Der Autor Thomas Ahlers ist Mitglied der Geschäftsleitung der Freudenberg IT und
Vorsitzender des Bitkom Arbeitskreises Industrie 4.0 Interoperabilität.

Konkreter Handlungsbedarf wird sichtbar

Aus Ergebnissen des IT Innovation Readiness Index lässt sich die Handlungsempfehlung an Fertigungsbetriebe ableiten, ihre Maschinen- und Betriebsdatenerfassung (MDE/BDE) rechtzeitig auf den Wechsel hin zum Echtzeit-Analysetempo vorzubereiten. Auch gilt es, die Analysestrategien in Bezug auf Kennzahlen oder ‚Key Performance Indikatoren‘ (KPI) mit Blick auf die Aufgaben in einer selbststeuernden Echtzeit-Fabrik der Zukunft zu überdenken. Der Ausbau von KPI- und Reporting-Funktionen kann schon jetzt Wettbewerbseffekte bedeuten – etwa, indem BDE/MDE-Informationen nach zusätzlichen Kriterien zusammengefasst, aggregiert und auf einfache Weise grafisch dargestellt werden. Denn dadurch kann im Vergleich zur manuellen Erfassung oder der Datenablage in ‚Inselsystemen‘ der Überblick zum aktuellen Produktionsgeschen steigen. Im Gegenzug kann das Produktionsgeschehen die Produktqualität in jedem Prozessschritt besser überwachen und bei Bedarf zeitnah nachsteuern. Auch für IT-Dienstleister legt der Report Schlussfolgerungen nahe: Es gilt, Lösungsbausteine – von MDE/BDE über KPI bis zum Fertigungsleitstand und der Personaleinsatzplanung – durch eine gemeinsame technologische Basis zu verbinden.

Dabei bietet sich etwa der Rückgriff auf Webtechnologie an, um die entsprechenden Dienste möglichst unabhängig von Endgerät oder Anlage – beispielsweise für mobile Anwendungen – zur Verfügung stellen zu können. Denn Industrie 4.0 fordert einen hohen Integrationsgrad, der mit proprietären Systemarchitekturen aller Voraussicht nach wenn überhaupt nur schwerlich realisierbar ist. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass es hierbei nicht allein um die horizontale Integration von Geschäftsprozessen geht, sondern gleichzeitig um die vertikale Verzahnung der Geschäftsprozessebene mit produktionsnahen Informationssystemen, einschließlich Mess- und Steueraggregaten. Denn das Szenario einer vollständig vernetzten, weitgehend selbststeuernden Fertigung ist nur möglich, wenn aus Sensordaten gewonnene Informationen in Unternehmensanwendungen wie dem Enterprise Resource Planning-System (ERP) in Echtzeit verfügbar sind. Die bevorstehende Industrierevolution erfordert folglich integrationsfähige MES-Technologien, die als Kern der ‚Smart Factory‘ dienen können.

Cloud Computing-Modelle: Aufklärung ist gefragt

Ein weiteres Studienergebnis belegt, dass trotz der insgesamt hohen ‚Industrie 4.0-Reife‘ noch viel Überzeugungsarbeit im fertigenden Mittelstand zu leisten ist: Zwar wird Cloud Computing inzwischen – auch im Hinblick auf das erforderliche Innovationstempo der IT – als Treiber für die Entwicklung hin zur Smart Factory angesehen. Allerdings lehnen noch mehr als 40 Prozent aller Fertigungsbetriebe dieses IT-Modell in ihrem Unternehmen ab. Vor allem in kleineren Firmen mit weniger als 500 Mitarbeitern lässt sich diese Entwicklung beobachten: So hegen 70 Prozent der Befragten in dieser Unternehmensgruppe Bedenken in Bezug auf Performance und Verfügbarkeit. Dieses Ergebnis steht in Kontrast zu der Tatsache, dass Cloud Computing gerade für die IT-Landschaft kleinerer Unternehmen ein Kostenhebel sein kann – nicht nur im Hinblick auf Servicequalität, sondern auch in Bezug auf Reaktionsschnelligkeit bei der Anpassung der IT an neue Anforderungen. Gleichzeitig konnten 34 Prozent der Befragten in Betrieben mit weniger als 500 Mitarbeitern keine Angabe dazu machen, ob für ihr Unternehmen eher ein Public oder ein Private Cloud-Konzept in Frage käme. Bei größeren Mittelständlern sahen sich lediglich 14 Prozent außerstande, zu diesem Thema eine klare Aussage zu treffen. Unkenntnis herrscht vielfach auch im Hinblick auf die Sicherheitsmechanismen der verschiedenen Cloud-Modelle vor.

So werden beispielsweise Sicherheitsbedenken gegen Public Clouds nicht selten auf Private Cloud-Modelle übertragen. Dabei unterscheidet sich eine Private Cloud mit Datenhaltung in der Bundesrepublik in puncto Sicherheit nicht grundsätzlich von konventionellen Hosting-Angeboten – und diese sind im industriellen Mittelstand mittlerweile allgemein akzeptiert. Die Beispiele zeigen: Für Unternehmen kann es sich lohnen, sich stärker mit aktueller IT-Technologie sowohl im Hinblick auf Hosting-Modelle als auch für den Einsatz im Kontext der industriellen Produktion auseinanderzusetzen. Denn nicht zuletzt von der Innovationskraft der IT wird es abhängen, wie erfolgreich mittelständische Fertigungsunternehmen auch die Herausforderungen einer kommenden Industrieepoche meistern.