In den letzten Jahren haben sich lineare Lieferketten hin zu komplexen, weit verteilten Netzwerken gewandelt. Aufgrund technologischer Fortschritte werden dabei auch Unternehmen unterschiedlicher Branchen verstärkt eingebunden. Diese Entwicklungen führen zu völlig neuen Risiken in den Lieferketten. Gefragt sind daher Strategien, um bislang verteilte Kompetenzen zielführend zu bündeln.
Bild: Fraunhofer IPA
Unternehmen stehen immer noch vor den Herausforderungen nicht standardisierter Lieferkettenprozesse, fehlender Bedarfs- und Bestandsinformationen in der Lieferkette sowie nicht klar geregelter Unternehmensschnittstellen. Zudem fehlt Unternehmen häufig eine Übersicht über ihre eigene Wertschöpfungsverteilung, so dass sie in historisch gewachsenen Lieferstrukturen verharren. Um dem entgegenzuwirken und die Abläufe in den Liefernetzwerken in den Griff zu bekommen, muss sich ein zeitgemäßes Supply Chain Management (SCM) hin zu einem kollaborativen Ansatz entwickeln. Dies ist allerdings nur möglich, wenn dazu das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk betrachtet und noch wenig berücksichtigte Faktoren, wie Motivation und Qualifikation von Mitarbeitern, in die Betrachtung integriert werden. Nur so können passende Maßnahmen für die Beherrschung heutiger und zukünftiger Supply Chains identifiziert werden.
Abläufe koordinieren
Ein Ansatz, um komplexe Abläufe in Supply Chains nachhaltig beherrschen zu können, ist die Strategie der Supply Chain Collaboration (SCC). Im Gegensatz zum herkömmlichen SCM basiert dieser Ansatz auf der Überlegung, dass nur durch eine unternehmensübergreifende Kooperation der unterschiedlichen Supply Chain-Partner eine Optimierung wesentlicher Prozessparameter erreicht wird. Die Umsetzung erfolgt nicht schlagartig, sondern auf freiwilliger Basis und über einen längeren Zeitraum hinweg. SCC setzt somit vor allem auf das Eigeninteresse und die Eigeninitiative der Prozessbeteiligten.
Branchenunabhängig muss die Kollaboration in der Supply Chain auf verschiedenen Ebenen stattfinden: Auf der strategischen Ebene werden zwischen den Partnern gemeinsame Entscheidungen getroffen, etwa bindende Vereinbarungen von Produktionskapazitäten und gemeinsame Investitionsentscheidungen hinsichtlich des Aufbaus von Produktionskapazitäten. Auf der taktischen Ebene werden etwa Vorschaudaten, Produktions- und Transportpläne geteilt. Auch die Zusammenarbeit im Hinblick auf mittelfristige Kapazitäten, Lagerbestände oder Materialverfügbarkeit, fällt in diesen Bereich. Auf der operativen Ebene schließlich findet mit einem kurzfristigen Zeithorizont beispielsweise der Austausch von Bestellungen und Produktionsaufträgen statt.
Industrieprojekte des Fraunhofer IPA bestätigen den Erfolg dieses Ansatzes: So wurden beispielweise zur Harmonisierung der Kapazitätsplanung in der Supply Chain zwischen einem Automobilsystemzulieferer und seinen Halbleiterlieferanten regelmäßige unternehmensübergreifende Collaborative Planning and Forecasting-Meetings zur Abstimmung der Kapazitäts- und Investitionsentscheidungen eingeführt. Auf der taktischen Ebene konnten durch Maßnahmen wie Supplier Managed Inventory (SMI) Nachfrageschwankungen und Bestände reduziert werden. Dabei leisten unternehmensverbindende IT-Systeme, wie beispielweise Supply On, zur gemeinsamen und frühzeitigen Erkennung von Versorgungs- oder Kapazitätsengpässen in der Lieferkette einen wichtigen Beitrag.
Wer bei der Lieferkettengestaltungnur auf Lohnkosten achtet, riskiert Leistungseinbußen. Eine Konzentration von Kompetenzen kann hingegen helfen, Wettbewerbsvorteile zu erschließen. Bild: Fraunhofer IPA
Risiken minimieren
Eine weitere Maßnahme, um komplexe Abläufe innerhalb von Supply Chains in den Griff zu bekommen, setzt bereits bei der Umgestaltung einer gewachsenen Lieferkette an. Wenn schon in der strategischen Planung Supply Chain-Risiken Rechnung getragen wird, können diese durch eine bessere Auslegung der Lieferkette minimiert werden. Der daraus resultierende Effekt ist vergleichbar mit der Defragmentierung von Datenträgern, bei der mit speziellen Programmen verstreut gespeicherte Datenblöcke so auf dem Speichermedium neu geordnet werden, dass logisch zusammengehörige Datenblöcke möglichst aufeinanderfolgend abgelegt werden. Dies beschleunigt den Zugriff und erhöht damit die Arbeitsgeschwindigkeit des Systems.
Übertragen auf die geografisch weit verteilten Supply Chains bedeutet eine Optimierung der Strukturen unter Berücksichtigung von Risiken meist den Rückbau der durch die Globalisierung und primär kostenorientiert entstandenen Lieferketten. Die dadurch begünstigten Faktoren ‚Durchlaufzeit‘ oder ‚Reaktionsfähigkeit‘ gewinnen zusammen mit weiteren Faktoren derart an Bedeutung, dass sogar die Integration der gängigen Risikofaktoren in die Entscheidungsfindung für neue Lieferketten nicht mehr ausreicht. Daher müssen zur Optimierung der Wertschöpfungsverteilung von Supply Chains neben Risiken auch ‚weiche‘ Faktoren berücksichtigt werden.
Produktivität im Blick
Das zeigt auch das Ergebnis eines vom Fraunhofer IPA bei einem Automobilzulieferer durchgeführten Projektes: In der historisch gewachsenen Supply Chain wurden fünf Wertschöpfungsstufen an vier in Europa verteilten Standorten der Unternehmensgruppe durchgeführt. Während der Optimierung wurde festgestellt, dass das ursprünglich favorisierte Szenario der Zusammenführung einer auf zwei Standorte verteilten Wertschöpfungsstufe an dem Lohnkosten günstigeren Standort aufgrund der Faktoren, die den Mitarbeiter betreffen – wie etwa Motivation, Fluktuation, Verständnis für Qualität oder Qualifikation – erhebliche Nachteile aufweist.
Die Anzahl der Mitarbeiter der betroffenen Wertschöpfungsstufe hätte um ein Drittel aufgestockt werden müssen, um die Produktivität der derzeitigen Supply Chain zu erreichen. Gravierende Auswirkungen auf die Auslegung der Lieferkette können ebenso die Risiken und Einflüsse der Supply Chain-Partner haben. Dazu gehören nicht nur die in den gängigen Betrachtungsrahmen integrierten Lieferanten und Kunden, sondern auch Maschinenbauer, Logistikdienstleister, die Entwicklung und weitere Dienstleister bis hin zu Konkurrenten. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Verständnis der Supply Chain als umfassende Fabrik einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellt. Die Zukunft heißt Kollaboration und Konzentration auf die Berücksichtigung und Steigerung weicher Kriterien.
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