Der erste, funktionsfähige Prototyp der Ibi360 sah ganz anders aus als das spätere Produkt: Neben Aufbau, Anordnung und Orientierung der Leiterplatten wurde das Gehäusedesign verändert, um sowohl das haptische Erlebnis des Anwenders zu verbessern als auch Anforderungen für die Produktion in Großserie Rechnung zu tragen. Bild: PTC

Durchgängige Modellierung vom ersten Entwurf an

Mit Ausnahme der Leiterplatten wurden Gehäuse und Innenleben der Kamera durchgängig in PTC Creo 2.0 modelliert, und zwar vom ersten Konzeptentwurf bis zum finalen Produktmodell. „Das ist der Grund, warum wir in der Entwicklung so schnell waren“, versichert Lepage. „Ich arbeite seit 20 Jahren mit der 3D-Software von PTC, was für einen Industriedesigner vielleicht ein bisschen ungewöhnlich ist, aber sie bietet ausgezeichnete Fähigkeiten bei der Flächenmodellierung. Die Arbeit an einem integrierten Modell hat den riesigen Vorteil, dass ich noch sehr spät im Designprozess massive Änderungen vornehmen kann, was gerade bei der Entwicklung eines brandneuen Produktes häufig vorkommt.“ Die Modelle der Leiterplatten mit den jeweiligen Bauteilhöhen importierten die Ingenieure bei jeder Änderung im IDF-Format, was die Abstimmung vereinfachte.

Dabei machten die Designer relativ wenig Gebrauch von den direkten Modellierfunktionen, die zu den wesentlichen Neuerungen der aktuellen Version des 3D-Systems gehören. Vielmehr starteten sie direkt mit der parametrischen Modelliertechnik, um ein einfaches Skelettmodell mit wenigen Flächen aufzubauen, das dann als Referenz für Hunderte von Bauteilen diente.

„Wir Designer sind es gewohnt, mit Leitkurven zu arbeiten. Es reicht nicht aus, Flächen ansprechend zu gestalten, man muss sie auch kontrolliert modifizieren können“, sagt Lepage. Die meisten Ingenieure im Unternehmen hatten keinerlei Erfahrung mit dem System. Obwohl sie aus Zeitmangel keine externe Schulung erhielten, dauerte es nicht mal einen Tag, bis die Entwickler mit der Software umgehen konnten. Der auffälligste Unterschied gegenüber Wildfire 5 ist, dass die Benutzerführung komplett umgestaltet wurde, wie Lepage erläutert: „Sogar die Designer, die vorher mit anderen CAD-Systemen gearbeitet hatten, waren nach wenigen Tagen von Creo begeistert, weil die Software gerade bei der Modellierung von komplexen Flächen deutlich überlegen ist. PTC hat sie für das Design um die Möglichkeit erweitert, komplexe Kurven fünfter Ordnung beziehungsweise Flächen mit einer entsprechend hohen Stetigkeit zu erzeugen.“ Von der kommenden Systemversion 3.0 verspricht sich Lepage weitere Produktivitätssteigerungen: „Insbesondere die Multi-CAD-Funktionalität ist für uns sehr wichtig, weil wir Komponenten von Zulieferern verbauen, die mit anderen CAD-Systemen arbeiten. Während meines ganzen Designerlebens hatte ich immer Probleme, mit Fremddaten zu arbeiten, entweder weil ihre Qualität schlecht war oder man mit ihnen nichts mehr anfangen konnte. Import und Aufbereitung sind der größte Zeitfresser im Prozess. Wenn es gelänge, sie direkt in den Arbeitsfluss zu integrieren, würde das alles verändern.“

Ausgelegt für sehr große Stückzahlen

Die Anwender nutzten ziemlich alle Funktionen, die ihnen die aktuelle Software bietet, insbesondere das ISDX-Modul für die interaktive Modellierung von Freiformflächen. Mit Hilfe der Behavioural Modeling eXtension (BMX) stellten sie sicher, dass bei der Flächenmanipulation immer das maximale Volumen des Innenraums erhalten blieb. Lediglich für die Erzeugung fotorealistischer Ansichten exportierten sie Daten an ein externes Programm, um Renderings schneller erzeugen zu können als mit den integrierten Funktionen. Finite-Elemente-Analysen vergab das Unternehmen aus Zeitgründen an einen externen Dienstleister, obwohl in der Software entsprechende Funktionen zur Verfügung stehen. Eine der Vorgaben bei der Entwicklung war, dass das Produkt sehr einfach zu montieren sein sollte, um es mit der erforderlichen Qualität in großen Stückzahlen herstellen zu können: „Es macht einen Riesenunterschied, ob man ein paar Tausend Produkte oder aber viele Millionen auf den Markt bringen möchte“, sagt Lepage. Die Ingenieure nutzten deshalb die Kinematik-Funktionen der 3D-Software, um den Montageprozess Schritt für Schritt zu simulieren und zu optimieren. Als die Kamera praktisch schon fertig war, wurde die Anordnung der Leiterplatten noch einmal komplett ‚umgekrempelt‘, mit dem Erfolg, dass die Montagezeiten halbiert werden konnten. Die erste Kamera mit Rundumsicht soll demnächst auf den Markt kommen – in fünf verschiedenen Farben und mit vielen Accessoires, wie sich das für ein Lifestyle-Produkt gehört. Der Preis wird anfänglich über dem einer kompakten Digitalkamera liegen, dürfte aber mit wachsenden Verkaufszahlen sinken. „Die Nachfrage ist jetzt schon riesig“, sagt Lepage. „Wir könnten mehr verkaufen als geplant, aber wir wollen die Produktion langsam hochfahren, um ihre Zuverlässigkeit sicherzustellen.“ Tamaggo will schließlich eine ganze Produktfamilie auf den Markt bringen.