Die Überführung der klassischen aber oft starren Automatisierungspyramide in ein flexibles Netzwerk mit teilweise autonom agierenden Einheiten ist ohne Zweifel eine der Essenzen im Rahmen des komplexen Leitbildes der Industrie 4.0. Das Zeitalter der strikten Trennung zwischen betriebswirtschaftlichen Datenmodellen und der Welt der Automatisierung wird zunehmend der Vergangenheit angehören.
Bild SAP SE
Nutzen, Notwendigkeit und Dringlichkeit der digitalen Transformation sollten vor dem Hintergrund der vielfältigen, treibenden Kräfte und Markttrends außer Frage stehen: Individualisierung und Personalisierung der Produkte, mit kleinen Losgrößen zwangsläufig einhergehende kurze Produktlebenszyklen und entsprechende Konsequenzen für Lieferketten, das sich stetig wandelnde Regionalisierungs- und Globalisierungsgefüge, die Verfügbarkeit von Qualifikationen, Ressourcenverknappung, Wettbewerbsvorteile durch dienstleistungsorientierte Geschäftsmodelle und so weiter. Man kann vielleicht sagen, daß viele dieser Einflußfaktoren schon lange vor der Industrie 4.0 eine ständige und vielfach gelöste Aufgabenstellung darstellten. Warum also jetzt anders agieren, als in der Vergangenheit? Reicht es nicht, allen ohnehin geplanten Innovationsprojekten eine trendige Überschrift zu geben und sich darüber hinaus aber wie gehabt auf den Ideenreichtum der Ingenieure zu verlassen? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, mit dieser Sichtweise mittelfristig fatal zu scheitern – insbesondere, da Ideenreichtum bei dieser Art der Herausforderung nicht selten durch Besitzstandswahrung innerhalb von Organisationsstrukturen ausgebremst wird.
Über Jahre gewachsene Landschaft
Digitale Transformation ist kein Selbstzweck. Die Schaffung neuer Dimensionen der Anpassungsfähigkeit und das Aufbrechen eingefahrener Strukturen zahlt sich bei jenen Unternehmen bereits aus, die früh mit dem Umbau der Fertigung und teilweise sogar des gesamten Unternehmens im Sinne der Industrie 4.0 begonnen haben. Natürlich sind IT-Landschaften im Produktionsumfeld im Allgemeinen über Jahre gewachsen, punktuell im Kontext der gegenwärtigen Anforderungen hochoptimiert. Die Lebensdauer und der unterschiedliche Grad der digitalen Ertüchtigung von bestehenden Anlagen kommt erschwerend hinzu. Die Versuchung ist groß, in dieser Gemengelage kurzfristige und punktuelle Lösungen zu entwerfen: Ein paar zusätzliche Sensordaten sind schnell erfasst und in eine Datenbank geschrieben, das bestehende MES-System oder die diversen Scada-Lösungen in einem beherrschbaren Projekt angepasst oder zugekauft.
In vielen Fällen zweifellos legitim kann manches Vorhaben dieser Art sich allerdings letztlich als Wiederholung der Fehler der Vergangenheit entpuppen: die Schaffung einer weiteren Insellösung mit mehr oder weniger gut getarnten Lücken im Informationsmodell, Medienbrüchen und der Notwendigkeit zur manuellen Anpassung, sobald beispielsweise eine neue Produktvariante eingeschleust werden soll. Bedeutet andererseits die Forderung nach einem ‚flexiblen Netzwerk mit teilweise autonom agierenden Einheiten‘ nicht genau die Einführung von lokalen, leichtgewichtigen Lösungen mit entsprechender Implementierung und Ausmultiplizierung von Schnittstellen? Die Antwort sollte – wie so oft – in der Mitte liegen und sich entlang einer unternehmensspezifischen, verbindlichen und klar umrissenen Industrie 4.0-Strategie bewegen, deren Ziel auch eine größtmögliche Standardisierung der IT-Landschaft und der Interoperabilität sein sollte. Idealerweise berücksichtigt eine derartige Strategie fünf Szenarien der Interoperabilität.
Automatische Produktionsrückmeldung, Messwerterfassung und darauf basierende automatische Erstellung von Instandhaltungsaufträgen sind einfache und schon weit verbreitete Beispiele für vertikale Integration zwischen Maschinen und der betriebswirtschaftlichen Ebene des Enterprise Ressource Planning. Häufig geschieht dies jedoch noch unter strenger Einhaltung der Schichten der klassischen Automatisierungspyramide und dann lediglich ‚von unten nach oben‘: Messwert oder Ereignis via speicherprogrammierbarer Steuerung an die Leitrechnerebene, von dort in Richtung Manufacturing Execution System und schließlich ins Enterprise Resource Planning-System. Warum sich nicht bereits an dieser Stelle dem Gedanken der flexiblen Netzwerke öffnen? Die SPS meldet direkt ins ERP oder bezieht Daten unmittelbar von dort – oder mindestens direkt aus dem MES? Moderne MES können inzwischen Aufgaben übernehmen, die in der Vergangenheit häufig dem Scada-System zugeordnet werden mussten. Entitäten wie Stücklisten, Rezeptur, Arbeitsplan und natürlich alle Details des Produktionsauftrages aber auch Werkeranweisungen für manuelle Tätigkeiten sollten zentral verwaltet, aber für alle Teilsysteme im Zugriff sein. Legt man das SPS-Programm entsprechend aus, kann ein automatisierungsrelevantes Attribut eines Kundenauftrages nahtlos und unmittelbar in den Fertigungsprozess einfließen.
2. M2M-Kommunikation
Eine SPS, die mehrere Maschineneinheiten beziehungsweise Anlagen steuert, ist im Sinne von Industrie 4.0 kaum der Rede wert. Spannender wird es, wenn man die starre Kopplung auflöst und Maschinen untereinander kommunizieren. Es gibt auch für dieses Szenario bereits viele lebendige Beispiele. Zu überlegen ist hingegen, wie flexibel diese Lösungen im Falle neuer oder leicht veränderter Prozesse beziehungsweise Produkte angepasst werden können. Die Herausforderung wird darin bestehen, die Maschine-Maschine-Kommunikation ebenfalls im betriebswirtschaftlichen Kontext zu gestalten, das heißt auch hier die bereits zuvor genannten Entitäten wie Produktionsauftrag, Arbeitsplan, Stückliste et cetera zu berücksichtigen. Ein Beispiel: Ein Verpackungsautomat ruft rechtzeitig vor Abschluß der nächsten Palette selbständig ein fahrerloses Transportsystem (FTS) – jedoch ist nun der Verpackungsmaschine der Produktionsauftrag insofern bekannt, als daß je nach Eigenschaft des bearbeiteten Materials ein FTS mit anderen Eigenschaften (zum Beispiel bezüglich der Palettenaufnahme) angefordert wird. Für die technische Interoperabilität dieser beiden Maschineneinheiten existieren funktionierende Ansätze – diese aber einerseits generisch, also mit geringem Aufwand auf vergleichbare Aufgabenstellungen übertragbar zu gestalten und zum anderen unter Berücksichtigung der zuvor genannten vertikalen Integration zu betrachten, unterliegt einem erhöhten Schwierigkeitsgrad.
3. E-Commerce Integration
Verfügbarkeitsangaben, Lieferzeiten und Sendungsverfolgung haben in Zeiten des Internethandels bereits eine hohe Genauigkeit und Verlässlichkeit erreicht. Grundlage bildet hier im Allgemeinen die Bestandsverwaltung eines ERP. Doch auch hier können Potentiale gehoben werden, wenn man die auf der MES-Ebene (und darunter) anfallenden Daten zusätzlich bereitstellen kann. Insbesondere im Hinblick auf den Trend, immer häufiger personalisierbare Produkte anbieten zu können, ist die Aufgabe zu lösen, bereits die Kundenauftragserfassung mit Aspekten und Anforderungen der späteren Fertigung anzureichern. Im Bereich der Konsumgüter ist die Herstellung von Photobüchern ein passender Vergleich, den man in ähnlicher Form – auch unterstützt durch die immer umfangreicheren Möglichkeiten des 3D-Drucks – auf viele Produkte anwenden könnte.
4. Maschine im Internet der Dinge
Rüdiger Fritz, Director Product Management SAP Plant Connectivity
Bild: SAP SE
Maschinendaten aller Art zu analysieren und auf dieser Basis Verfügbarkeit beziehungsweise Effizienz zu steigern, darf man im Jahr 2016 nicht mehr mit gutem Gewissen als revolutionäre Idee bezeichnen. Gleichwohl sind Standardisierung und Flexibilisierung auch hier in Zukunft die maßgeblichen Leitlinien. Weniger häufig anzutreffen ist wiederum der Ansatz, die technisch orientierten Maschinendaten stets in engste Kopplung mit den betriebswirtschaftlichen Daten (zum Beispiel Produktionsauftrag, Charge, Qualitätsrückmeldungen) zu bringen. In dieser Form würde der Verweis auf die Interoperabilität im Sinne der oben genannten vertikalen Integration als Gedankengerüst völlig ausreichen. Zwei Beispiele sollen stellvertretend für Szenarien der Interoperabilität stehen, die weit über den Status quo hinaus gehen: neue Geschäfts- oder Betreibermodelle, deren Kern es ist, Verfügbarkeit beziehungsweise Befähigung statt der klassischen Maschine selbst zu verkaufen, oder auch erweiterte Garantie- beziehungsweise Serviceangebote durch den Anlagenlieferanten auf Basis von weltweit erfassten Maschinendaten. In beiden Beispielen verlässt die Interoperabilität die Grenzen des eigenen Unternehmens.
Aus Sicht des Anbieters wird die Maschineneinheit zum ‚Ding‘ und Mehrwerte ergeben sich insbesondere durch die Tatsache, daß viele gleichartige Einheiten als Datenbasis zur Verfügung stehen und somit Ausreißer sehr viel einfacher zu identifizieren sind. Ein Vielfaches an Erfolgsmeldungen ist in Zukunft zu erwarten, weil die Datenmenge mathematische Vorhersagen zum Beispiel zur Ausfallwahrscheinlichkeit erlaubt und Instandhaltungsmaßnahmen nun ergriffen werden können, bevor der Ausfall tatsächlich eintreten würde.
5. Lieferantennetzwerke
Die Zusammenarbeit mit und zwischen Lieferanten beruht heute weitgehend auf klassischen Dokumenten wie Bestellung, Lieferavis und Lieferschein. In einigen Fällen findet sich auch eine technisch orientierte Interoperabilität, von Standardisierung und Flexibilität wird man aber wieder nur gelegentlich sprechen können. Betrachtet man auch hier die Beweglichkeit der Trends, werden Lieferanten zukünftig deutlich stärker auch die technische Ebene in den Informationsaustausch untereinander einbringen müssen – beispielsweise die gegenwärtig verfügbare Produktionskapazität, ad-hoc-Meldung eines Maschinenausfalls, Erfassung und Weitergabe von Qualitätsmesswerten auf Einzelstückbasis, Austausch von Stammdaten oder Rezepturen mit Relevanz für die Automatisierungspyramide.
Standard als Ziel
In der Industrie 4.0-Strategie des Unternehmens sollte das Leitbild einer größtmöglichen Standardisierung prägend sein. Bezüglich der Kommunikationsarchitektur der Interoperabilität bietet sich beispielsweise eine Roadmap zur Ertüchtigung aller Maschinen auf den OPC UA Standard an.
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