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Cloud-gestützte Rückverfolgbarkeit bei Henn

Vernetzte Daten für Qualität und Sicherheit

Die Automobilindustrie kann das Potenzial ihrer Fertigungsdaten nur dann voll ausschöpfen, wenn sie diese für Produktionsstätten, Administration und Außenstellen gleichermaßen strukturiert und in Echtzeit zusammenführt. Cloud-Anwendungen und Industrial Intelligence as a Service helfen dabei.

Bild: Aveva / Blake Ezra Photography Ltd.

Bild: Aveva / Blake Ezra Photography Ltd.

Produktionsfortschritte, Zeitstempel oder auch Materialinformationen: In ihren Maschinen- und Anlagenparks erzeugen Betriebe aus der Automobilindustrie kontinuierlich neue Daten. Allerdings schöpfen sie nur selten deren volles Potenzial aus. Der Schlüssel zur Steigerung des Wertes von Daten liegt darin, sie zugänglich zu machen, egal wo sie sich befinden, und damit sogenannte Datensilos aufzubrechen. Cloud-Software ist ein zentraler Bestandteil davon und kann maßgeblich zu einer belastbaren, flexiblen und effizienten Produktion beitragen – vom Hersteller kleinster elektronischer Bauteile bis hin zum Autobauer. Dabei hilft eine auf Cloud-Nutzung ausgerichtete IT-Landschaft. Denn der Wert von Industriedaten kann sich vervielfachen, wenn verschiedene Bereiche des Unternehmens ihre jeweiligen Informationen in Echtzeit zusammenführen und über die Cloud standortunabhängig als gemeinsames Werkzeug nutzen. Dieses qualitativ hochwertige Datennetzwerk kann als digitaler Zwilling verstanden werden. Wenn Unternehmen ihre Edge-Daten in die Cloud überführen möchten, müssen sie zunächst meist IT-Infrastruktur umrüsten. Bestehende Daten müssen in ihrer Struktur und ihren Formaten an die jeweiligen Cloud-Anforderungen angepasst und dann migriert werden.

Veraltetes Datenmanagement

Diese Umstellung hat das österreichische Unternehmen Henn erfolgreich durchlaufen. Es stellt Schnellkupplungen für Ladeluft- und Kühlwassersysteme her und hat bereits über 550 Millionen Stück produziert. Da im Automobilbau auch die kleinsten Komponenten entscheidend zu langlebigen Fahrzeugen beitragen, müssen sie komplexen regulatorischen Anforderungen entsprechen und eine hohe Material- sowie Verarbeitungsqualität aufweisen. Jede hergestellte Kupplung erhält daher eine eigene Nummer, damit sie jederzeit nachverfolgt und Informationen zu den Produktionsbedingungen eingesehen werden können. Auch deshalb setzte Henn zunächst eine vom Maschinenhersteller bereitgestellte proprietäre Lösung zur Datenerfassung und -speicherung ein. Diese basierte auf einer Structured Query Language (SQL)-Datenbank, die tabellarisch Datenmengen erfassen kann. Mitarbeitende konnten darin bestimmte Informationen händisch abfragen, bearbeiten oder als CSV-Datei exportieren. Diese Form der Datenerfassung erwies sich jedoch zunehmend als unzuverlässig und technologisch veraltet. So konnten die Prozessoren die Menge an unstrukturierten Daten nur mit Verzögerung verarbeiten. Infolge traten etwa inkonsistente Zeitstempel im Legacy-System auf: Der Zeitpunkt, an dem eine Anomalie bei einer Maschine auftrat, und der Zeitpunkt, an dem das System diese erfasste, stimmten nicht überein. Solche Unstimmigkeiten wirkten sich auch auf weitere Softwareanwendungen wie Microsoft Power BI aus, die so nur beschränkt valide Erkenntnisse zur Produktionshistorie liefern konnten.

In der Cloud gelöst

Basierend auf diesen Herausforderungen brauchte Henn zunehmend Systeme, die Echtzeitdaten zuverlässig erfassen, eine Nachverfolgung der Produktqualität sowie den sicheren Austausch von Informationen mit externen Partnern wie Lieferanten und Maschinenherstellern ermöglichen. Damit der Produzent jede einzelne hergestellte Kupplung zügig nachverfolgen, seine Produktionsabläufe weiterentwickeln und Innovationen vorantreiben kann, hat das Unternehmen ein cloudbasiertes Datenmanagement mit dem Aveva Data Hub aufgesetzt. Als Basis dient nun eine Software, die Edge-Betriebsdaten von Sensoren und Anlagen außerhalb ihres primären Kontrollnetzes erfasst, speichert und abrufbar macht. Sie fungiert zudem als Brücke zwischen Edge und Cloud, indem sie die Daten sowohl in das Legacy-System als auch eine neu implementierte Cloud-Anwendung überträgt. Doppelt indizierte Datenströme sind sowohl auf Zeitstempel aus der Produktion als auch die individuellen Teilenummern kalibriert, damit die verfügbaren Informationen jederzeit vollständig kontextualisiert werden können.

Messbarer Effizienzgewinn

Die Umstellung auf eine Cloud-Architektur zeigt sich auch in Zahlen. Zuvor benötigten die Mitarbeitenden von Henn zwei Tage, um die Produktionsdaten zu validieren. Nun können sie bereits zwei Minuten, nachdem eine Kupplung die Maschine verlassen hat, die korrekten Daten aus der Cloud abrufen und Abfragen gegen große Datensätze durchführen. Die verbesserte Geschwindigkeit bei der Datenverarbeitung sorgt somit übergreifend für zehn Prozent effizientere Abläufe und verlässlichere Datenqualität – unabhängig vom Arbeitsort der Mitarbeitenden.

KI-Dienste werden möglich

Wer seine Leistungs- und Prozessdaten in der Cloud verlagert, kann diese im nächsten Schritt mit KI-Algorithmen verknüpfen. Softwarehersteller Aveva nennt dies Industrial Intelligence as a Service (IIaaS). Mit prädiktiver Analytik können Betriebe früh den Wartungsbedarf oder Störungen ihrer Produktionsanlagen identifizieren und beheben. Auch eine Berechnung der Remaining Use of Life Estimation (RULE) einzelner Maschinen sowie derer Komponenten ist möglich. Somit rückt Datenmanagement und IIaaS als Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit eines Fertigungsunternehmens zunehmen in den Vordergrund. Zu den weiteren Vorteilen solcher Projekte zählen die verbesserte Zusammenarbeit von geografisch verstreuten Teams, die zeitgleich virtuell auf Dateien und Projektpläne zugreifen können. Es entstehen also keine Wissenslücken, da alle auf verlässliche Echtzeit-Informationen zugreifen können. Industrielles Datenmanagement über eine Cloud-Plattform ermöglicht ihnen, schnell zu reagieren und Produktionsprozesse sowie Anlagenleistungen anzupassen. Cloud- und KI-gestützte Tools können sich zudem positiv auf Nachhaltigkeitsziele auswirken. Wenn Produzenten Anlagenstörungen etwa früh identifizieren und beheben, vermeien sie ein energieintensives Herunter- und Hochfahren der Systeme.

Daten für Kooperationen

Cloudbasierte IIaaS-Anwendungen können in den kommenden Jahren auch in der Automobilindustrie dazu beitragen, dass herkömmliche Hindernisse für eine effizientere Geschäftsentwicklung verschwinden. Mit den passenden Technologien kann ein Netzwerkeffekt entstehen, der auf der Verfügbarkeit einer singulären und zuverlässigen Informationsquelle basiert. Diese können Betriebe standortübergreifend und sicher sogar mit externen Partnern teilen.


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