In-Time, In-Budget

SAP-Einführung in zehn Monaten

In zehn Monaten hat die Binder GmbH ein ERP-System von SAP mit Modulen für CRM, Logistik, Produktion und Finanzbuchhaltung eingeführt. Es wurden die Daten migriert, alle Module weltweit in Betrieb genommen, das Altsystem abgeschaltet und das Kostenlimit eingehalten. Beim Projekt geholfen hat die MQ Result Consulting AG, die Fertigungsbetriebe zur Auswahl und Einführung von ERP-Lösungen berät.

Bild: Binder GmbH
In der Binder-Zentrale in Tuttlingen arbeiten rund 280 Mitarbeiter mit dem neuen ERP-System. Bild: Binder GmbH

Seit 1983 entwickelt und produziert die Binder GmbH High-Tech Schränke zum Temperieren, Klimatisieren, Brüten und Simulieren von Umweltbedingungen für wissenschaftliche und industrielle Labors. In Serienfertigung entstehen pro Jahr rund 22.000 Simulationsschränke, rund 80 Prozent davon werden exportiert. Deshalb unterhält das Familienunternehmen mit 400 Mitarbeitern Tochtergesellschaften in vier Ländern – in den USA, Russland, Hong Kong und China. Diese gaben vor rund fünf Jahren den Anlass, die Software für Finanzbuchhaltung durch die Module FI/CO von SAP zu ersetzen, die an das vorhandene ERP-System angebunden wurde. Doch das ERP-System konnte die rasanten Veränderungen vor allem im Vertrieb und Produktion nicht schnell genug abbilden. Außerdem gab es immer wieder Probleme mit den individuellen Schnittstellen zwischen den Systemen. Michael Kaufmann, CIO des Unternehmens: „Nicht einmal die Adressfelder der Lösungen ließen sich so harmonisieren, dass Unstimmigkeiten in den Geschäftsdaten ausgeschlossen werden konnten.“

Komplettsystem gesucht

Schließlich stand die Ablösung des ERP-Systems auf der Agenda. „Das klare Ziel war die Transparenz von der Logistik bis in die Finanzbuchhaltung“, sagt Kaufmann. „Ein von der Stange verfügbares ERP-System sollte den Arbeitsaufwand für Schnittstellen reduzieren, indem es die Bereiche Finanzen, ERP und CRM in einer Kapsel umfasst.“ Bei der Auswahl suchte der CIO die Unterstützung der ERP-Berater der MQ Result Consulting. Dabei galt es für den CIO zunächst, die eigene Geschäftsleitung mit einem Makroplan davon zu überzeugen, das Projekt mit externer Unterstützung aufzusetzen. „Besonders wichtig sind glasklare Anforderungen, die sich vom Lastenheft über den Vertrag bis in die Umsetzung verfolgen lassen“, meint Michael Kaufmann. „Bei Unklarheiten zwischen Anbieter und Anwender zahlt sonst der Kunde die Zeche.“ Deshalb sollten die Berater nicht nur bei der Erstellung des Lastenhefts und mit dem vorhandenen Marktüberblick bei der Suche nach dem richtigen System und einem geeigneten Implementierungspartner unterstützen, sondern auch am Vertrag mitwirken und das Einführungsprojekt bis zum Go Live begleiten.

Woran Einführungen scheitern

In einem ersten Schritt wurden Anfang 2015 gemeinsam die häufigsten Gründe für das Scheitern von ERP-Projekten erarbeitet und etwa 25 Punkte im Projektumfeld aufgefunden, wie ein herstellerunabhängiges Lastenheft, die Zusammensetzung der Projektmannschaft, die Befugnisse der Projektmannschaft sowie der Umgang mit Überstunden und Urlaub während der Projektlaufzeit. Anschließend wurden die Ausschreibungsunterlagen erstellt, zu denen auch ein Lastenheft gehörte, das mit den Fachabteilungen erarbeitet wurde. Das vorhandene Referenzlastenheft der Berater erlaubte es dem Produzenten, die notwendigen ERP-Funktionen in relativ kurzer Zeit zu erfassen. Dann schickten die Berater die klassischen Ausschreibungsunterlagen an verschiedene ERP-Anbieter.

Standardisierte Systemauswahl

Die eingehenden Unterlagen wurden nach einem Punktesystem ausgewertet. Anschließend griff das standardisierte Auswahlverfahren der Berater: In Qualifizierungsstufen werden zunächst acht Anbieter ausgewählt. Die vier besten wurden zu halbtägigen Workshops eingeladen, deren Aufgabenstellungen vorgegeben waren. „Durch die standardisierten Workshops werden die Angebote besser vergleichbar“, sagt Michael Kaufmann. „Die zweitägigen Workshops mit den beiden Finalisten haben wir innerhalb einer Woche durchgeführt, um sie besser beurteilen zu können.“ Dabei drehte es sich nur noch um das ERP-System von SAP: „Ein SAP-Angebot kann sich sehr stark von einem anderen unterscheiden. Der jeweilige Implementierungspartner spielt durch die Auswahl der Module und Add-ons, aber auch durch Branchennähe, Expertise und besondere Stärken eine wichtige Rolle“, sagt Kaufmann. „Die Angebote unserer beiden Finalisten lagen sehr nahe beieinander, doch durch die richtige Auswahl der einzelnen Add-ons konnten wir Aufwand für Implementierung und Anpassung reduzieren.“ Das gesamte Verfahren dauerte rund sieben Monate. Ende September unterstützte MQ das Unternehmen mit Anregungen zum Vertrag: So wurde etwa das gesamte Lastenheft zum Pflichtenheft für den Anbieter. „Die Berater von MQ konnten wichtige Impulse dazu geben, das Projektrisiko möglichst fair auf Anbieter und Anwender zu verteilen“, berichtet Michael Kaufmann. Das Auswahlverfahren endete kurz vor Weihnachten mit der Unterzeichnung eines Vertrages im Umfang eines A4-Ordners mit der All for One Steeb AG mit Hauptsitz im nahen Filderstadt.

Unterstützung beim Projekt

Mitte Januar 2016 wurde das Einführungsprojekt begonnen, das zwei Berater vor allem in der Projektorganisation begleiteten. Intern waren 25 Mitarbeiter an dem Projekt beteiligt, zusammen mit rund 30 Beratern von All for One Steeb. Anhand des Pflichtenheftes wurde ein Grobkonzept erstellt. Nach dessen Freigabe Ende Mai begann die Arbeit am System. Die Benutzungsoberflächen in Deutsch und Englisch mussten eingerichtet und im Vertrieb bis zu sechs Sprachen, neben europäischen auch Russisch und Chinesisch, berücksichtigt werden. Rund 280 Benutzer in Deutschland und weitere 70 in anderen Ländern wurden geschult. Die Migration der Datenbestände wurde in vier Integrationstests von jeweils zwei Wochen Dauer verifiziert, bei denen sich alle Projektteilnehmer in einem Raum befanden. So ließen sich die Fragen direkt klären, ob alle Daten in den richtigen Funktionsbereichen für Logistik, Beschaffung, Produktion, Einkauf, Versand, Personalwirtschaft und Fibu ankommen und die Prozesse richtig durchlaufen. Nach über 100 Testszenarien und einem letzten Integrationstest wurden im Dezember erste operative Daten eingegeben

Zeit und Kosten im Rahmen

Zum 1. Januar 2017 wurde nach rund zehn Monaten, wenn man die Urlaubszeiten abzieht, das System mit allen Modulen in Betrieb genommen, ohne dass es zu den geringsten Einschränkungen gekommen wäre. So konnten die Altsysteme abgeschaltet werden. Die Berater von MQ vermittelten dabei in den Diskussionen zwischen Softwarehaus und Fertigungsbetrieb. Intern trugen die Berater Themen an die Geschäftsführung heran und konnten mit ihren Erfahrungen für vielen schnell Lösungen vorschlagen. Binder erreichte ein weiteres Ziel mit seiner Einführung: Das Unternehmen wollte möglichst wenige Anpassungen an der Standardsoftware vornehmen, um Kosten für deren Überarbeitung bei Upgrades und Optimierungen zu vermeiden. Bis zum Abschluss des Projektes wurde keine Zeile SAP-Code modifiziert.







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