Beitrag drucken

Industrialisierung im Schaltschrankbau

Balance zwischen Flexibilität und Wirtschaftlichkeit

Der Schaltschrankbau steht in puncto Fertigung und Kosten vor großen Herausforderungen. Die Prinzipien der industriellen Linienfertigung können hier Abhilfe schaffen und Mehrwerte erzeugen. Einspar- und Beschleunigungspotenziale verspricht das enge Zusammenspiel von Fertigungsprozessen und Informationsmanagement.

Bild: Phoenix Contact

Die Fertigungsabläufe im Schaltschrankbau stehen zunehmend im Fokus: Der Bereich umfasst häufig Projekte auf dem kritischen Pfad bei der Erstellung von Maschinen und Anlagen und dient so traditionell als Wegbereiter und Impulsgeber. Obwohl installierte Basiskomponenten der Modularität und dem Baukastenprinzip entsprechen, ist der Schaltschrankbau durch einen vergleichsweise geringen Automationsgrad gekennzeichnet. Die Fertigung im Schaltschrankbau geschieht überwiegend in der Werkstatt. Die Stückzahlen fallen im Sinne einer Serienfertigung häufig gering aus. Eine Fließfertigung gibt es nur selten und für einige Prozessschritte gar nicht. Hintergrund sind historisch gewachsene organisatorische und technische Strukturen sowie der Zwang zur Losgröße-Eins-Fertigung. Bestehenden Lösungen zur Automation im Schaltschrankbau sind häufig Insellösungen:

  • Für die Bearbeitung und Konfektionierung der Schaltschrank-Rückplatten gibt es etablierte Systeme.
  • Für die Konfektionierung von Tragschienen gibt es überwiegend teilautomatische Systeme.
  • Die Bestückung mit Komponenten geschieht überwiegend manuell.
  • Die Kennzeichnung von Komponentenfür die Tragschiene erfolgt üblicherweise mit Markierungsschildern. Mittels Drucksystem wird die Beschriftung aufgedruckt. Der Automationsgrad ist gering.
  • Die Bestückung mit Zubehör erfolgt manuell.
  • Die Konfektionierung von Leitungen erfolgt mit maschinellen Lösungen.
  • Für Einzelader-Verdrahtung fehlt noch eine wirtschaftliche, maschinelle Lösung.
  • Die Bestückung und Verdrahtung erfolgt vornehmlich manuell.

Prinzipien der Linienfertigung schaffen Mehrwert

Der zunehmende Kostendruck bei gleichzeitig wachsender Komplexität erfordert ein durchgängiges Fertigungskonzept. Dieses muss produkt-, prozess- und organisationsübergreifenden Grundprinzipien entsprechen, die eine Reduzierung der Produktionskosten ermöglichen und gleichzeitig einen Mehrwert für den Kunden schaffen, etwa minimale Durchlaufzeiten, geringe Fehleranteile oder hohe Varianz. Die Grundprinzipien sind, neben Anforderungen bezüglich Stabilität, Robustheit und Transparenz der automatisierten Prozesse:

  • ‚Lean Design‘: Systematisches Variantenmanagement bereits in der Engineering-Phase, das die Vielfalt der Komponenten, die installiert werden, reduziert.
  • ‚Design to Manufacture‘: Automatisierungsgerechte Gestaltung der zu fertigenden Produkte und ihrer Teilbaustein.
  • ‚Lean Manufacturing‘: Wandlungsfähige Linienfertigungs-Konzepte, Trennung von Logistik und Fertigung sowie produktionsgerechte Materialbereitstellung
  • ‚One-Piece-Flow‘: Fähigkeit der Maschinen, mit digitalen Auftrags- und Artikeldaten automatisierte Prozesseinstellungen vornehmen zu können.
  • ‚Single Minute Exchange of Die‘ (SMED): Paralleles Rüsten während der Hauptzeit.

Eine besondere Herausforderung stellt das Spektrum der Komponenten dar. Ihre Varianz muss für eine Fertigung im Fluss eingeschränkt werden. Das ist nur begrenzt möglich, da neben der Produzierbarkeit des Schaltschranks vor allem dessen Funktion im Vordergrund steht. Funktionselemente wie Netzteile oder Signalkonverter sind derart divergent und gleichzeitig von so zentraler Bedeutung, dass die Varianz letztendlich nicht eingeschränkt werden kann. Reihenklemmen hingegen sind mit verschiedenen Anschlusstechniken in ähnlichen Varianten erhältlich. Hier kann der Anwender sich auf eine Anschlusstechnik oder Produktfamilie beschränken. Dabei können auch die Funktionselemente häufig auf eine Anschlusstechnik beschränkt werden, sodass auch hier ein Varianzfaktor entfällt. Im nächsten Schritt sind die Produkte selbst zu betrachten: Über alle Prozessschritte hinweg sollte auch die Produktgestaltung berücksichtigt werden. Beispielsweise sind für eine Linienfertigung Komponenten geeignet, die mittels Aufrasten montiert werden. Als Anschlusstechnik empfiehlt sich die Push-in-Technologie, die ohne zusätzliches Werkzeug oder Arbeitsschritte auskommt.


Das könnte Sie auch interessieren:

Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka, Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) wird der 11. Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft und löst Prof. Dr.-Ing. Reimund Neugebauer nach fast elf Jahren ab.‣ weiterlesen

Christian Thönes, Vorstandsvorsitzender bei DMG Mori, hat am Donnerstag sein Amt niedergelegt. Sein Vertrag wurde im Rahmen einer Aufsichtsratssitzung einvernehmlich beendet. Alfred Geißler wurde vom Aufsichtsrat zum Nachfolger bestellt.‣ weiterlesen

Microsoft feiert 40. Geburtstag in Deutschland und eröffnet ein europäisches Experience Center in München. Es ist eines von vier Experience Centern weltweit.‣ weiterlesen

Expertinnen und Experten der Plattform Lernende Systeme beleuchten in einem neuen Whitepaper, wie es um die Entwicklung europäischer bzw. deutscher KI-Sprachmodelle bestellt ist.‣ weiterlesen

Cyber-physikalische Systeme (CPS), wie etwa Autos oder Produktionsanlagen, stecken voller elektronischer und mechanischer Komponenten, die von Software gesteuert werden. Jedoch ist es eine Herausforderung, die Systemarchitekturen solcher Systeme fortwährend konsistent zu halten. Neue Methoden dafür soll ein Sonderforschungsbereich (SFB) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickeln.‣ weiterlesen

Mit der Akquisition der Pod Group hat G+D bereits 2021 sein Portfolio im IoT-Bereich erweitert. Durch den Erwerb von Mecomo geht das Unternehmen nun einen weiteren Schritt in Richtung IoT-Komplettanbieter im Transport- und Logistikbereich.‣ weiterlesen

Die Grimme-Gruppe produziert individuell konfigurierte Landmaschinen. Was für den Wettbewerb Vorteile bringt, ist allerdings mit großem Aufwand verbunden - so verwaltete Grimme Kundenanfragen lange über ein Excel-Tool. Mit dem Softwareanbieter Slashwhy zusammen wurde dies durch ein webbasiertes Anfragemanagement-Programm abgelöst.‣ weiterlesen

Die Software Moryx hilft der Fertigungssteuerung, Maschinen schnell auf einen neuen Kurs zu bringen oder sie für den nächsten Auftrag anzupassen. Mit seinen einheitlichen Bedienoberflächen und seiner niedrigen Einstiegshürde ist das Tool von Phoenix Contact insbesondere auf den Einsatz in Fertigungen mit der Losgröße 1 ausgerichtet.‣ weiterlesen