Bilder sagen mehr als tausend Meldungen

Überblick über komplexe und flexible Netzwerkarchitekturen einer Produktionsanlage zu behalten, ist kein leichtes Unterfangen. Doch mit dem passenden industriellen Netzwerkmanagement-Werkzeug lassen sich automatisch Bilder der aktuellen Netzwerktopologie erstellen, die dem Instandhalter frühzeitige Fehleranalysen ermöglichen.

Topologiediagnose eines Geräteausfalls mit Folgefehlern in Sinema Server: Eine vollständige Grafik über die Netzarchitektur ermöglicht eine Analyse potenzieller Auswirkungen auf Leitungs- und Gerätefehler. Bild: Siemens AG

Bei der Erkundung einer neuen Stadt mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind Navigationsgeräte oder Buslinien- und Straßenpläne nicht mehr wegzudenken. Ähnlich verhält es sich beim Management von Industrienetzwerken in produzierenden Anlagen. Mit Hilfe von Bildern zur Netzwerktopologie lassen sich hier Diagnosen stellen und Maßnahmen ergreifen, noch bevor die Automatisierung der Anlage betroffen ist. Allerdings ist es wichtig, das geeignete Software-Werkzeug auszusuchen, das in der Lage ist, Grafiken über die Netzwerktopologie automatisch zu erstellen und ohne großen Aufwand aktuell zu halten, auch wenn in der Anlage Änderungen vorgenommen wurden. Solche Bilder stellen die Struktur des Netzwerks mit den physikalischen Verbindungen zwischen den Geräten sowie deren Anordnung grafisch dar. Hierüber können in Anlagen, die beispielweise mit Industrial Ethernet vernetzt sind, schnell Fehler lokalisiert werden.

Topologiewissen ist der Schlüssel zum Erfolg

Die Bedeutung des Topologiewissens steigt mit der Anzahl und Vielfalt der Geräte, die im Netzwerk zu verwalten sind. Im Gegensatz zu einem Feldbus wie Profibus sind im Ethernet nicht alle Geräte mit dem gleichen Kabel verbunden und die Anzahl der Geräte unterschiedlichster Hersteller ist wesentlich größer. So werden im Ethernet Komponenten wie Switches und WLAN-Accesspoints zum Verbinden von Kommunikationspartnern verwendet, über die sich auch die räumliche Ausdehnung des Netzwerks beliebig erweitern lässt. Neben Automatisierungsendgeräten wie Steuerungen, Antrieben sowie Ein- und Ausgabegeräten (E/A) werden vereinzelt auch Standard-Ethernet-Geräte wie Drucker angeschlossen. Topologiegrafiken helfen hierbei die Übersicht zu behalten und sind entscheidend für eine Reihe kritischer Netzwerkmanagement-Aufgaben, einschließlich der Korrelation und Analyse von Ereignissen. Damit lassen sich nicht nur Problemursachen bis hin zur Quelle verfolgen, sondern auch die Auslastung und Schwachstellen einzelner Netzwerkpfade, mit unterschiedlichsten Lastbedingungen, analysieren.

Netzarchitekturgrafik ermöglicht Fehleranalyse

Im Betrieb kann bereits ein einzelner Ausfall im Netzwerk wie etwa ein Leitungsbruch eine Flut von Alarmmeldungen verursachen, die aus unterschiedlichen, miteinander verbundenen Netzwerkknoten kommen. Die Kenntnis der Zusammenhänge – also der Pfade zwischen den Kommunikationsendpunkten – ist wichtig, um sekundäre Alarmsignale und korrelierende primäre Alarme herauszufiltern. Darüber hinaus ermöglicht eine vollständige Grafik über die Netzarchitektur, eine Analyse potenzieller Auswirkungen auf Leitungs- und Gerätefehler. Dies ist hilfreich bei der Planung hoch verfügbarer Anwendungen, bei der sich mit Hilfe von Topologiegrafiken Schwachstellen erkennen und redundante Netzwerkkomponenten sowie zusätzliche Verbindungen einfügen lassen.

Automatische Aktualisierung spart Zeit

Zur Navigation auf Straßen ist aktuelles Kartenmaterial wichtig, um schnell und ohne Umwege zum Ziel zu gelangen. Das Gleiche trifft auch auf das Topologiekartenmaterial moderner Automatisierungsanlagen zu, die zum Beispiel sehr flexibel drahtlos vernetzt sind oder in denen Anlagenteile und Geräte im Netzwerk ausgetauscht oder ergänzt werden. Die Änderungsgeschwindigkeit von Portverbindungen und Adressierungsdaten machen manuelle Anpassungen der Topologieinformationen zu einer arbeitsintensiven, wenn nicht sogar unmöglichen, Aufgabe. Ohne automatisierte Lösungen für die Erfassung der Netzwerkarchitektur wäre der Instandhalter zur regelmäßigen Eingabe dieser Informationen gezwungen. Werkzeuge zum automatischen Erkennen von physikalischen Netzwerktopologien ersparen hier nicht nur wertvolle Arbeitszeit, sondern verhindern auch Fehleingaben. Per Hand projektierte Netzstrukturen können immer nur bekannte Geräte und Verbindungen abbilden. Doch projektierte Geräteanordnungen sind durch Veränderungen – etwa den Einsatz von neuer Geräte oder fehlerhafte Verbindungen – schnell veraltet.

Standards für die Topologieerkennung

Es ist keine triviale Aufgabe sämtliche Geräte im Ethernet zu identifizieren und zu einer globalen und möglichst lückenlosen Netzwerktopologie zusammenzufassen. Denn zusätzlich zum ‚Wissen‘ über die Endgeräte benötigt die automatische Erkennungsfunktion auch noch die Information über Switches und WLANs im Netzwerk. Diese sind jedoch für die eigentliche Kommunikation zwischen den Endgeräten transparent: Sie leiten die Datenpakete einfach weiter, ohne an der Kommunikation teilzunehmen. Glücklicherweise lassen sich aber Protokolle wie das Internet Control Message Protocol (ICMP), Address Resolution Protocol (ARP) und das Simple Network Management Protocol (SNMP) dazu nutzen, Topologiedaten aus dem Netzwerk zu ermitteln wie etwa die pro Port ‚gelernten‘ MAC-Adressen.

Diese Daten können jedoch lückenhaft oder veraltet sein, wenn über einen Port längere Zeit nicht kommuniziert wurde oder der Switch diese Daten nicht stets aktualisiert. Daher wurde mit dem ‚Link Layer Discovery Protocol‘-Standard (LLDP) nach IEEE 802.1AB ein zuverlässigeres Verfahren zur Nachbarschaftsermittlung – auch bei Profinet – eingeführt. Mit Hilfe des Protokolls erfassen die Geräte im Netzwerk zyklisch die Informationen ihrer direkten Nachbarn und speichern diese in einer Management Information Base (MIB) – zu Teilen definiert in RFC2922 – pro Gerät ab. Die gegenseitige Erkennung über LLDP setzt jedoch voraus, dass diese Funktion durchgängig verwendet wird.

In einem großen Netzwerk kann es allerdings Geräte geben, die diesen Standard nicht unterstützen. Hinzu kommen modellspezifische Unterschiede bei den über SNMP angebotenen Daten. Folglich müssen Topologiewerkzeuge verschiedene Quellen nutzen und eventuelle Datenlücken durch spezielle Algorithmen ausgleichen können. Sind diese Lücken zu groß oder die Ergebnisse mehrdeutig, dann bleibt immer noch die Korrektur durch den Anwender. Die automatische Topologieerkennung funktioniert jedoch immer, wenn standardisierte Netzwerkkomponenten mit SNMP und Profinet-Unterstützung eingesetzt werden.

Netzwerkmanagement-Werkzeuge für die Industrie

Die Bandbreite der verfügbaren SNMP-Werkzeuge erstreckt sich vom einfachen Freeware Tool aus dem Internet bis hin zu umfassenden Systemen für das Netzwerkmanagement in Unternehmen mit Kosten um 100.000 Euro. Diese Werkzeuge beschränken sich längst nicht mehr auf das Management von Netzwerken. Sie erfordern zu dem hohen Preis auch das Experten-Know-how eines IT-Administrators, der damit auch Datenbank- oder Email-Anwendungen der vielen PC und Server in einem Unternehmen überwachen kann. Die Überwachung der ‚Switchtopologie‘, das heißt die Portverschaltung zwischen den Geräten, spielt in der klassischen IT meistens eine untergeordnete Rolle. Die IP-Adressen des Netzwerks werden in IT-Werkzeugen oft nur zu Subnetzen gruppiert und die Verbindung der Subnetze über Router oder Layer-3 Switches angezeigt. Solche Router- oder Layer-3-Topologien bilden jedoch nur einen kleinen Bruchteil von Industrienetzwerken ab, da alle physikalischen Verbindungen auf der Portebene innerhalb dieser Subnetze fehlen.

Topologie-Konzepten aus der Feldbuszeit begegnen

Darüber hinaus sind die Netzwerke in Automatisierungsanlagen nicht nur stern- oder baumförmig strukturiert, sondern häufig an die Maschinenkonzepte aus der Feldbuszeit angepasst. So sind Industrial-Ethernet-Switches oft weit über die Anlage verteilt, haben nur wenige Ports und werden sehr häufig in Linien- und redundanten Ringstrukturen – wie zum Beispiel dem ‚Media Redundancy Protocol‘ (MRP) – vernetzt. Industrielle Netzwerkmanagement-Werkzeuge wie Sinema Server von Siemens können diese speziellen Netzwerkarchitekturen erkennen und darstellen. Zur zyklischen Geräte- und Topologieüberwachung nutzt diese Lösung neben SNMP auch die Profinet Protokolle ‚Discovery Configuration Protocol‘ DCP und LLDP.

Die gesammelten Diagnosedaten können auf unterschiedliche Art tabellarisch und topologisch über einen Webbrowser angezeigt werden und lassen sich auch noch über OPC und Web in Anlagen-BEdienoberflächen (HMI) wie Win CC oder PCS7 integrieren. Die Software bietet fertige Topologie-Darstellungen – aber auch solche, die der Anwender individuell mit seinem persönlichen Anlagenbild gestalten kann. Der Zugang zur Software ist rollenspezifisch mit einem Passwort geschützt und kann zur vereinfachten Bedienung personalisiert werden. Die Netzwerkdiagnose ist dadurch auf das Wesentliche reduzierbar. Im Fehlerfall wird der Instandhalter dann idealerweise durch ein leicht verständliches Topologiebild zum Ursprung des Problems geführt – und nicht durch eine Meldungsflut verunsichert.







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