ERP-Zufriedenheitsstudie 2016

Klagen auf hohem Niveau

Seit zwölf Jahren untersucht die Trovarit AG in ihrer Studie ‚ERP in der Praxis: Anwenderzufriedenheit, Nutzen und Perspektiven‘, wie Lösungen für das Enterprise Resource Planning eingesetzt werden, welche Erfahrungen Anwender bei Implementierung sowie Betrieb machen und wie zufrieden sie mit Software und Wartungspartner sind. Die Untersuchung zeichnet einen insgesamt sehr hohen Zufriedenheitsgrad der Anwender mit ihren Systemen, auch wenn etwa im Bereich Mobile Computing die Erwartungen und die Realität noch weiter auseinanderklaffen als in früheren Untersuchungen.



Bild: Trovarit AG

Für ihre aktuelle ERP-Praxisstudie hat die Trovarit AG 2545 Teilnehmer befragt. Davon stammt ein gutes Drittel aus dem fertigenden Mittelstand. Die Gesamtbewertung der Zufriedenheit liegt in dieser Gruppe im Bereich der Schulnote ‘Gut’ und hat sich im Vergleich zu 2014 kaum verändert. Offensichtlich werden die Erwartungen der Anwender insgesamt erfüllt. Ein Blick auf die 39 untersuchten Zufriedenheitsaspekte zeigt allerdings ein sehr viel differenzierteres Bild. Lag die Zufriedenheit mit der mobilen Einsetzbarkeit der ERP-Systeme schon vor zwei Jahren an letzter Stelle, sank sie 2016 nochmals spürbar. Offensichtlich geht die Schere zwischen den Erwartung der Anwender in Bezug auf Mobile Computing und ihrer Realität weiter auseinander. Vielen Anwendern reicht es nicht, per Laptop und Webzugang auf ihre ERP-Lösung zuzugreifen. Vielmehr wollen sie System-Unterstützung für ihr Smartphone und ihren Tablet-PC. Eine Umstellung von ERP-Software auf eine App-ähnliche Nutzungscharakteristik bringt jedoch technologische Herausforderungen mit sich. Dazu zählen Plattformunabhängigkeit, kontext-sensitive Benutzeroberflächen sowie die Use Case-spezifische Umstrukturierung ganzer Business-Softwares. Angesichts der Dauer der notwendigen Entwicklungsarbeiten sowie der Modernisierung der ERP-Installationen im Zuge von Release-Wechseln wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis diese Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf breiter Front geschlossen werden kann.

Lückenhafte Dokumentation



Rainer Sontow ist Senior Analyst bei der Trovarit AG.

Die Dokumentation der Systeme bietet ebenfalls Anlass zur Kritik an ERP-Lösungen. Dabei wirken mehrere Mechanismen zusammen: Die Lösungen werden umfassender und ihre Bedienung anspruchsvoller. Damit steigen die Anforderungen an die technische Dokumentation – aber auch an Schulungsunterlagen für den Anwender. Gleichzeitig steigen Innovationsfrequenz und -umfang seitens der Softwarehersteller. Der Schulungs- und Informationsbedarf steigt dadurch insgesamt deutlich. Gleichzeitig erfordert die zielgruppengerechte, aktuelle Dokumentation einer umfassenden Software sehr viel Aufwand und Kosten, was viele Anwender ungerne investieren – auch weil der Schulungs- und Informationsbedarf zunächst nicht so offensichtlich ist. Diese Problematik verschärft sich mit dem Umfang der Software-Pakete sowie mit dem Grad der kundenspezifischen Individualisierung, etwa im Projektgeschäft. Viele Anbieter haben das Problem der Dokumentation zwar erkannt. Sofern sie diesbezüglich Maßnahmen ergriffen haben, treffen viele moderne Präsentationsformen wie Wikis, kontextsensitive Hilfen oder Online-Tutorials auf überschaubare Resonanz bei den Anwendern.

Probleme mit der Software




Die häufigsten Probleme im Betrieb von ERP-Systemen. Bild: Trovarit AG

Neben den Angaben zu ihrer Zufriedenheit wurden die Teilnehmer der Studie nach den konkreten Herausforderungen befragt, die sie bei der Einführung und im Betrieb der Systeme erleben. Nur 13 Prozent der Teilnehmer gaben an, keinerlei größere Schwierigkeiten in ihren Implementierungsprojekten erlebt zu haben. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 87 Prozent der Einführungen von ernsten Problemen überschattet wurden. Mit einigem Abstand am häufigsten wurden dabei Schwierigkeiten bei der Datenaufbereitung und -übernahme genannt. Zu den weiteren Knackpunkten gehören die sich stark gegenseitig beeinflussenden Aspekte geringe Anwender-Ressourcen, knapper Zeitplan, Menge der Systemanpassungen und Abbildung der Unternehmensprozesse. Immerhin jeder zehnte Teilnehmer gab darüber hinaus an, dass unklare Anforderungen an das anzuschaffende System zu größeren Schwierigkeiten im Projekt geführt haben. Gefragt nach den Problemen im Betrieb der ERP-Systeme gab nur ein Viertel der Teilnehmer einen weitgehend reibungslosen Betrieb an. Auf den vorderen Plätzen der Liste häufiger Problemfelder liegen bei mittelständischen fertigenden Unternehmen unangemessenen Aufwand für Upgrades und Releases, Probleme mit der Bedienerfreundlichkeit, der mobilen Einsetzbarkeit sowie Schwierigkeiten der Anbindung anderer Anwendungen über Schnittstellen.

Themen und Trends



Die Bedeutung aktueller ERP-Trends aus Anwendersicht. Bild: Trovarit AG

Die Studie zeigt, dass sich Umgang und Erwartungshaltung der Anwender im Hinblick auf ERP-Software mit der Zeit deutlich verändern. An der Spitze der aktuellen Themen und Trends rangieren 2016 Themen wie Daten- und Informationssicherheit (besonders relevant für ca. 78 Prozent der Teilnehmer), Benutzerfreundlichkeit, die Einhaltung und Unterstützung rechtlicher Vorgaben, der zunehmend mobile ERP-Systemeinsatz und Fragen der Vernetzung von ERP-Software über Schnittstellen. ERP-Systeme spielen die zentrale Rolle in der betrieblichen Software-Landschaft. Sie führen die wichtigsten Stamm- und Bewegungsdaten und dienen als Datendrehscheibe für die Mehrzahl der in einem Unternehmen eingesetzten Software-Anwendungen. Vor dem Hintergrund zunehmender auch überbetrieblicher Vernetzung und Mobilität der Anwendungen steigen die Anforderungen an Mechanismen für den Datenschutz auch auf der Geschäftsebene an. Der Stellenwert der Software-Ergonomie ist einerseits vor dem Hintergrund eines immer umfassenderen Einsatzes der meist recht komplexen ERP-Lösungen zu sehen. Gleichzeitig stellt die Erfahrung mit der mobilen Nutzung von Software per Tablet-Computer oder Smartphone offenbar einen neuen Benchmark für die Anwenderfreundlichkeit von Business Software dar, der auch im ERP-Kontext zu neuen Nutzungsszenarien führt. Und schließlich fördert die Vernetzung von ERP-Software innerhalb der Unternehmen sowie über die Wertschöpfungskette hinweg die Notwendigkeit eines Schnittstellenmanagements zwischen den Software-Lösungen. Einen Treiber in diesem Zusammenhang stellen sicherlich die zahlreichen Industrie 4.0- und IoT-Initiativen dar. Mit diesen Ansätzen geht letztlich die digitale Vernetzung von Produkten, Betriebsmitteln, Mitarbeitern und Organisationen einher. Sie landen unter den wichtigsten ERP-Trends zwar derzeit eher im Mittelfeld. Die Bedeutung von Industrie 4.0 steigt jedoch offensichtlich stark, hat sie sich doch innerhalb von zwei Jahren vervierfacht.







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