Referenzmodell für die Produktionsplanung

Durchgehende Koordination von Entwicklung und Produktion

Medienbrüche bei der Übergabe von Planungsdaten an die Produktion können zu verlängerten Planungszeiten und Doppelarbeit führen. Um diesen Prozess zu verbessern, haben sich Fertiger und Forschungsinstitute zusammengeschlossen. Schritt für Schritt werden Herangehensweisen erarbeitet, um Industrieunternehmen und Softwareherstellern gleichermaßen Hilfestellungen für die Erstellung geeigneter IT-Lösungen zu liefern.



Bild: Fotolia / Stauke

Der Produktionsstart steht immer fest – unverrückbar. Bevor jedoch ein neues Produkt in Serie gehen kann, sind in der Planung viele Aufgaben zu lösen. Wie soll die künftige Montage ablaufen, die Logistik organisiert und wie die neue Produktvariante in die bestehende Produktion integriert werden? Gerade in der komplexen Übergangsphase von Konstruktion zur Produktion zeigen bestehene Produktionsplanungsprozesse mit ihren vielfältigen Disziplinen ein unabgestimmtes und vielfach abteilungszentriertes Bild.

Ähnliches gilt für die IT-Unterstützung: Während in Konstruktion und Produktion häufig durchgängige Softwaresysteme eingesetzt werden – etwa für die computerunterstützte Konstruktion, das Produktlebenszyklusmanagement (PLM) oder die Produktionsplanung – erweisen sich Planungswerkzeuge im Übergangsbereich des Digital Manufacturing immer noch als Insellösungen. „Die gewonnenen Ergebnisse müssen immer wieder in neue Formate transformiert werden“, erläutert Tobias Riegmann, Mitarbeiter bei Daimler Truck im Bereich Digital Factory Powertrain. „Und dieses umständliche Herauslesen und wieder Eingeben ist nicht nur fehleranfällig, sondern macht im Endeffekt sogar den Mehrwert der digitalen Fabrik zunichte.“

Der Grund dafür liegt oft in über viele Jahre hinweg gewachsenen Planungsstrukturen – und weil diese nur sehr aufwändig zu ändern sind, scheuen viele Unternehmen eine Neugestaltung. „Das lokale Optimum ist jedoch der Feind des Gesamtoptimums“, sagt Nils Macke, Leiter des Bereiches Fabrikdatenorganisation bei der ZF Friedrichshafen AG. Bei dem Hersteller von Antriebs- und Fahrwerktechnik waren die Planungsprozesse in der Vergangenheit vor allem durch eine Linienorganisation geprägt, sie sind daher auf Kostenstellen bezogen und oft unübersichtlich. „Eine übergreifende Planungstechnik erfordert aber die Zusammenarbeit vieler Disziplinen, von der Entwicklung bis hin zum Facility Management“, erklärt Macke. Außerdem hätten Untersuchungen gezeigt, dass bei den bestehenden Strukturen gut ein Drittel der Planungszeit allein für die Informationsbeschaffung benötigt wird. Eine solche Arbeitssituation führt auch insgesamt zu ineffizienten Planungsabläufen mit redundanten Vorgängen, Doppelarbeit, Übertragungsfehlern und unvollständigen Informationen.

Planungsprozesse über Disziplinen hinweg standardisieren

Um dieser Problematik zu begegnen, hat der Prostep IVIP Verein im Jahr 2009 die Projektgruppe ‚Digital Manufacturing‘ ins Leben gerufen. Sie besteht aus sechs industriellen und vier wissenschaftlichen Projektpartnern und hat mittlerweile einen einheitlich definierten und durchgängigen Referenzplanungsprozess entwickelt. Im Jahr 2010 erschien dazu ein Thesenpapier und im Februar 2011 die Empfehlung ‚Modern Production Planning Processes‘. „Dieser Referenzprozess integriert die unterschiedlichen Planungsdisziplinen und unterstützt eine standardisierte und durchgängige Planung als Bindeglied zwischen Entwicklung und Produktion“, beschreibt Stefan Rulhoff, Projektkoordinator bei Prostep, die Vorteile. Mit dieser Idee begannen Daimler und ZF, ihre unternehmens- und standortspezifischen Planungsprozesse abzugleichen, um Synergieeffekte zu nutzen.

Einheitliche Begriffswelt erleichtert die Projektarbeit

Als Nils Macke im Jahr 2009 – noch unabhängig von der Projektgruppe – die ersten Schritte zur Optimierung der Produktionsplanungsprozesse bei ZF machte, stieß er zunächst auf Widerstand. „Das hat sehr viel Zeit und Geld gekostet, denn wenn jemand Prozesse in einem großen Unternehmen verändern will, stößt er auf gewachsene Strukturen und auf Mitarbeiter oder Kollegen, die dazu neigen, bestehende Prozesse beibehalten zu wollen.“ Denn an einem Projekt sind immer viele Disziplinen beteiligt, deren Gedanken- und Begriffswelten zunächst vereinheitlicht werden müssen. Und die Klärung dieser Begriffe verschlingt nach Aussagen von Macke viel Zeit.

Diese Erfahrung verdeutlicht, weshalb heute die Empfehlung des Vereins als Ausgangsbasis für den Produktionsplaner wichtig ist: Eine Projektgruppe kann so unabhängig von Abteilungen und Begriffswelten ihre Arbeit beginnen und im Spiegel branchenüblicher Best-Practices die Basisfunktionen im Unternehmen bewerten. Außerdem eignet sich das Dokument als Leitfaden, um Planungsprozesses sicherer zu modellieren. Basis der Empfehlung bildet ein Referenzprozess, den Industrieanwender auf Grundlage ihrer praktischen Erfahrungen entwickelt haben. Die jeweiligen Einzelprozesse wurden dabei zu logischen, im Netzwerk verknüpften Abläufen zusammengefasst. Das Referenzmodell beschreibt den Anfangszustand und den zu erzielenden Endzustand. Fragen zu Methoden, um praktisch zu den gewünschten Ergebnissen zu gelangen, bleiben offen – das gleiche gilt für die Beschreibung besonders erfolgreicher Vorgehensweisen.

 

Produktionsplanung im Fokus

Um den digitalen Weg eines Produktes von der Konstruktion bis in die Fertigung zu gestalten, hat der Prostep IVIP Verein im Jahr 2009 die Projektgruppe ‚Digital Manufacturing‘ ins Leben gerufen. Die Arbeitsgruppe fokussiert auch die Standardisierung von Planungsabläufen, die beteiligten Unternehmen aus Industrie und Forschung haben ihre Erfahrungen in einem Referenzprozess zusammengefasst. Die Grundlage dafür bildet ein Produktionsplanungsprozess, der systematisch und unternehmensunabhägig nach genormten Methoden beschrieben wurde. Nach dieser Definition verbindet der Produktionsplanungsprozess Konstruktion und Fertigung, beginnt mit der Produktentwicklung in der Konstruktionsabteilung und endet spätestens mit dem Ende der Produktion des Produkts. Hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs beeinflussen die Phasen Vor-, Konzept-, Grob- und Feinplanung den Planungsprozess. Zusätzlich durchdringen die Planungsdisziplinen – darunter Fertigungsplanung, Montageplanung, Logistikplanung und Layoutplanung – die Planungsabläufe. Diese Disziplinen greifen in unterschiedlichen Planungsphasen und sind unter Umständen unterschiedlich strukturiert, entsprechend der jeweils zu lösende Aufgabe und den freigegebenen Daten, abhängig von der jeweiligen Konstruktionsphase. Weitere Informationen dazu liefert die Prostep IVIP-Recommendation ‚PSI 8 – Digital Manufacturing: Modern Production Planning Processes‘.