Beitrag drucken

Aufträge nach Lastprofil planen

Günstiger produzieren mit Lastspitzenmanagement

Manufacturing Execution-Systeme haben sich als zuverlässige Instrumente zur Steigerung der Effizienz in Unternehmen bewährt. Betriebs- und Maschinendatenerfassung stehen meist an erster Stelle. Dass sich mithilfe der produktionsnahen Lösungen auch Energiekosten senken lassen, ist weniger bekannt. Werden den Fertigungsaufträgen jedoch Informationen über ihren Energieverbrauch zugeordnet, können diese bei der Auftragsplanung berücksichtigt werden, um preistreibende Überschreitungen von Leistungsgrenzen zu vermeiden.

Fertigungsaufträge haben unterschiedliche Lastprofile. Sind diese nicht bekannt, können leicht Leistungsgrenzen überschritten werden. Bild: Leitec GmbH

Wird im Industrieumfeld von Energiesparen gesprochen, stehen meist energiesparende Investitionen verbunden mit Reduzierung von Energieverlusten und effizientere Technik an erster Stelle. Austausch von Fenstern, Beleuchtungsanlagen, bessere Wärmedämmung, kleiner dimensionierte Hallenbeheizung, Rückgewinnung von ‚Verlustwärme‘ mit Wärmetauschern, neue Betriebsmittel mit geringerer Anschlussleistung stehen auf der Agenda. Diese Kosten können die geplanten Einsparungen zunächst übertreffen. Eine Alternative dazu ist es, Energiekosten mithilfe eines Manufacturing Execution-Systems (MES) zu senken. Im MES sind Funktionskomponenten und Module zusammengefasst, die jeweils für Entlastung und Effizienzgewinn auf Werkhallen-Ebene sorgen sollen. Mit Erfassen von Stillstandszeiten, Betriebs- und Maschinenlaufzeiten ist zudem eine Basis für Verbesserungsprozesse geschaffen.

Neben der Datenermittlung dienen andere MES-Module der Fertigungsplanung und dem Verbrauch von Ressourcen. Darunter werden meist Rohstoffe und Materialien verstanden, welche für den Fertigungseinsatz notwendig sind. Aufgrund anhaltend steigender Energiekosten kann es sich jedoch lohnen, ‚Energie‘ als weitere Ressource im MES zu verwalten. Rohstoffe und Materialien sind für jeden Fertigungsauftrag per Stückliste oder Rezeptur in Menge und Qualität festgelegt. Der Energieeinsatz hängt hingegen vom Einsatz der Fertigungsanlagen und dem Zeitpunkt des Anlagenbetriebes ab. Häufig stehen mehrere Anlagen mit unterschiedlichen Leistungswerten zur Verfügung, um ein Produkt fertigen zu können. Anlagendaten sind ‚Grunddaten‘ in MES-Systemen und stehen meist ohne Zusatzaufwand zur Verfügung.

Im Bild: Autor Dr.-Ing. Volkmar Neumeyer, Geschäftsführer der Newleitec UG

Leistungspreis senken

Ein Ansatz zu Senkung der Energiekosten unter Einbindung von MES setzt bei dem Modul ‚Auftragsplanung‘ an. Diese gliedert sich in die drei Phasen Grobplanung, Feinplanung der Vorprodukte und Feinplanung der Fertigprodukte. In der Grobplanung werden Fertigungsaufträge mit Terminen, Mengen, Stücklisten et cetera aufgelistet, ohne dass eine Zuordnung zu Anlagen erfolgt. Der Grobplan wird meist im Enterprise Resource Planning-System (ERP) ohne Beteiligung des MES bereitgestellt. Die Feinplanung wird aus dem Grobplan abgeleitet und berücksichtigt Anlagenbelegung mit Belegungszeiten, Besonderheiten in der Reihenfolge und vieles mehr. Hier kommt häufig die Shopfloor-IT zum Einsatz, um alle Fertigungsschritte vom Auftrag bis zur Lieferung zu planen. Die Summe der parallel betriebenen Anlagen und Hilfsaggregate bestimmt zu jedem Zeitpunkt den Energiebedarf im Schichtverlauf. Die Energieversorgung für einen Fertigungsbereich wird meist so dimensioniert, dass bei höchster Auslastung der Anlagen zuverlässiger Betrieb gesichert ist. Früher wurden hohe Anschlussleistungen, gekoppelt an den Leistungspreis, mit günstigen Preisen je Kilowattstunde vergütet. Das hat sich mit Beginn der Energiewende geändert.

Je höher die Versorgungsleistung, um so kritischer ist die problemlose Bereitstellung vom Versorgungsunternehmen in Zeiten hohen Energiebedarfes. Toleriert werden über die Vertragsleistung hinausgehende Lastspitzen innerhalb einer 15-Minuten Messperiode, aber ‚bestraft‘ mit hohem Preisaufschlag. Dieser ist bei einmaliger Überschreitung im 15-Minuten Messintervall für eine vereinbarte Zeitperiode, zum Beispiel innerhalb eines Jahres, wirksam. Um den Einfluss der kostentreibenden Lastspitzen zu vermeiden, setzen Unternehmen ‚Spitzenlastbegrenzer‘ mit Lastabwurf ein. Der Lastabwurf wirkt, wenn der Leistungswert innerhalb einer 15-Minuten-Messperiode den vereinbarten Leistungswert überschreiten würde. Fertigungseinrichtungen mit rotierenden Antriebselementen wie Rührwerke und Pumpen kommen für die Lastabwurftechnik allerdings weniger infrage, weil unkontrolliertes Ausserbetriebsetzen als Störungen oder ungeplante Unterbrechung des Fertigungsverfahrens registriert wird. Das kann zu Qualitätseinbußen und Zusatzkosten führen. Die begrenzte Zahl von geeigneten Betriebsmitteln und die limitierte Abschaltzeit machen die Lastabwurftechnik daher wenig praktikabel. Das führt nicht selten zu überdimensionierter Anschlussleistung und hohem Leistungspreis. Reduzierte Lastspitzen bringen niedrigere Kilowattstunden-Preise. Geeignete MES-Lösungen können dafür sorgen, dass ausgewählte Leistungsgrenzen eingehalten werden.

Einbindung der Fertigungsplanung

Dazu müssen Planer die Leistungsgrenze vor Beginn der Fertigung durch die Auswahl der Anlagenkombination im Zusammenspiel mit dem MES einhalten. Der kostengünstigste Betrieb der Fertigung ist dann ereicht, wenn eine Leistungsgrenze trotz hoher Auslastung der Fertigung nicht überschritten wird. Um den Aufwand für Planer möglichst gering zu halten, sollten MES unterstützende Funktionen mitbringen, ohne die Termin-, Anlagen- und Rohstoffsituation zu vernachlässigen. Dazu können Systeme Aufträge so anordnen, dass die vorher ermittelten und zugeordneten Energieverbräuche pro Auftrag in ihrer Summe den Leistungsgrenzwert nicht überschreiten. Daraus resultiert eine veränderte Terminsituation, auf die Planungswerkzeuge unter Berücksichtung fälliger Liefertermine reagieren müssen.

Abweichung der Lastprofile erfassen

Auftragsplanung bezieht sich auf die Zukunft. Das tatsächliche, gemessene ‚Lastprofil‘ wird vom geplanten abweichen. Dazu ist ein Messsystem zu installieren, welches den tatsächlichen Leistungsverlauf für den Fertigungsbereich ermittelt und mit dem geplanten vergleicht. Viele MES-Lösungen enthalten bereits Datensammler ‚in Echtzeit‘. Die Abweichung zwischen geplantem und gemessenem Leistungswert wird im Gleichzeitigkeitsfaktor erfasst. Der Faktor zeigt Reserven im Leistungsverlauf. Die reduzierte Leistungsgrenze kann möglicherweise nach einer Erprobungszeit weiter abgesenkt werden.

Dampf-Thermalöl-Bereitstellung

Weiteres Einsparpotenzial kann sich aus dem Einsatz von Manufacturing-Lösungen in der Verfahrenstechnik ergeben. Hier werden häufig Energieträger wie Dampf und Thermalöl eingesetzt. Diese müssen meist mit hohem Leistungsbedarf erzeugt werden. Werden Aufträge, die derartige Hilfsenergie benötigen, nur an wenigen, zusammenhängenden Wochentagen gefertigt, können die erzeugenden Anlagen an den anderen Tagen etwa in einer Woche mit reduzierter Temperatur gefahren werden. Mit geringeren Temperaturwerten verringern sich die Verluste, der Aufwand für die Erzeugung der Energieträger sinkt. Das Einsparpotenzial kann je nach Transportleitungen erheblich sein. Die durch die Energiewende verursachten Kosten können mit diesen Maßnahmen möglicherweise kompensiert werden. Aus dieser Sicht könnte die Installation einer geeigneten MES-Lösung eine lohnende Investition darstellen.

Leistungsgrenzen lassen sich durch Änderung der Auftragsfolge einhalten. Bild: Leitec GmbH


Das könnte Sie auch interessieren:

Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka, Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) wird der 11. Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft und löst Prof. Dr.-Ing. Reimund Neugebauer nach fast elf Jahren ab.‣ weiterlesen

Christian Thönes, Vorstandsvorsitzender bei DMG Mori, hat am Donnerstag sein Amt niedergelegt. Sein Vertrag wurde im Rahmen einer Aufsichtsratssitzung einvernehmlich beendet. Alfred Geißler wurde vom Aufsichtsrat zum Nachfolger bestellt.‣ weiterlesen

Microsoft feiert 40. Geburtstag in Deutschland und eröffnet ein europäisches Experience Center in München. Es ist eines von vier Experience Centern weltweit.‣ weiterlesen

Expertinnen und Experten der Plattform Lernende Systeme beleuchten in einem neuen Whitepaper, wie es um die Entwicklung europäischer bzw. deutscher KI-Sprachmodelle bestellt ist.‣ weiterlesen

Cyber-physikalische Systeme (CPS), wie etwa Autos oder Produktionsanlagen, stecken voller elektronischer und mechanischer Komponenten, die von Software gesteuert werden. Jedoch ist es eine Herausforderung, die Systemarchitekturen solcher Systeme fortwährend konsistent zu halten. Neue Methoden dafür soll ein Sonderforschungsbereich (SFB) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickeln.‣ weiterlesen

Mit der Akquisition der Pod Group hat G+D bereits 2021 sein Portfolio im IoT-Bereich erweitert. Durch den Erwerb von Mecomo geht das Unternehmen nun einen weiteren Schritt in Richtung IoT-Komplettanbieter im Transport- und Logistikbereich.‣ weiterlesen

Die Grimme-Gruppe produziert individuell konfigurierte Landmaschinen. Was für den Wettbewerb Vorteile bringt, ist allerdings mit großem Aufwand verbunden - so verwaltete Grimme Kundenanfragen lange über ein Excel-Tool. Mit dem Softwareanbieter Slashwhy zusammen wurde dies durch ein webbasiertes Anfragemanagement-Programm abgelöst.‣ weiterlesen

Die Software Moryx hilft der Fertigungssteuerung, Maschinen schnell auf einen neuen Kurs zu bringen oder sie für den nächsten Auftrag anzupassen. Mit seinen einheitlichen Bedienoberflächen und seiner niedrigen Einstiegshürde ist das Tool von Phoenix Contact insbesondere auf den Einsatz in Fertigungen mit der Losgröße 1 ausgerichtet.‣ weiterlesen