Prioritäten richtig setzen

In Produktionsbetrieben ticken die Uhren immer schneller. Das Marktumfeld und die Anforderungen an Produktionsplaner ändern sich dynamisch und nehmen an Komplexität zu. Die Nachfragesituation wechselt rasch, der Lieferanten- und Personalmarkt wandelt sich in kürzeren Zyklen, auf Eilaufträge muss sofort reagiert werden. Solche Anforderungen lassen sich mit Hilfe eines professionellen Feinplanungstools effizient managen.

Bild: Industrie Informatik

Planungsaufgaben im produktionsnahen Umfeld sind vielschichtig und teils von widersprüchlichen Zielen geprägt. Die Aufgabenstellungen reichen von höherer Termintreue bis Kostenreduktion; gleichzeitig erschwert beispielsweise ein erhöhter Ressourceneinsatz zur Verbesserung der Termintreue die Kostenreduzierung. Im Fokus steht aber immer, den Auftragsvorrat mit minimalem Ressourceneinsatz termingerecht abzuarbeiten – und die Planung flexibel und schnell anpassen zu können. In der Regel reagiert der Schichtführer vor Ort unmittelbar auf Auftragsänderungen oder Maschinenausfälle. Da Unternehmenssysteme in längeren Zeithorizonten ‚denken‘ und vor allem dispositive und kalkulatorische Aufgaben übernehmen, haben sich zur Unterstützung der Produktion unterhalb der Enterprise-Resource-Planning-Ebene (ERP) Feinplanungssysteme etabliert.

Von der maschinenzentrierten zur personalzentrierten Planung

In den klassischen Planungsansätzen steht dabei die Maschine als primär zu betrachtende Engpass-Ressource im Mittelpunkt. Verschiedene Softwarehersteller haben jedoch bereits vor einigen Jahren begonnen, sich auch mit der Verplanung so genannter Parallelressourcen zu befassen. Die Probleme vieler Unternehmen beim Toolmanagement waren der Auslöser; denn meist werden für die Produktion von Teilen nicht nur Maschinen, sondern auch bestimmte Vorrichtungen oder Werkzeuge benötigt.

Immer stärker rückt auch das Personal ins Zentrum der Planungsaktivitäten – sowohl als Produktionsressource als auch in der Instandhaltung. Personal auf Basis von ERP-Daten parallel zur Maschinenbelegung zu planen, scheint auf den ersten Blick simpel. Allerdings muss das Planungstool dafür spezielle Funktionen bereitstellen, mit denen Planer verschiedenen Aspekte berücksichtigen können. So gilt es beispielsweise zu entscheiden, ob primär der Maschinen- oder Personaleinsatz geplant werden soll, oder ob eine Maschine belegt werden darf, obwohl voraussichtlich kein geeignetes Bedienpersonal zur Verfügung stehen wird.

In der Vergangenheit galt die Prämisse, die Engpass-Kapazität ‚Maschine‘ auszulasten und bei Bedarf mit Leiharbeitern so viele Aufträge wie möglich abzuwickeln. Doch da die Komplexität einzelner Arbeitsschritte zunimmt, kann heute nicht mehr jeder Mitarbeiter jede Maschine bedienen. Und entsprechend qualifiziertes Personal lässt sich oft nicht in ausreichender Zahl einsetzen. Kommen noch kurzfristige Änderungen der Auftragslage hinzu, entstehen aus einer maschinenpriorisierten Planung paradoxe Szenarien: Trotz eklatanter Unterauslastung der Maschinen verdoppeln sich die Lieferzeiten. Die Lösung liegt in der Priorisierung der Engpass-Ressource Personal. Ein gutes Planungssystem muss dazu in der Lage sein, verschiedene Kapazitätstypen flexibel zu definieren. Somit kann der Planer entscheiden, welche Kapazität den limitierenden Faktor darstellt – und ob trotz Unterdeckung der Sekundär-Ressource eine Einplanung zulässig ist.

IT-Unterstützung für eine dynamische Planung

Dazu muss für Produktionsverantwortliche jedoch schnell zu erkennen sein, wo eine Über- beziehungsweise Unterdeckung vorliegt. Außerdem sind im Planungstool Funktionen notwendig, mit denen der Schichtleiter die verfügbaren Mitarbeiter den Arbeitsplätzen und Maschinen zuordnen kann. Oftmals müssen auch Wechselwirkungen zwischen Primär- und Sekundärressourcen berücksichtigt werden, welche die Laufzeit eines Arbeitsschritts beeinflussen. So wird beispielsweise aus dem ERP die absolute Netto-Bearbeitungsdauer eines Arbeitsvorganges von zwölf Stunden übernommen, oder es ist ein Leistungsfaktor von 20 Stück je Mitarbeiter und Stunde hinterlegt.

Bei einem dreischichtigen Betrieb und einer Maschinenverfügbarkeit ab elf Uhr wäre der zwölfstündige Arbeitsgang bei konventioneller Planung um 23 Uhr fertig. Wird allerdings eine Qualifikation benötigt, die nur zweischichtig zur Verfügung steht, muss das Planungssystem den Arbeitsgang ab dem zweiten Schichtende um 22 Uhr strecken. Die fehlende Stunde darf das System erst für den Folgetag einplanen. Ist aus technologischer Sicht eine Unterbrechung des Auftrags unzulässig, darf der Arbeitsgang erst eingeplant werden, wenn Personal und Maschine für die gesamte Auftragsdauer bereitstehen. Hinzu kommt die Berücksichtigung von Fehlzeiten für den Liefertermin. Um solche Situationen transparent abzubilden, wird ein Planungssystem mit dynamischer Laufzeitberechnung benötigt.

Abseits dieser Erfordernisse wird in der Instandhaltung Mitarbeitereinsatz ohne Bezug zu einem Arbeitsplatz geplant; zusätzlich gilt es bei der Instandhaltungsplanung Spezifika wie die Mischung aus geplanten Wartungsmaßnahmen und unplanbaren Reparaturen zu beachten. Bewährt haben sich Planungsalgorithmen, die den durchschnittlichen Zeitanteil der Ad-hoc-Arbeiten automatisch in die Planung einsteuern. Schwer zu koordinieren sind auch geplante Anlagenstillstände, da dabei viele Einzelaufträge zum geplanten Wiederanlauf der Anlage fertig gestellt sein müssen. Dieses Planungsproblem lässt sich mit einer Kombination aus Netz- und Rückwärtsterminierung lösen. Zahlreiche Beispiele aus der industriellen Praxis zeigen, dass Anwender durch den Einsatz entsprechender Planungswerkzeuge Durchlaufzeiten um bis zu 30 Prozent reduzieren, Bestände massiv senken und das abgewickelte Auftragsvolumen deutlich steigern können, ohne die Personaldecke in der Administration zu erhöhen.