Fertigungssteuerung ohne Medienbruch

Datenbahn zu Werkbank, Maschine und Anlage

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Änderungsmanagement: Unverhofft kommt oft

Neben planbaren Auftragsverläufen steht die Fertigungsorganisation immer wieder unerwarteten Ereignissen wie Ausrüstungsausfall, Materialstau oder Materialmangel, Qualitätsproblemen oder plötzlichen Kundenwünschen gegenüber, die vermieden, abgestellt oder schnell in der Produktionsplanung berücksichtigt werden müssen. Eine elektronische Abwicklung auf Produktionsebene per MES erlaubt zwar die notwendigen Anpassungen in Echtzeit, bei der Reaktion auf solche Ereignisse ist die Erfahrung der Mitarbeiter mit der Anlage und dem Geschäft oft ein entscheidender Faktor. Hier kommen bei einigen aktuelle ME-Systemen Workflow-Applikationen für das Produktionsmanagement zum Einsatz, um Bediener und Entscheider rollengerecht über Produktionsereignisse zu benachrichtigen und Entscheidungsalternativen vorzuschlagen. Die Verwendung solcher Anwendungen für vor Ort etablierte Arbeitsabläufe erlaubt, nicht zuletzt angesichts der zunehmenden Überalterung von Fachkräften, deren Kompetenz zumindest in Teilen für den Betrieb zu sichern.

Übergreifende Regelkreise für die Fertigung

Trotz des potenziell hohen Funktionsumfangs ausgereifter ME-Lösungen müssen Produktionsteuerung und Prozessdatenverarbeitung vor Ort nicht zwingend hochkomplex ablaufen. Je nach Fertigungsorganisation und angestrebter Flexibilität der Produktionsabläufe lassen sich auch einzelne MES-Funktionen schrittweise in Produktionsbereiche einführen, um Komplexität und Risiken überschaubar zu halten. Vor der Entscheidung für einzelne Module sollte die gewünschte Kopplung von ERP und MES berücksichtigt werden, wenn eine durchgehende Auftragssteuerung angestrebt wird. Denn dabei wird für weite Systemteile festgelegt, welche Lösung welche Aufgaben abdeckt – und welche Informationen übertragen werden müssen. Erst diese vertikale Integration von ERP und Produktion schafft einen Regelkreis, der über die genaue Kontrolle von Stell- und Störgrößen hilft, Profitabilitätsziele zu erreichen.

Systemeinsatz je nach Produktionsumgebung

Für Fertigungsanlagen, deren Endprodukt nur gering variiert oder stark von zugeführten Rohstoffen abhängt, können Funktionsschwerpunkte für MES in der automatisierten Dokumentation oder Datenerfassung liegen, etwa um Einflüsse auf die Produktionsleistung zu analysieren und zu optimieren. Der Informationsfluss zwischen Produktion und ERP ist gering, was einer einfachen Systemeinführung zugute kommt. Trotzdem lassen sich Zusammenhänge zwischen Produktionsergebnis und Geschäftsergebnis schneller verstehen und besser bewerten. Wer zudem bei der Ersteinrichtung von Produktionssoftware die Rahmenbedingen für spätere Erweiterungen im Blick behält, kann mit dem passenden System Anpassungen ohne große Auswirkungen auf installierte Module umsetzen. Das gestattet die spätere Erweiterung der Softwarelösung etwa für größere Anlagenabdeckung oder zusätzliche Standorte, nachdem sich das System im Einsatz bewährt hat.

Den größten Nutzen in kurzer Zeit erzielen

Zur effizienten Einführung MES-gestützter Fertigungs- und Prozessabläufe gehört daher die interne Bewertung von Schwachpunkte in der Abwicklung von Produktionsaufträgen oder -abläufen. Der industrielle Markt bietet hier fachkundige Beratung, denn ME-Systeme sind bereits seit über 15 Jahren etabliert. Aber ein Unternehmen muss seine Kernkompetenz mit einbringen: Jede Produktionsumgebung bringt ihre eigene Problemstellungen mit sich, daher gibt es kein Universalkonzept. Oft sind sich die Verantwortlichen bereits bewusst, dass mit Kosten, Qualität oder Durchsatz etwas im Argen liegt – aber es fehlt an Transparenz, um die exakten Problemstellen zu ermitteln. Der Schwerpunkt bei der Implementierung sollte dort liegen, wo sich schnell das größte Verbesserungspotential erschließen lässt. Das kann die Beschleunigung der Fertigungsabwicklung, niedrigere Ausschussquoten oder schnelleres Umstellen von Fertigungsaufträgen betreffen. Hierbei sollten die ersten IT-Lösungen so eingerichtet werden, dass Raum für Lernerfolge und Korrekturen in späteren Projektschritten bleibet.

Grundlage für einen erweiterten Informationskontext

Die MES-Kernfunktionen für Produktionsanalyse und -steuerung helfen den Anwendern auch bei langfristigen Entscheidungen zu Investitionen und Fertigungsoptimierung etwa nach den Prinzipien von Six Sigma. Der volle Nutzen eines MES?erschließt sich dabei erst nach einiger Einsatzzeit, weil nun der Datenpool der Ablaufsteuerung im Betrieb zur Verfügung steht. Die Erkenntnisse aus verschiedenen Produktionssituationen können dann in Ansätze zum ‚Condition Based Asset Monitoring‘, ‚Lean Production Management‘ oder ‚Green Manufacturing‘ integriert werden. Denn dabei werden gewohnte Produktionsabläufe, Ressourcen und Ausrüstung in einem neuen Kontext betrachtet – was sich bei der Entscheidungsfindung für zukünftige Projekte bezahlt macht.

Als ein Beispiel sei die populäre Effizienzkenzahl OEE genannt, für die typischerweise Produkte, Ausschuss und der Durchsatz in der Zeit zwischen Auftragsbeginn und -ende erfasst werden müssen. Im MES lassen sich zudem die unproduktiven Zeiten und Stillstände aufzeichnen und Kennwerte wie Laufstunden oder Stückzahlen seit der letzten Wartung dokumentieren. So stehen nach und nach mehr Informationen und Regelkreise bereit, um das Produktionsergebnis zu steigern oder wirtschaftlich optimal zu steuern.

 

Kompetenz für abteilungsübergreifende Konzepte bündeln

(Bild: Invensys)

Bei der Einführung integrierter Produktionsleitsysteme gilt es immer, die Grenzen von Management, IT- und Produktions-Verantwortung zu überbrücken. Gerangel über die Zuständigkeiten von Produktions- und IT-Abteilungen sorgt nur dafür, dass das Potenzial der Fachabteilungen für Produktion und Prozess nicht ausgeschöpft wird und das System später an Akzeptanzproblemen krankt. Vielfach setzen Betriebe daher eine Schnittstellenabteilung für Manufacturing IT ein, um Kompetenzen aus Fertigung und IT zu bündeln. Für eine erfolgreiche MES-Implementierung benötigt dieses Team aber die Unterstützung des Managements. Schließlich geht es darum, auch etablierte Abläufe und Strukturen zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern, um die Wettbewerbsvorteile für das jeweiligen Unternehmen zu erhöhen.


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