Studie: IT versus Produktion

Hand in Hand in die Zukunft

Der Begriff Industrie 4.0 beschreibt die fortschreitende Digitalisierung der Wertschöpfungskette. IT- und Produktionsabteilungen sind die Träger dieses Wandels. Für den Erfolg ist es notwendig, dass beide an einem Strang ziehen.



Bild: H&D International Group

Die Digitalisierung schreitet in den Unternehmen voran, die wesentlichen Stützen sind IT- und Produktionsabteilungen. Mit ihrer Zusammenarbeit steht und fällt das Ziel, Industrie 4.0 erfolgreich umzusetzen. Wie das Zusammenspiel der beiden Fachbereiche aussieht, hat der IT- und Engineering-Dienstleister H&D International Group in der Studie ‚Industrie 4.0 – Betrachtungsperspektive IT vs. Produktion‘ genauer untersucht. Dabei betrachtete sie den aktuellen Stand der Zusammenarbeit sowie dafür eingesetzte Maßnahmen und wie die Kommunikation zwischen beiden Abteilungen funktioniert. Über 100 relevante IT-Entscheider aus IT und Produktion beteiligten sich an der Befragung.

Solide Basis vorhanden

Sowohl IT als auch Produktion bewerten die Zusammenarbeit gut. Nach einzelnen Aspekten befragt, ergibt sich aber ein differenziertes Bild. So betrachteten die Teilnehmer aus der Produktion und weiteren wertschöpfenden Bereichen die Kooperation mit der IT in einzelnen Punkten kritischer: Nur 26,6 Prozent bewerteten den Austausch als gut – und sehen dies negativer als die IT-Mitarbeiter. Mit der Digitalisierung verändert sich das Rollenverständnis der IT, was Unternehmen erst verinnerlichen müssen. Hinzu kommt, dass die IT die Entscheidungshoheit bei IT-relevanten Inhalten oft auch in der Produktion innehat. Daher treiben vor allem die IT-Abteilungen das Thema Industrie 4.0 in den Unternehmen voran. Interessant ist, dass Mitarbeiter der Produktion die Verantwortung dafür zu fast gleichen Teilen bei IT und Produktion sehen. Die IT-Abteilungen hingegen sehen sich als Haupttreiber der Digitalisierung. Hier müssen Verantwortliche dafür sorgen, dass die IT keinen Alleingang hinlegt. Konkret auf die Praxis bezogen bedeutet dies, dass IT-Lösungen in der Produktion – wie die Mobilisierung von Fertigungsprozessen durch mobile Applikationen – nur durch Zusammenarbeit der Bereiche zu mehr Effizienz führen können. Die Mitarbeiter der Produktion kennen die genauen Arbeitsabläufe und können die Anforderungen an eine mobile Lösung definieren. Die IT hingegen liefert die technischen Möglichkeiten und Umsetzungen. Im Laufe der Umsetzung müssen Usability-Konzepte und Design auf die Bedürfnisse der Nutzer in der Produktion abgestimmt sein, um die Akzeptanz sicherzustellen.

Ein Beispiel: Durch die zunehmende Standardisierung der produktionsnahen IT halten auch Praktiken und Methoden der Standard-Office-IT Einzug in die Fertigung. Die Produktions-IT tickt allerdings nicht genauso wie die Standard-IT, sodass es schnell zu kardinalen Fehlern kommt, sobald Verantwortliche das außer Acht lassen. Anlagen verfügen immer häufiger über standardisierte, vorinstallierte Betriebssysteme und nicht mehr über proprietäre Insellösungen. Verfolgt die IT-Abteilung die gleichen Patch-Zyklen mit entsprechenden Zeitfenstern, wie sie dies für die Office-IT tun würde, steht schnell die gesamte Produktionslinie still, denn hier gelten wesentlich kürzere Wartungsfenster. Ohne das Verständnis um die detaillierten Abläufe in der Produktion ist eine sinnvolle IT-Unterstützung also kaum zu gewährleisten. Das wird sich mit dem Zusammenwachsen von IT und Produktionsumgebungen verschärfen. Auch in der Bewertung der Schnittstellen in Form von Kontaktpersonen spiegelt sich die differenzierte Sichtweise der jeweils anderen Abteilung wieder: Während 38,5 Prozent der befragten IT-Mitarbeiter angeben, einen Ansprechpartner zu haben, bestätigen dies andersherum nur 17,2 Prozent der Produktion. Hier müssen IT-Mitarbeiter darauf achten, die Produktion nicht außen vor zu lassen und auch bei strategischen Fragen mit ins Boot zu holen. Besonders wichtig ist dieser Aspekt jedoch im Betrieb. So sollten bei Ad Hoc-Problemen wie Störungen in der Systemlandschaft die Schnittstellen klar definiert sein, um schnellstmöglich wieder einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten.

Wichtige Gespräche im Flur

Neben der Schnittstellen-Definition ist ein regelmäßiger Austausch durch kurze ‚Flurgespräche‘ zwischen den Bereichen für den kontinuierlichen Digitalisierungsprozess nicht zu unterschätzen. Hier liegt großes Potenzial für Verbesserungsvorschläge. Optimal wäre es, die Flurgespräche auf eine andere Ebene zu heben und daraus bereichsübergreifende Meetings zu etablieren. Laut der Studie gibt es an dieser Stelle noch Optimierungsbedarf. Auf der anderen Seite sind auch die Produktionsexperten gefragt, aktiver an das Thema heranzugehen und ihre Stärken auszuspielen. Im Unternehmen sind sie die Spezialisten für die zu digitalisierenden Produktionsabläufe. Ohne ihr Wissen über die Zusammenhänge der Fertigungslinien und einzelnen wertschöpfenden Prozesse geht es nicht.

Gleichzeitig kann die IT den Produktionsbereich im Thema Big Data unterstützen, um aus der wachsenden Datenflut sinnvoll Informationen generieren zu können. Immerhin sind beide Bereiche überzeugt, dass die andere Abteilung von einer engeren Zusammenarbeit profitiert. Die Studien-Teilnehmer gaben an, dass sowohl IT als auch Produktion die Proaktivität der jeweils anderen Abteilung erhöhen kann. Komplett gleichberechtigt werden diese in der Praxis allerdings nicht eingeschätzt. Die befragten Entscheider gaben an, dass eine hohe Proaktivität eher durch die Produktion als Unterstützer der IT im eigenen Unternehmen gelebt wird. Von daher sollte die IT gerade bei so wichtigen Themen wie IT-Sicherheit in Bezug auf Sicherheitskonzepte gegen Sabotage frühzeitig aktiv auf die Produktion zugehen und verstärkt den Dialog suchen.

Die Produktion sollte im Gegenzug offener gegenüber neuen IT-Konzepten wie Cloud-Lösungen sein, um gemeinsam von Beginn an das ‚Für und Wider‘ abzuwägen. Und das gegenseitige Verständnis dafür, warum der Bereich so handelt, wie er dies tut, welche Ziele er damit verfolgt, welchen Beitrag die Lösung leisten kann und wie er mit den Herausforderungen umgeht, ist eine Grundvoraussetzung für die gemeinsame Arbeit.