Fokus MRK in der Anwendung

Eine Linie mit Mensch und Maschine

Die direkte Zusammenarbeit von Mensch und Roboter soll die Automatisierung flexibel genug für die intelligente Fabrik machen. Doch bisher war MRK vor allem Theorie und wenig Praxis. An der Linie von BMW ist das jetzt anders, an verschiedenen Standorten arbeiten Arbeiter und Apparat nun Seite an Seite. Und die Vergangenheit zeigt: Wo die Autobauer produktionstechnisch vorangehen, folgen bald viele Industriezweige.

Bild: Kuka AG
Der Mitarbeiter im BMW-Werk Landshut steuert den Kuka-Roboter mittels Joystick, um dann in einer ergonomischen Körperhaltung die Bauteile auf Fehler zu prüfen. Bild: Kuka AG

Seit Juli 2016 ist eine MRK-Automationslösung von Kuka Systems im regulären Produktionsbetrieb des Münchener BMW-Werks, in der Mitarbeiter und Leichtbauroboter gemeinsam die Verstärkungen für Längsträger fügen. Aufgrund der Roboterunterstützung kann parallel gearbeitet werden. Wo die Taktzeit früher eine große Herausforderung darstellte, entlastet die Mensch/Maschine-Lösung mit dem LBR Iiwa nun den Arbeiter.

Gleiches Anlagenlayout

Bei der MRK-Applikation waren die Platzverhältnisse eine Herausforderung: Die MRK-Lösung sollte innerhalb der bestehenden Produktionslinie integriert werden. Im Ergebnis wurde für den Leichtbauroboter ein MRK-fähiger Greifer mit integrierten Vakuumkanälen entwickelt. Die Lösung nimmt im Vergleich zu einer Konstruktion ohne MRK zirca ein Viertel der Fläche ein. Gemeinsam fügen Mensch und Roboter nun die Längsträger für die Autokarosse. Der Mitarbeiter legt hierzu einen Stapel Verstärkungsplatten für den Roboterassistenten bereit und danach den Längsträger in die Vorrichtung ein. Der Roboter holt sich jeweils eine Verstärkung, positioniert sie auf dem Längsträger und geht anschließend in Warteposition. Dann übernimmt ein Industrieroboter vom Typ KR240 und verschweißt die Verstärkungsplatte mit dem Längsträger. Zur Sicherheit des Mitarbeiters wird hierzu ein Rolltor heruntergelassen, das sich nach dem Schweißprozess wieder öffnet. Der LBR Iiwa verlässt automatisch seine Warteposition und beginnt den Prozess von vorne. Musste sich der Arbeiter vorher alleine um die Verstärkungsplatten und Längsträger sowie weitere Produktionsstationen kümmern, kann er sich nun ohne Berührungsangst unterstützen lassen und die Taktzeit der Anlage halten. Basierend auf den Erfahrungen dieser Lösung kann man sich bei BMW in München gut vorstellen, auch weitere Produktionsschritte von einem rein manuellen zu einem MRK-fähigen Arbeitsplatz umzuwandeln.

MRK auf engem Raum

Auch die Mitarbeiter im BMW-Werk Dingolfing haben einen neuen Assistenten, der sie bei monotoner und körperlich belastender Arbeit entlastet. Rund ein Jahr hat Kuka Systems gemeinsam mit BMW an dieser MRK-Lösung getüftelt. Seit Sommer 2016 läuft die Anlage im regulären Produktionsbetrieb. Während die Mitarbeiter früher bei der Montage der Vorderachsgetriebe bis zu 5,5 Kilogramm schwere und nicht einfach zu greifende Ausgleichsgehäuse heben und millimetergenau einpassen mussten, übernimmt dies nun der Roboter. Wie im Münchner Werk lag die Herausforderung im geringen Platz, der für die MRK-Konstruktion zur Verfügung stand. Sie musste sich in die Produktionslinie für die Montage von Allrad-Vorderachsgetrieben einfügen. Zwischen den vor- und nachgelagerten Stationen, in denen weitere Roboter vollautomatisiert arbeiten, blieb nur der Raum, den der manuelle Arbeitsplatz einnimmt. Die Lösung besteht aus einer schlanken Stahlbaukonstruktion in Form eines Galgens, an der ein feinfühliger Leichtbauroboter befestigt ist. Der LBR Iiwa kann so hängend arbeiten, was Platz spart. Zusätzlich wurde der Greifer als Endeffektor des Roboters mit einer kantenfreien und abgerundeten MRK-Hülle versehen, sodass der Werker vor Verletzungen geschützt ist. Auch der kompakte Steuerschrank fand in der bestehenden Produktionslinie Platz und sorgt für die Schnittstelle zur Anlagensteuerung.

Anwendung mit Feingefühl

Mensch und Roboter fügen nun in weniger als einer halben Minute die Ausgleichsgehäuse für die Vorderachsgetriebe. Dabei werden die Komponenten über eine Förderstrecke automatisch zur Anlage gebracht und vom Werker vorbereitet. Er legt sämtliche kleinen und leichten Teile wie Ausgleichsscheiben und Kugellager in das Getriebegehäuse aus Alu-Druckguss und in den Deckel. Per Knopfdruck aktiviert er anschließend den Roboter, der das schwere Ausgleichsgehäuse vorsichtig einpasst. Dabei kommt es vor allem auf dessen feinfühlige Eigenschaften an. Denn die sensiblen Zahnflanken dürfen beim Einkämmen der Zahnräder nicht durch einen Stoß beschädigt werden. Danach befestigt der Werker den Deckel des Getriebes. In der Achsgetriebefertigung von BMW in Dingolfing ist dies die erste Arbeitsstation, an der Mensch und Roboter ganz ohne Schutzzäune und weitere zusätzliche Sicherheitstechnik ständig im selben Arbeitsraum zusammenarbeiten können. Auch hier wird es vermutlich nicht die einzige bleiben.

Bild: KUKA Systems AG
Der Greifer als Endeffektor des Roboters mit einer kantenfreien, abgerundeten MRK-Hülle versehen, so dass auch dieser MRK-fähig ist und der Werker jederzeit vor Verletzungen geschützt ist. Bild: KUKA Systems AG

MRK in der Qualitätssicherung

Dass die Lösungsvielfalt weit über die Leichtbauroboter und spezieller MRK-Kinematiken wie den LBR Iiwa hinaus geht, zeigt eine Anwendung in der Leichtmetallgießerei des BMW-Werks Landshut. Dort werden Kurbelwellengehäuse für sämtliche Modelle der Flotte gefertigt. Weil es in der Qualitätssicherung des geschulten Blicks des Werkers bedarf, lässt sich der Prozess nicht vollständig automatisieren. Dennoch sollten die Mitarbeiter entlastet werden und nicht mehr die schweren Bauteile bewegen müssen. Der Auftrag lautete also, eine Anlage zu entwickeln, in der Mensch und Roboter direkt zusammenarbeiten. Realisiert wurden in der Folge zwei identische Applikationen mit jeweils einem KR-Quantec-Roboter für Traglasten bis 210 Kilogramm vom Typ KR 210 R2900 Prime K (K steht für die Konsolenausführung) an der Produktionslinie. Ein Mitarbeiter steuert dabei mittels Joystick die Bewegungen des Roboters und kann dabei in einer angenehmen Körperhaltung die Bauteile auf Fehler prüfen.

Sicher und benutzerfreundlich

Über ein Förderband kommen alle produzierten Kurbelwellengehäuse in den Arbeitsbereich. Per Joystick führt der Werker den Roboter auf einer vorgegebenen Bahn zum Gehäuse, schließt den Greifer und reicht das Bauteil an. Nun prüft er es mittels Kaltlichtlampe auf Fehler. Währenddessen hält der Roboter das rund 30 Kilogramm schwere Bauteil sicher in der für den Mitarbeiter passenden Höhe. Ist der Werker fertig, fährt er den Roboter samt Gehäuse zurück zum Förderband und legt es ab. Drei voneinander unabhängige Safety-Vorrichtungen sorgen für Sicherheit: eine Sicherheits-SPS, die auch den Greifer steuert, eine Robotersteuerung, die den Roboter nur bestimmte Geschwindigkeiten in Arbeitsräumen ausführen lässt, und ein Zustimmtaster. Damit sich der Roboter überhaupt bewegt, muss der Mitarbeiter den Zustimmtaster gedrückt halten. Lässt er los, stoppt der Roboter augenblicklich. Die Steuerung des Roboters ist unkompliziert: Drückt oder zieht der Mitarbeiter den Joystick-Griff, bewegt sich der Roboter in eine parametrierte Richtung. Drückt er ihn nach links oder rechts, orientiert sich der Roboter ebenfalls entsprechend um. Über ein Daumenrad kann zudem die Höhenverstellung des Kurbelgehäuses relativ zum Werker vorgenommen werden.

Bild: Kuka AG
Der MRK-Roboter im Karosseriebau der Münchner BMW-Produktion assistiert dem Arbeiter beim Einlegen von Längsträgern. Bild: Kuka AG

Ergonomie als Kriterium

Bislang erfolgte die Qualitätsprüfung mittels eines Rhönrads, das von Hand samt des Kurbelgehäuses gedreht werden musste. Das erforderte viel Kraft und insbesondere großgewachsene Arbeiter mussten sich bei jedem Prüfvorgang bücken. Ziel war eine Applikation, die die Mitarbeiter entlastet, einfach zu bedienen ist sowie die kurzen Taktzeiten einhält. Die beiden Anlagen sind seit 2015 in Betrieb und zeigen: Die Taktzeiten können eingehalten werden und die Arbeit ist für die Mitarbeiter nun deutlich angenehmer. Mittlerweile wird sogar an einer Erweiterung gearbeitet. Zukünftig sollen nochmal zwei Prüfstände für die Qualitätssicherung errichtet werden, um mit der steigenden Produktion Schritt zu halten.