Zur Erfüllung der zahlreicher Anforderungen aus gesetzlichen Vorschriften, Standards und Zertifizierungen ist in der Industrie eine umfangreiche Dokumentation oftmals umgänglich. Untersuchungen zeigen allerdings, dass dafür bis zu 60 Prozent der Arbeitszeit einer Abteilung investiert wird. Folglich besteht enormes Potenzial, diesen Zeitverlust durch effiziente Verwaltung zu minimieren. Dabei stellt sich die Frage nach der passenden Datenablage, da neben Enterprise Resource Planning-Systemen auch spezialisierte Lösungen etwa für das Produktdatenmanagement zum Einsatz kommen.
Die Konzeption des bestmöglichen Informationsflusses für die Handhabung von Dokumenten erfordert den Blick auf verschiedene Bausteine. Dabei sollte der Blick neben dem in vielen Betrieben eingesetzten Enterprise Resource Planning-System (ERP) auch Dokumentenmanagement- (DMS) und Produktdatenmanagement-Systeme (PDM) umfassen. Das Zusammenspiel dieser Lösungen basiert auf der Methodik des sogenannten PUT-Prinzips als Eckpfeiler des ‚Digitalen Produkts‘.
Dabei wird Bezug auf das hergestellte Produkt, die Unternehmensprozesse zur Auftragsabwicklung und die beteiligten IT-Werkzeuge oder ‚Tools‘ genommen. Dieser Ansatz lässt sich auf die Verwaltung von Dokumenten genauso anwenden wie auf Informationsobjekte im weitesten Sinne, etwa im Hinblick auf den Datenzugriff. Dazu gilt es, sowohl die Entstehung als auch die Verwendung von Daten und Dokumenten zu betrachten.
Das passende System einsetzen
Wird der Bezug der Daten auf ihre Entstehung und Modifikation betrachtet, können diese im Allgemeinen als produkt-, projekt- oder auftragsspezifisch kategorisiert werden. So dienen Stammdaten beispielsweise der Spezifikation und Beschreibung von Produkten, während Bewegungsdaten projekt- oder auftragsspezifisch anfallen können. Bei der Verwendung muss zwischen reinem Lesezugriff und der Veränderung der Daten unterschieden werden.
Eine Modifikation wird dabei im Allgemeinen durch eine Freigabe beendet; das anschließende Sichten von Dokumenten in angrenzenden Systemen kann durch Übergabe der Daten über einer Schnittstelle, Referenzierung auf die Datenablage oder über Anzeigesoftware mittels ‚Viewing‘ gewährleistet werden. Wichtig ist, dass Aktualität und Eindeutigkeit durch strikte Änderungs-, Freigabeprozesse und Berechtigungskonzepte garantiert sind.
Durch ihre Auslegung auf bestimmte Aufgabenbereiche bieten die beteiligten Systeme oftmals eine spezielle Sichtweise, wodurch Information in einem bestimmten Bezug dargestellt werden. Im Gegenzug werden andere Informationsaspekte nicht ersichtlich, wenn diese etwa für die Sichtweise des Systems nicht relevant sind. Ein Dokument sollte daher in einem System verwaltet werden, welches den passenden Kontext ‚mitbringt‘ – produktbeschreibende Dokumente sollten etwa als ‚Stammdaten‘ in einem produktspezifischen Kontext verwaltet werden. Das zugehörige System zur Verwaltung von Produktdaten ist das Produktdatenmanagement-System (PDM). Daher kann es vorteilhaft sein, die Dokumentverwaltung im Kontext zu Stamm- un Bewegungsdaten zu betrachten.
Das Produkt bestimmt die Prozesse
In einem produzierenden Unternehmen sind die Prozesse in der Produktentwicklung von dem Charakter des Produkts geprägt und fallen damit grob in vier Kategorien:
- Serienprodukt oder ‚make to stock‘ (MTS)
- Standardprodukt mit herstellerspezifizierten Varianten oder ‚assemble to order‘ (ATO)
- Standardprodukt mit kundenspezifizierten Varianten oder ‚make to order‘ (MTO)
- Einzelprodukt oder ‚engineer to order‘ (ETO)
Außerdem spielen Produkt- und Vertriebskomplexität eine wichtige Rolle für das Produktlebenszyklusmanagement. Im Allgemeinen steigen die Anforderungen beispielsweise an die technische Dokumentation mit der Produktkomplexität. Da die produktspezifische Information im PDM-System verwaltet wird, ist es wichtig, die Dokumentation eines Produkts mit hoher Komplexität, mit der Verwaltung aller Produktdaten integriert zu organisieren. Liegt aufgrund des Produkttyps eine hohe Vertriebskomplexität vor, liegt die Komplexität der Dokumentation im Kontext Kunde und Verkaufsabwicklung beziehungsweise der Marktsicht. Entsprechende Dokumente sollten im Bereich der Bewegungsdaten also dem ERP-System oder einem adaptierten DMS verwaltet werden, um eine hohe Integration der Dokumentation in die Bewegungsdaten zu unterstützen.
Übersicht der betrieblichen Informationslandschaft
Der gesamte Informationsfluss stützt sich dabei auf mehrere Teilprozesse innerhalb der Entwicklungs- und Auftragsabwicklungsabläufe. Dazu zählen unter anderem Änderungs- und Freigabeprozesse, um den Zugriff auf Daten und Dokumente eindeutig festlegen und abgegrenzen zu können. Ziel der Integration im Product Lifecycle Management (PLM) ist es dabei, eine möglichst genaue Abbildung der Abläufe in den beteiligten IT-Systemen zu erreichen. Dazu ist eine Informationsflussanalyse nötig, deren Resultate in einer sogenannten Informationsflussmatrix dargestellt werden können.
Eine solche Analyse erlaubt die Informationsobjekte einschließlich Quellen und Weiterverwendung zu identifizieren. Wird dann eine Unterteilung der Matrix vorgenommen, lassen sich Aufgabenbereiche identifizieren und mit den Informationsobjekten in Verbindung setzen. Anschließend können die bestehenden Unternehmensprozesse im Gesamtzusammenhang analysiert und gegebenenfalls auch neu konzipiert werden. Ebenso wird die Prozessunterstützung eines Aufgabenbereichs durch IT-Systeme visualisiert. So wird ersichtlich, welche Aufgabenbereiche eine intensive Dokumentation betreiben und verwalten müssen.
Das passende Konzept finden
Aufbauend auf diese Erkenntnisse kann die Abbildung der Dokumentation in den IT-Tools konzipiert werden. Dabei sollte niedriger Aufwand für die Dokumentenerstellung und -bearbeitung seitens der Mitarbeiter im Fokus stehen. Denn viele Unternehmen leiden darunter, dass viel Zeit mit dem Suchen und dem Zugang zu Dokumenten verbracht wird. Mitarbeiter mit verschiedenen Aufgaben müssen auf Informationen mit unterschiedlichem Kontext aus verschiedenen Systemen zugreifen. Die benötigten Dokumente jedem einzelnen Mitarbeiter in einem für ihn geeigneten System zu hinterlegen, führt aber häufig zu Redundanz und Unzuverlässigkeit der Informationsaktualität.
Das zeigt das Beispiel eines Serviceinsatzes: Der Techniker hat eine Anlage für einen Kunden zu reparieren und benötigt dafür vielseitige Informationen aus verschiedenen Systemen. Mittels Technologien wie Webservices und offenen Schnittstellen oder ‚Application Programming Interfaces‘ (API) ist es möglich, dem Mitarbeiter Dokumente oder spezifische Informationen in einem Webbrowser oder einer Portallösung maßgeschneidert auf seine Bedürfnisse darzustellen. Somit kann der Techniker praktisch in jeder Situation systemübergreifend auf Informationen und Dokumente zugreifen, etwa aus dem Servicemodul einer ERP-Lösung und der Produktzeichung in PDM oder DMS. In Bezug auf die Verwaltung der Dokumente entstehen so zusätzliche Konzeptmöglichkeiten hinsichtlicheiner dezentraler Datenverwaltung.
Mitarbeiterbedürfnisse im Fokus
Durch die Übertragung der Grundideen des Digitalen Produktes – Produkt, Unternehmensprozesse und IT-Tools – auf die Anforderungen an eine integrierte Dokumentenverwaltung lassen sich diese drei Bausteine für den Aufbau effizienter Informationskonzepte nutzen. Damit kann die Dokumentation redundanzfrei und aktuell verwaltet werden, wodurch sich die Effizienz für Mitarbeiter beim Arbeiten an und mit Dokumenten steigern lässt. Wichtig ist festzustellen, wer welche Dokumente und Informationen benötigt und wer diese herstellt. Erst daraus folgt, wo diese am effizientesten erstellt werden: Basierend darauf können optimale Konzepte zur effizienten Verwaltung der Dokumentation entwickelt werden.