In der immer intensiver geführten Debatte rund um Industrie 4.0 wird häufig auch der Nutzen von Manufacturing Execution Systems in Frage gestellt. Doch wo genau steht die Industrie auf dem Weg in die Zukunft? Und welche Rolle kommen MES in den nächsten Jahren zu?
Dieses Stufenmodell zeigt die Schritte einer Industrie 4.0-Umsetzungsstrategie. Bild: VDMA e.V.
Während die einen behaupten, Enterprise Resource Planning werde in Zukunft die Aufgaben von MES übernehmen, sagen die anderen, dass die autarke Steuerung von ‚Smart Objects‘ dazu führen werde, dass MES in Zukunft obsolet wird. Dabei entsteht die Gefahr, dass produzierende Unternehmen wieder in die Methodik der Auftrags- oder Fertigungsmittel bezogenen Suboptimierung zurückgeworfen werden. Entscheidungen zu Investitionen in Fertigungsorganisationslösungen drohen verschoben oder ganz zurückgenommen zu werden. Zum Schaden der produzierenden Unternehmen, da in den kommenden zehn Jahren keine grundsätzliche Veränderung der Produktionsmethodik in eine wie auch immer geartete, wirkungsvolle Selbststeuerung zu erwarten ist. Um hierzu eine klare Stellung zu beziehen und mit vernünftigen und praxisorientierten Argumenten den Nutzen von Manufacturing Execution Systems herauszuarbeiten, hat der VDMA einen Arbeitskreis ins Leben gerufen. Dieser hat zum Ziel ein Whitepaper zu erarbeiten.
Der Status quo aus Anwendersicht
Die Voraussetzungen für Industrie 4.0 sind an vielen Stellen noch unklar, insbesondere was juristische, soziale, organisatorische aber auch technische Aspekte betrifft.
• Die Anwender möchten für Industrie 4.0 häufig etwas kaufen und einführen, von dem sie eine unklare Vorstellung haben, was es ist. Insbesondere sind die tiefgreifenden, teilweise disruptiven Veränderungen, die sich aus Industrie 4.0 ergeben, vielfach unklar.
• Das Funktions- und Lösungsangebot von MES muss sich grundlegend an den Bedürfnissen und Erfordernissen der industriellen Nutzer orientieren. Damit steht die Frage im Mittelpunkt: Was will/braucht der MES-Nutzer in Zukunft? Was kann MES leisten?
• Lean-Ansätze müssen im Sinne von Informationsaustausch ‚übersetzt‘ werden.
• Bezüglich der Vereinbarung von Standards zum Datenaustausch stehen die Software-Entwickler vor einem Dilemma. Einerseits bedeuten proprietäre Lösungen unmittelbar Umsatz und Erlöschancen. Insofern sind Standards ‚Margenkiller‘. Andererseits ist jedoch klar, dass die Kunden Standards wollen und dass proprietäre Lösungen immer mehr zum Markthemmnis werden. Insbesondere zeigt sich, dass Anbieter, die ihre Standards öffnen und zur freien Verfügung stellen, erfolgreich und zum Teil marktbeherrschend werden. Eine mögliche Lösung könnte eine Interoperabilität im Sinne von ‚ermöglicht Datenzugang‘ im Sinne des Konzepts MT-Connect aus den USA sein. Die Entwicklung einer allgemeingültigen Standardschnittstelle wird allgemein als wenig wahrscheinlich eingeschätzt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Deutschland weder die Größe noch die Marktmacht hat, eine derartige Entwicklung maßgeblich zu beeinflussen.
• Es muss geprüft werden, inwieweit logistische Prozesse und Engineering in den Fokus einer Industrie 4.0 orientierten Fertigungsorganisation einbezogen werden müssen.
• Der Trend, dass Sensorik und IT-Hardware immer preisgünstiger und leistungsfähiger werden, schafft neue Möglichkeiten der Informations- gewinnung und Analyse, die im Sinne des Aufbaus wirkungsvoller Regelkreise genutzt werden können und müssen.
• Bezüglich der Informationsnutzung und der Erwartung in Leistungs- merkmale von IT-Lösungen wird die Generation der ‚Digital Natives‘ völlig andere, höhere Anforderungen an Benutzbarkeit (Usability) und Verfügbarkeit (Availibility) stellen, welche die Anbieter von Software-Lösungen bereits heute in ihren Entwicklungsstrategien berücksichtigen müssen, um auch zukünftig marktfähig zu sein.
Stufenweise Umsetzung
Volker Schnittler.
Bild: VDMA e.V.
Bezüglich einer betrieblichen Industrie 4.0-Umsetzungsstrategie wird ein stufenweises Nutzungsebenen-Modell vorgeschlagen, welches die – teilweise parallelen – Schritte aufzeigt: Mit ‚heute‘ ist dabei die aktuelle Situation und Aufgabenstellung gemeint, in der Daten gesammelt und interpretiert und daraus Reaktionen und Prozessveränderungen abgeleitet werden. ‚Morgen‘ beschreibt eine zeitnahe Perspektive, in der es möglich ist, Daten aus unterschiedlichen Quellen zu interpretieren und daraus Handlungsoptionen abzuleiten. Mit ‚Übermorgen‘ ist ein Reifegrad erreicht, in dem Daten auf Grund eines Regelwerks analysiert werden und vorgegebene Reaktionen initiiert werden. Mit der Erreichung eines Industrie 4.0 gerechten Reifegrads können die Prozesse dann autonom, also unabhängig von zentraler Steuerung, ablaufen.
Phasen können sich überschneiden
Das Nutzungsebenen-Modell ist dabei so zu verstehen, dass sich die Phasen überschneiden können und dann zeitweise parallel existieren. Dabei ist zu beachten, dass Systeme zukünftig auch die Datenqualität dergestalt unterstützen müssen, dass Plausibilisierungs- und Vollständigkeitskontrollen implementiert sein müssen. Inwieweit diese Struktur mit dem Referenzarchitekturmodell Rami in Verbindung gebracht werden kann, wird der VDMA-Arbeitskreis prüfen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass insbesondere auf den Ebenen der automatisierten und autonomen Prozesse auch disruptive Geschäftsmodelle entstehen werden. Insbesondere können sich Veränderungen der Bedeutung von Prozesskomponenten ergeben, die vergleichbar mit der Entwicklung in der Informatik seit den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind. Die Hardware (Maschine, physikalische Komponente) verliert an Bedeutung, die Software (Prozesssteuerung) wird bestimmend. Deutlich wird in diesem Zusammenhang, dass MES-Lösungen sicherlich in den kommenden zehn Jahren noch unverzichtbare, erfolgskritische Unternehmens-Software-Systeme bleiben und entscheidenden Beitrag auf dem Weg zu Industrie 4.0 leisten werden.
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