Fachkräftemangel

149.000 IT-Jobs unbesetzt

Fast 150.000 Stellen für IT-Fachkräfte sind laut einer Studie des Branchenverbands Bitkom unbesetzt. Im Schnitt sind entsprechende Stellen 7,7 Monate unbesetzt. Herausforderungen ergeben sich dabei extern wie auch intern.

 (Bild: Bitkom e.V.)
(Bild: Bitkom e.V.)

In deutschen Unternehmen sind nach Angaben des Branchenverbands Bitkom aktuell 149.000 Stellen für IT-Expertinnen und -Experten unbesetzt, noch einmal 12.000 mehr als vor einem Jahr. Das sind Ergebnisse einer Befragung des Bitkom-Studie zum Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte, für die 853 Unternehmen aller Branchen repräsentativ befragt wurden. Nur während der Corona-Pandemie 2020 und 2021 wurde der kontinuierliche Anstieg der vergangenen Jahre unterbrochen, und die Zahl offener Stellen fiel kurzzeitig unter die Marke von 100.000.

„Der Mangel an IT-Fachkräften besteht in Deutschland unabhängig von Konjunkturzyklen und ist ein systemisches Problem der deutschen Wirtschaft. Zu wenig Fachkräfte und zu viel Regulierung bremsen das digitale Deutschland“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. „Davon ist neben den Unternehmen zunehmend auch die öffentliche Verwaltung betroffen, die unbedingt mehr Digitalkompetenz braucht. Der Mangel an IT-Fachkräften wird sich durch die demografische Entwicklung in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Politik und Unternehmen müssen schnell und massiv gegensteuern.“

Aktuell halten 2 Prozent der befragten Unternehmen das Angebot an IT-Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt für ausreichend, vor einem Jahr waren es noch 8 Prozent. Zugleich sagen 70 Prozent (2022: 74 Prozent), es herrsche ein Mangel an IT-Fachkräften. Und mit Blick auf die Zukunft überwiegt die Skepsis: Nur 3 Prozent erwarten, dass der Mangel abnehmen wird (2022: 2 Prozent), aber 77 Prozent befürchten, dass sich die Situation verschärft (2022: 70 Prozent). Bereits heute merken 6 von 10 Unternehmen (60 Prozent), dass sich Stellen für IT-Fachkräfte langsamer besetzen lassen als andere Stellen, im Schnitt bleiben freie Positionen 7,7 Monate unbesetzt. Vor einem Jahr waren es noch 7,1 Monate. In jedem fünften Unternehmen (21 Prozent) liegt der Schnitt bei 10 bis 12 Monaten, bei 4 Prozent ist es sogar mehr als ein Jahr.

Studium: Hohe Abbrecherquote

Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen eines Studiums der Fächergruppe Informatik ist 2022 leicht gestiegen, von 32.125 auf 34.385. Aufgenommen haben ein solches Studium zuletzt 72.389 Personen. „Es studieren immer noch zu wenig junge Menschen und vor allem auch zu wenig Frauen Informatik. Und die Abbrecherquote liegt dauerhaft über 50 Prozent und ist damit viel zu hoch. Den steigenden Bedarf an IT-Fachkräften werden wir aus den Hochschulen nicht decken können“, so Wintergerst.

In den vergangenen zwölf Monaten wurden IT-Stellen am häufigsten mit Personen besetzt, die eine duale Berufsausbildung wie Fachinformatik abgeschlossen haben (44 Prozent). Einen IT- oder IT-nahen Hochschulabschluss hatten 16 Prozent, 17 Prozent haben ein solches Studium zwar begonnen, aber nicht abgeschlossen. Und rund ein Viertel (23 Prozent) sind Quereinsteiger.

Gehalt, Qualifikation und interne Gründe

3 Prozent der Unternehmen geben an, keine Probleme bei der Besetzung von IT-Stellen zu haben. Jedes vierte Unternehmen (26 Prozent) erhält laut Befragung faktisch keinerlei Bewerbungen auf Jobangebote für IT-Fachkräfte. Darüber hinaus gibt es weitere Herausforderungen, wie etwa die Gehaltsvorstellungen: Hier geben 61 Prozent an, das diese nicht zum gewachsenen Gehaltsgefüge des Unternehmens passen. Für 56 Prozent passen die Gehaltsvorstellungen nicht zu den jeweiligen Kompetenzen (56 Prozent). 46 Prozent der teilnehmenden Unternehmen gibt zudem an, dass Bewerberinnen und Bewerber häufig auch fachlich unterqualifiziert seien oder es ihnen an den notwendigen Soft-Skills fehle (41 Prozent). 35 Prozent der Unternehmen sehen fehlende Deutschkenntnisse als eine Schwierigkeit, 18 Prozent fehlende Fremdsprachenkenntnisse. 11 Prozent haben spezifische Anforderungen an Kenntnisse über neueste Technologien, die nicht erfüllt werden – nur 3 Prozent beklagen fachlich überqualifizierte Bewerbungen.

Aber es gibt auch Gründe, die in den Unternehmen selbst liegen: 40 Prozent räumen ein, dass sie die Anforderungen an mobiles Arbeiten nicht erfüllen können, 29 Prozent fordern Reisebereitschaft oder Umzug. Rund ein Fünftel (19 Prozent) der Unternehmen kann die Wünsche nach Weiterbildung nicht erfüllen, fast ebenso viele (18 Prozent) stellen fest, dass sie ihre Personalentscheidungen zu langsam treffen. Und 6 Prozent halten die Bewerber für zu alt.

Unternehmen verstärken Weiterbildungsanstrengungen

Angesichts des schwierigen Arbeitsmarktes für IT-Fachkräfte setzen Unternehmen verstärkt auf Weiterbildung. 54 Prozent verfügen über eine zentrale Weiterbildungsstrategie, um digitale Kompetenzen zu vermitteln. 2017 waren es 37 Prozent. 67 Prozent bilden die eigenen Beschäftigten in diesen Bereichen weiter, das ist fast eine Verdopplung innerhalb der vergangenen sechs Jahre (2017: 37 Prozent). 70 Prozent sagen, dass Unternehmen selbst für die Weiterbildung der Beschäftigten zu Digitalthemen verantwortlich seien. Allerdings geben 34 Prozent auch an, dass Beschäftigte keine Lust auf einschlägige Weiterbildungen hätten. Bei 34 Prozent der Befragten fehlt die Zeit für Weiterbildungen, 22 Prozent können sich nach eigenen Angaben solche Weiterbildungen nicht leisten. 31 Prozent beklagen ein zu unübersichtliches Angebot an Weiterbildungen.

Rekrutierung aus dem Ausland?

Die Rekrutierung von IT-Fachkräften aus dem Ausland ist nur für ein Fünftel der Unternehmen (22 Prozent) ein Thema. Seit Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes 2020 haben das 8 Prozent versucht, weitere 14 Prozent können es sich für die Zukunft vorstellen. Jene Unternehmen, die im Ausland rekrutiert haben, beklagen zu wenig Informationen über den Einwanderungsprozess (75 Prozent) sowie einen sehr hohen bürokratischen Aufwand (67 Prozent). 44 Prozent sagen, dass die Visum-Erteilung zu lange gedauert habe, bei 8 Prozent wurde ein Visum abgelehnt. Ein Viertel (24 Prozent) sieht fehlende Deutschkenntnisse bei den Bewerberinnen und Bewerbern als Problem und 5 Prozent, dass deren Qualifikationen hierzulande nicht anerkannt wurden.

80 Prozent der teilnehmenden Unternehmen von ihnen klagen über bürokratische Hürden. 6 von 10 Unternehmen (62 Prozent) geben außerdem an, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ausländerfeindlichkeit berichten. Jeweils rund die Hälfte hatten Probleme bei der Wohnungssuche (47 Prozent) und beim Familiennachzug (46 Prozent). In 30 Prozent der Unternehmen gibt es Probleme bei der sprachlichen oder kulturellen Integration und in jedem zehnten (10 Prozent) sind laut Bitkom Anfeindungen am Arbeitsplatz vorgekommen.

Kann KI helfen?

Rund die Hälfte der Unternehmen (48 Prozent) glaubt, dass KI im eigenen Unternehmen dabei helfen kann, den Fachkräftemangel zu lindern. Jeweils 4 von 10 Unternehmen erwarten, dass nahezu alle Beschäftigten mit KI in Berührung kommen werden (43 Prozent) und dass sich nahezu alle Tätigkeiten im Unternehmen durch KI verändern werden (40 Prozent). 44 Prozent gehen davon aus, dass KI die Beschäftigten im Unternehmen überfordern wird, 38 Prozent bieten entsprechende Weiterbildungen an.

Dabei erwarten die Unternehmen, dass KI die Beschäftigten bei Standardaufgaben entlasten wird (57 Prozent), bei der individuellen Weiterbildung helfen (51 Prozent) und IT-Fachkräfte unterstützen kann, etwa beim Programmieren (42 Prozent). 40 Prozent meinen, dass KI das Schreiben von Arbeitszeugnissen übernehmen wird. Ein Drittel sieht Potenzial bei der Bewertung von Arbeitsleistungen (32 Prozent) oder der Vorauswahl von Bewerberinnen und Bewerbern (31 Prozent). Rund ein Viertel hält den KI-Einsatz bei der Bewertung der Arbeitsbelastung (26 Prozent) und dem Onboarding (23 Prozent) neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für möglich. 15 Prozent gehen davon aus, dass KI bei keiner dieser Aufgaben unterstützen kann.