potenziale eines MES umfassend ausnutzen zu können, beleuchten unsere Autoren in der Serie von MES Wissen Kompakt die erfolgskritischen Faktoren, um Fertigungsunternehmen präventiv zu steuern. Darüber hinaus präsentiert MES Wissen Kompakt ein breites Spektrum an Firmenportraits, Produkt- neuheiten und Dienst- leistungen im MES-Umfeld.