Industrie 4.0: Evolution statt Revolution

Nutzen und Anwendungsmöglichkeiten von Technologien der ‚Industrie 4.0‘ standen im Fokus des VDI-Zukunftskongresses 2013 am 30. Januar 2013 in Düsseldorf. Vor mehr als 200 Teilnehmern gaben Referenten aus Forschung und Wirtschaft Einblicke in das Potenzial von Cyber-Physical-Systems für den Standort Deutschland.

Der Frage, wie weit die Entwicklung hin zu ‚Smart Factories‘ inzwischen reicht, und welchen Mehrwert neue Produktionsformen  versprechen, stellte der VDI Zukunftskongress ‚Industrie 4.0 – Chancen und Herausforderungen für den Produktionsstandort Deutschland‘ in den Mittelpunkt. Referenten aus Forschung und Wirtschaft beleuchteten in einem breiten Vortragsspektrum, das von der Rolle der High-Performance-Automation über die Vernetzung von Fertigungssystemen bis zur Synchronisation von Material- und Informationsfluss in der Logistik reichte, Technologien und Auswirkungen der ‚Vierten Industriellen Revolution‘.

Die Veranstaltung zeigte, dass sich zwar noch kein klares Endbild dieser Entwicklung zeichnen lässt, der Blick auf umsetzbare Szenarien aber lohnenswert ist. Dass Handlungsbedarf seitens der Industrie besteht, konstatierte VDI-Direktor Willi Fuchs bereits in seiner Keynote: „Diese Revolution wird in evolutionären Schritten erfolgen, und wir sind mitten dabei“. Dabei spiele auch die zunehmende ITK-Durchdringung der Produktion eine Rolle, und damit das Zusammenspiel etwa mit Netzdienstleistern und Software-Anbietern. „Die Automatisierungswelt trifft sich mit ihren vielfältigen Technologien auf demkompatiblen Windows/Intel-PC, dem De-Facto Standard der ITK-Welt“, betonte in Düsseldorf auch Gerd Hoppe von Beckhoff Automation.

Nicht nur eine Frage der Technologie

Rahmenbedingungen wie zunehmende Prozessorleistung, Internet-Bandbreite und System-Miniaturisierung, sinkende Hardware- und Speicherkosten sowie die Entwicklung in Bereichen wie RFID, WAN, Robotik oder ‚intelligenter‘ Sensorik schaffen den Rahmen für Prozesslandschaften im Sinne von Industrie 4.0. Doch im Fokus steht die Abkehr von starren Strukturen: Die Entwicklung hin zu einer ‚Fabrik der Zukunft‘, die sich dynamisch an Abnehmeranforderungen und Lieferkettenabläufe anpassen kann, ist vor allem eine Frage von branchen- und disziplinübergreifendem Zusammenspiel.

„Das Internet der Dinge wird Realität, davon können wir ausgehen“, erklärte Professor Detlef Zühlke vom DFKI auf der Veranstaltung. Als tragendes Element sieht der Wissenschaftliche Direktor des Forschungsbereichs Innovative Fabriksysteme nach eigenen Angaben Informationen und nicht mehr Geräte. Ein weiterer Tenor der Veranstaltung:?Der Mensch wird auch weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Entsprechend stellen zeitgemäße Bedienwelten und Assistenzsysteme zum Beherrschen der Komplexität in der Produktion einen wichtigen Faktor für die erfolgreiche Umsetzung einer vierten industriellen Revolution. Auch der Erhalt und Ausbau von Fachwissen sowohl im Ingenieurs- als auch Facharbeiter-Bereich dürfe nicht vernachlässigt werden.

Forschung als Impulsgeber für die Industrie

Obwohl viele der benötigten Technologien zur Verfügung stehen, ist die Entwicklung hin zur Industrie 4.0 noch am Anfang. Dieter Wegener von Siemens rechnet damit, dass sich erst ab dem Jahr 2030 Selbstorganisation in der Produktion und in Form automatischer Internet-Marktplätze in breiterer Form etablieren könnte. Noch sind für eine ‚Cloud-Automation‘ Grundsatzfragen zu klären, etwa im Hinblick auf Datensicherheit und Standardisierung zur modularen Gestaltung von Fertigungsmitteln. „Die Welt der digitalen Modelle und Prozesse ist so eng vernetzt mit realen Objekten, dass sie auf signifikante Weise unser Geschäft und unsere Wertschöpfung befähigt oder begrenzt“, gab Frank Possel-Dölken von Phoenix Contact  zu bedenken. Denn zunehmende Vernetzung begrenze im Gegenzug eine spätere Wandlungsfähigkeit; eine wesentliche Aufgabe liege entsprechend darin, solche Konflikte zu lösen.

Die zügige Umsetzung von Erkenntnissen aus den  Forschungslaboren in den Fabrikbetrieb stellt eine Herausforderung dar, der sich die deutsche Industrie frühzeitig stellen muss, um international wettbewerbsfähig bleiben zu können: „Wir sind nicht die ersten“, sagte etwa Kurt Bettenhausen, Siemens, auf der Abschlussdiskussion im Hinblick auf Technologie-Initiativen und -Förderung in den USA?und China. „Wir müssen anfangen, wir müssen diese Dinge zügig in der Praxis erproben und bauen“, appellierte auch Peter Terwiesch von ABB. Als Beispiel für marktfähige Technologien stellte Albrecht Faber von Würth Elektronik ICS?den Kanban-Container iBin vor. Dass eine pragmatische Herangehensweise gefragt ist, um Zukunftsprojekte zügig an den Start zu bringen, zeigte Harald Preiml von der Heitec AG anlässlich des Rückblicks auf ein Projekt zum schrittweisen Etablieren der Inbetriebnahe virtueller Maschinen: „Liefertermine nicht mehr zu verschieben, ist bereits ein erster Erfolg.“

(mec/Bild: VDI-Wissensforum)  
 

(Quelle:Mec/Bild:VDI-Wissensforum)