Beispielhafter Bildschirmaufbau für eine Auswertungsfunktion auf Seite der Produktionsleitung:?Betriebszeiten, Kennzahlen und Auftragsdaten müssen verknüpft dargestellt und grafisch aufbereitet werden. Solche Anzeigen und Berechnungen lassen sich bei der passenden Systemarchitektur ohne großen Programmieraufwand an Anwenderbedürfnisse anpassen. Bild: MPDV

Anwendungslandschaft im Wandel

Bei den bisherigen Betrachtungen stand eine Applikationsstruktur im Mittelpunkt, die entweder in Fertigungs-, Personal- und Qualitätsmanagement aufgesplittet wurde oder unter funktionalen Aspekten wie etwa Betriebsdatenerfassung, Maschinendatenerfassung, Fertigungsleitstand, Qualitätssicherung, Personalzeiterfassung, Personalzeitwirtschaft, Personaleinsatzplanung, Energiemanagement, Tracking & Tracing oder Materialmanagement betrachtet wurde. Um ein derart umfangreiches Funktionsspektrum abbilden zu können, hat das Software-Angebot auf dem MES-Markt eine Wandlung durchgemacht. Von den Anfängen Ende der 80er- beziehungsweise Anfang der 1990er-Jahre, als noch stärker kundenspezifisch programmiert wurde, sind die Systemanbieter heute über die Variante der reinen Standardfunktionalität bei der Grundidee des modifizierbaren Standards angekommen. Viele der am Markt befindlichen MES sind zwar immer noch stark proprietär und kundenspezifisch programmiert, doch erste Software-Hersteller verfolgen bereits einen flexibleren Ansatz, der sich in der IT-Industrie abzuzeichnen beginnt. Dabei wird die Gestaltbarkeit von IT-Applikationen in den Vordergrund gestellt.

Anpassbarkeit in Maßen senkt Integrationskosten

Die ’serviceorientierte Architektur‘ (SOA) zeigt hier die prinzipielle Entwicklungsrichtung an: Eine IT-Applikation besteht hier nicht mehr aus einem fixen Programmverbund, der durch wenige Parameter gesteuert werden kann. Stattdessen setzt sich das System aus einer Reihe von Serviceprogrammen zusammen, die diese Applikation eigentlich bilden. Anwender müssen sich damit nur den Funktionsumfang zusammenstellen, den sie tatsächlich benötigen; auch Lizenz- und Verwaltungsaufwand orientieren sich am Benötigten. Als zweiter Vorteil lassen sich einzelne Serviceprogramme für besondere Zwecke auch austauschbar gestalten. Die Systemanbieter können allerdings trotz dieser Grundidee nicht in die Zeiten kundenspezifischer Programmierung zurückfallen. Die Serviceprogramme müssen aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten so gestaltet werden, dass sie in weiten Grenzen modifizierbar und damit an die Anwenderbedürfnisse anpassbar sind. Nur mit solchen Standards lässt sich eine Software oft genug verkaufen, dass sich deren Erstellung lohnt und der Preis für den Abnehmer in überschaubaren Regionen bleibt.

Flexible IT-Lösungen auf Basis dienstorientierter Architekturen

Dazu sollte ein System dem Integrator gestatten, über Parameter in den entsprechenden Services oder Modulen Anwenderspezifika leicht einzustellen. So sollte es kein Problem sein, in einer Maschinendatenerfassung Störgründe, deren Zuordnung zu Konten und ähnliches zu parametrieren, das Gleiche gilt für das Festlegen von Planungsstrategien in einem Fertigungsleitstand. Gerade im Bereich MES haben sich zudem in vielen Fertigungsunternehmen besondere Kennzahlen etabliert, die oft von den Standarddefinitionen abweichen. Hier ist es notwendig, in den Services Formeln hinterlegen zu können, mit denen man diesen abweichenden Strukturen Rechnung tragen kann. Bei moderneren und hochwertigen Systemen ist es inzwischen möglich, sogenannte User-Exits zu implementieren. Dabei besteht die Möglichkeit, eine standardisierte Verarbeitung mit Hilfe eines in einer Scriptsprache erstellten Zusatzes zu modifizieren beziehungsweise Berechnungen parallel zum Standard abzuarbeiten. Eine weitere Hilfestellung für Benutzer, die maßgeschneiderte Lösungen brauchen, bieten sogenannte Anwendungsgeneratoren, mit deren Hilfe sich auf der Auswertungsseite eigene Applikationen erstellen lassen.

Produktionsdatenintegration per Plug-in

MES-Lösungen schweben nicht im ‚freien Raum‘, sondern sind üblicherweise an ein ERP gekoppelt und sollten über Schnittstellen zu Maschinen und Anlagen verfügen, um notwendige Produktionsdaten automatisiert aufnehmen zu können. Im Bereich der ERP-Kopplung bieten heute die meisten Anbieter von Unternehmenssoftware leistungsfähige Schnittstellen an. Systemspezifische Abschottungsmechanismen gehören damit im Großen und Ganzen der Vergangenheit an. Auf der Seite der Maschinenschnittstelle ist es jedoch immer noch eine gewisse Kunst, eine Kopplung herzustellen.

Die Schnittstellen vieler Maschinenhersteller sind oft entweder zu einfach oder zu kompliziert gestaltet, um praxisorientiert und kostengünstig angewendet zu werden. Auf der MES-Seite lassen sich hier einige Vorkehrungen treffen, um diese Situation abzumildern – etwa indem systemintern ein Standard geschaffen wird, der die Kopplung zur realen Außenwelt mit verschiedenen Plug-ins einigermaßen einfach und kostengünstig bewerkstelligen kann. Entsprechende, praxisbewährte Lösungen befinden sich bereits im Einsatz.

Diese Betrachtungen zeigen, dass MES durch Weiterentwicklungen in der Systemarchitektur auch in der IT-Integration immer weitere Fortschritte machen können und sich dadurch eine weitere Stabilisierung der Drei-Ebenen-Struktur innerhalb von Fertigungsunternehmen abzeichnet. Die beschriebene Modifizierbarkeit solcher Systeme kann dafür sorgen, dass sich produktionsnahe IT-Lösungen schneller in der Industrie ausbreiten – und so durch den Einsatz fortschrittlicher Fertigunstechnologie auch die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der klassischen Industrieländer merklich unterstützen.