Einsatz und Nutzen von MES

Effizienz-Werkzeug für Industriebetriebe

Anforderungen nach kundenindividuellen Produktlösungen, kurzen Lieferzeiten bei hoher Termintreue und verstärkter Wettbewerbsdruck stehen als zentrale Treiber hinter dem steigenden IT-Einsatz im Produktionsumfeld: Für das Fertigungsmanagement kommen zunehmend Manufacturing Execution-Systeme als Bindeglied zwischen der Unternehmensleitebene und der Produktionsebene zum Einsatz. Die Lösungen ermöglichen dem Anwender, direkt in die Fertigungsabläufe einzugreifen und zeitnah auf Änderungsbedarfe zu reagieren. Doch mit der Etablierung der Systeme steigen auch die Anforderungen an deren Funktionsumfang.

Bei der Bewertung von MES-Aufgabenbereichen stehen prozessbezogene Funktionen wie Datenerfassung und Feinplanung im Fokus, Personal- und Qualitätsmanagement werden seltener als Einsatzbereiche hervorgehoben.

Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart hat fünf Jahre nach der Durchführung seiner ersten Studie zum Einsatz von Manufactruing Execution-Systemen im Jahr 2006 in Zusammenarbeit mit der Trovarit AG erneut eine Befragung zum Thema MES durchgeführt. Die auf Grundlage dieser Befragung Ende 2011 erschienene Studie ‚MES – Vom Trend zur Notwendigkeit?‘ zeigt neben den aktuellen Einsatzgebieten und Nutzenerwartungen an produktionsnahe IT auch Entwicklungstrends auf. Befragt wurden vor allem Entscheidungsträger und Systemanwender aus der diskreten Fertigung. Die Untersuchung verdeutlicht, dass sich in den letzten fünf Jahren ein einheitliches Verständnis bezüglich des Nutzens von MES entwickelt hat und sich die Systeme in der Industrie als Hilfsmittel zur Unterstützung verschiedener Aufgabenbereiche etabliert haben.

Überwiegend zufriedene Systemanwender

Im Rahmen der Studie wurden auch die Kosten- und Nutzenaspekte bei Teilnehmern, die ein MES im Einsatz haben, abgefragt. Insgesamt ergibt sich dabei ein sehr positives Bild der Studienteilnehmer bezüglich ihrer IT-Systeme: Gut 70 Prozent der insgesamt 140 Befragten sind der Ansicht, dass der mit der Systemeinführung verbundene Nutzen größer ist als die hiermit verbundenen Kosten. Lediglich jeder zehnte Anwender vertritt die Meinung, dass der durch das System erzielbare Nutzen die Zusatzkosten nicht rechtfertigt. Ähnlich stellt sich das Ergebnis beim Verhältnis von Planungsgenauigkeit und Datenpflegeaufwand dar: Zwei Drittel der Teilnehmer stimmen der Aussage zu, dass die verbesserte Planungsgenauigkeit den erhöhten Datenpflegeaufwand rechtfertigt. Mit gut 85 Prozent sieht ein Großteil der Studienteilnehmer das MES als eine Möglichkeit zur Verbesserung der Prozesse; allerdings gibt knapp die Hälfte der Befragten an, dass der IT-Einsatz lediglich die Symptome der auftretenden Turbulenzen, nicht aber deren Ursachen bekämpfe.

Einsatz für Datenerfassung, Analyse und Planung

Die VDI-Richtlinie 5600 teilt die Funktionen von MES-Systemen in acht Aufgabenbereiche von Feinplanung bis Informationsmanagement ein. Doch da die konkrete Ausgestaltung eines Systems stark von den Anforderungen des Anwenders abhängt, sind in der Regel nicht alle acht Aufgabenbereiche gemeinsam im Einsatz. Das größte Gewicht geben die Befragten in der Studie den Aufgaben ‚Datenerfassung und -verteilung‘, ‚Feinplanung und -steuerung‘ sowie ‚Leistungsanalyse‘: Jeweils über 60 Prozent der Teilnehmer erachten ein MES zur Unterstützung in diesen Bereichen als wichtig bis sehr wichtig. Die Datenerfassung ermöglicht die Abbildung des aktuellen Fertigungszustands und stellt ein echtzeitnahes Reagieren auf Veränderungsbedarfe sicher.

Im Rahmen der Feinplanung und -steuerung wird, unter Berücksichtigung von Termin-, Ressourcen- und Materialbedingungen, ein möglichst optimaler Belegungsplan erzeugt. Bei unerwarteten Ereignissen oder Engpässen kann der Belegungsplan in Echzeit angepasst werden, wobei es möglich ist, aus mehrere Lösungsalternativen die am besten geeignete auszuwählen. Durch die Leistungsanalyse führt das System einen permanenten Soll-/Ist-Vergleich durch und liefert damit Kennzahlen und Informationen für die Ableitung von Handlungsbedarfen und die Optimierung der Produktionsorganisation. Als weiteren Schwerpunkt für den Systemeinsatz macht die Befragung Betriebsmittel- und Materialmanagement aus, die für knapp 50 Prozent der Teilnehmer eine wichtige Rolle spielen.

Die MES-Aufgabe Betriebsmittelmanagement stellt sicher, dass die Betriebsmittel termin- und bedarfsgerecht zur Verfügung stehen und deren technische Funktionsfähigkeit gewährleistet ist. Für über 40 Prozent der Befragten spielen zudem Informations-, Personal- und Qualitätsmanagement eine wesentliche Rolle. Während ein einfacherer und schnellerer Informationsfluss Ziel des Informationsmanagements ist, stehen beim Qualitätsmanagement sowohl Qualitätsplanung als auch Qualitätsprüfung und Prüfmittelmanagement im Fokus. Das Personalmanagement schließlich sorgt dafür, dass unter Berücksichtigung von Kapazitätsdaten etwa aus dem Schichtplan zu einem bestimmten Termin Personal mit geeigneter Qualifikation zur Verfügung steht.

Transparenz und Datenqualität stehen im Fokus

Die Bedeutung der MES-Aufgabenbereiche spiegelt sich auch in den Ergebnissen der abgefragten direkten Nutzenerwartungen wider. Die Verbesserung der allgemeinen Transparenz war für die meisten Befragten der Hauptgrund für den Einsatz einer MES-Lösung – mehr als 80 Prozent der Teilnehmer gaben dies als direkte Nutzenerwartung an. Entscheidende Nutzenaspekte stellen mit über 50 Prozent der Antworten auch die Leistungsbewertung basierend auf Kennzahlen und die höhere Datenqualität dar. Von Bedeutung sind auch die Produktrückverfolgbarkeit sowie die Lieferterminermittlung. Hinsichtlich indirekter Nutzenerwartung wird produktionsnahe IT vor allem als Werkzeug zur kontinuierlichen Verbesserung gesehen: 45 Prozent der Befragten nennen Produktivitätsverbesserung als indirekten Nutzen eines MES. Die Erhöhung von Termintreue und Planungssicherheit sowie die Durchlaufzeitreduktion sind mit über einem Drittel Nennungen ebenso wichtige Nutzenfaktoren. Bestandsreduzierung, Flexibilitätserhöhung und Kosteneinsparung werden hingegen als eher untergeordnet bewertet.