Simulation

Frische Luft zwischen den Sternen

Lebenserhaltungssysteme für die bemannte Raumfahrt müssen den Astronauten atembare Luft und Trinkwasser zur Verfügung stellen. Mit dem Projekt ‚Atmosphere Revitalization Recovery and Environmental Monitoring‘ (Arrem) entwickeln Ingenieure bei der Nasa Atmosphärenregelungsgeräte, um die Sicherheit der Crew an Bord zu gewährleisten.



Bild: Image courtsey of Nasa

Die Atmosphäre in einem bemannten Raumfahrzeug muss regelmäßig aufbereitet werden, um die Sicherheit der Astronauten und den Erfolg der Mission zu gewährleisten. Für mehrmonatige Missionen bedeutet dies, dass die Luft kontinuierlich entfeuchtet, Wasser zur Wiederverwendung gesammelt und Kohlendioxid (CO2) abgeschieden werden muss. Eine der Komponenten des Atmosphärenregelungssystems ist ein Gerät zur Wasserrückgewinnung, das von Jim Knox, einem Luft-und Raumfahrtingenieur bei der Nasa, im Rahmen des Projektes ‚Atmosphere Revitalization Recovery and Environmental Monitoring‘ (Arrem) optimiert wird.

Er leitet am Marshall Space Flight Center in Huntsville, Alabama, ein Team, das das Ziel verfolgt, das System kostengünstiger und effizienter zu gestalten. Dies geschieht, indem der Energieverbrauch gesenkt und die zurückgewonnene Wassermenge maximiert wird. Das Ziel des Teams ist eine 80- bis 90-prozentige Wiederaufbereitung des Wassergehalts der Luft. Das Team hofft, den Flugsystementwicklern der Nasa einen integrierten Ansatz zur Luftaufbereitung und Wasserrückgewinnung zu liefern, der letztendlich eine längere Missionsdauer und eine größere Reichweite der Raumflüge ermöglicht.

Abscheiden durch effiziente Adsorption

Die Aufbereitung der Luft innerhalb eines Raumfahrzeuges erfordert das Abscheiden von Wasserdampf, das Entfernen von CO2 und die Wiederabgabe des Wasserdampfs an die Luft bevor er kondensiert. Das vom Team entwickelte Wasser-Wiederaufbereitungssystem wird als Isothermal Bulk Desiccant (IBD) bezeichnet. Es besteht aus einem Gehäuse mit eingebetteten Festbettkammern, den sogenannten ‚Packed Beds‘, die jeweils mit Kieselgel-Pellets ausgekleidet sind, um die Adsorption oder Desorption von Wasser zu begünstigen. In einer ‚trockenen‘ Kammer wird Wasser entzogen, in einer ‚feuchten‘ Kammer wird Wasser wieder an die Luft abgegeben.

Jedes Kammerpaar wird von einem Gitterschaum aus Aluminium überspannt, der zur Wärmeübertragung dient. Der Wasserrückgewinnungsprozess findet in simultanen Halbzyklen statt, bei denen Luft in die trockenen Kammern gelangt während gleichzeitig Luft aus den feuchten Kammern wieder austritt. In einer trockenen Kammer wird Wasser aus der Luft vom Kieselgel exotherm adsorbiert und das Gas für die Wasserrückgewinnung entfeuchtet. Anschließend wird die Luft in ein CO2-Abscheidesystem geleitet. Die CO2-freie Luft strömt dann zurück in eine feuchte Kammer.

In der Zwischenzeit wird die durch die Adsorption in der trockenen Kammer entstandene Wärme über das Aluminiumgitter an die feuchte Kammer geleitet, was dazu führt, das Wasser aus dem Kieselgel desorbiert und wieder in die Luft zurück gelangt. Dieser Wärmetransfer hat den zusätzlichen Vorteil, dass die Temperatur in der trockenen Kammer gesenkt wird und so eine länger andauernde Adsorption ermöglicht. Das Wasser wird anschließend zurück in die Kabine gepumpt, das CO2 wird in den Weltraum geleitet. Nachdem die Kabinenluft aus dem IBD ausgeströmt ist, tritt sie in einen Wärmetauscher und einen Fliehkraftabscheider ein. Dadurch kann das flüssige Wasser abgeschieden und für die Wiederverwendung gesammelt werden.

Simulation der Gasströmung

Das Team von Knox verwendete Comsol Multiphysics zur Modellierung eines vierreihigen IBD, um die Effizienz des Gerätes zu berechnen. Die Geometrie des IBD wurde zunächst mit Pro/Engineer erstellt und anschließend mit Livelink for Pro/Engineer in Comsol Multiphysics importiert. „Mit Comsol können wir diese Art multiphysikalischer Simulationen mit komplexen Geometrien durchführen“, erläutert Knox. „Wir mussten die Strömung in porösen Medien in den Festbettkammern und die Wärmeübertragung in einer Vielzahl an Materialien simulieren, außerdem mussten wir die Randbedingungen für den Druck eingeben und die Sorptionsraten ermitteln“, sagt Jim Knox. Das Team konnte in den trockenen Festbettkammern beim Hinunterströmen des Gases einen Temperaturanstieg feststellen. Umgekehrt sank die Temperatur in den feuchten Kammern beim Heraufströmen des Gases.

Ein weiteres Mitglied des Teams, Rob Coker, berechnete die Effizienz des IBD mit einem richtungsweisenden Versuch, bei dem Luft durch ein trockenes Fach gepumpt wurde. Zu Beginn war die aus dem Fach austretende Luft vollständig trocken – die gesamte Luftfeuchtigkeit wurde vom Kieselgel adsorbiert. Als immer weiter Luft durch die Kammer strömte, stieg die Konzentration der Luftfeuchtigkeit am Auslass an. Schließlich hatte sie dieselbe Feuchte wie die einströmende Luft, da die Kieselgel-Pellets kein weiteres Wasser aufnehmen konnten. Die Beobachtung dieses Prozesses ermöglichte es dem Team, Parameterwerte für das IBD-Modell zu ermitteln, und sie verglichen die simulierten Daten mit den Messergebnissen. Mithilfe von Comsol konnten sie die Konzentration des Wassers, die Strömungsraten und die Drücke unter Berücksichtigung der Randbedingungen für Einströmen, Ausströmen und den Wechsel von feuchter und trockener Luft in jedem Halbzyklus nachverfolgen.

Gemäß den Simulationsergebnissen entfernte das IBD 85 Prozent des Wassers aus der Luft und führte es zum Sammeln wieder zurück in die Atmosphäre. Das virtuelle Modell sagte die Effizienz des IBD erfolgreich vorher, was die Grundlage für weitere Designabstimmungen von thermisch verbundenen Festbettkammern bildet.



Sie sind für die Computersimulation der Luftaufbereitung am Nasa MSFC verantwortlich (v.l.n.r.): Rob Coker, Carlos Gomez, Greg Schunk und Jim Knox.
Bild: Comsol Multiphysics GmbH

Verlässlicher Ansatz zur Luftaufbereitung

Die Simulation mit Comsol Multiphysics lieferte dem Team der Nasa wertvolle Vorgaben für die Optimierung und das Design der Wasser-Wiederaufbereitungsanordnung. Durch Senkung des Energiebedarfs und Maximierung der zurückgewonnenen Wassermenge vor dem CO2-Abscheideprozess wird die Effizienz des IBD enorm gesteigert. Dies stellt einen der vielen wichtigen Bestandteile eines Aufbereitungssystems dar, mit dem die Reichweite von Raumfahrtmissionen vergrößert werden soll. Darüber hinaus nutzt das Team die Simulation mit Comsol, um neue Systeme für längere Missionen zu entwickeln, die die Trennung von Sauerstoff und CO2 ermöglichen. So kann die Menge an O2, die an Bord mitgeführt werden muss, deutlich reduziert werden. Mit diesen innovativen Designs und den leistungsstarken Möglichkeiten der Simulation werden bemannte Raumfahrzeuge bald noch weiter reisen können als je zuvor.