Stärken und Schwächen analysieren

Die Reifegradmatrizen werden von Entscheidern oder Beratungshäusern in der Praxis auf Basis von Projekterfahrungen für die gängigsten Maßnahmen im Bereich der Supply Chain-Optimierung erstellt. Sie beschreiben in verschiedenen Dimensionen die unterschiedlichen Reifegrade, die eine Organisation erreichen kann – von ‚0‘ für ‚keine Aktivitäten im untersuchten Bereich‘ bis ‚3‘ für ‚fortgeschritten‘. Um das eigene Unternehmen richtig einzustufen, empfiehlt es sich insbesondere

  • Datenanalysen und Kennzahlen,
  • Prozesse und organisatorische Aspekte sowie
  • Abhängigkeiten von anderen Kernprozessen

heranzuziehen. Rein aus dieser objektiven Selbsteinschätzung ergibt sich in der Praxis ein Profil an Reifegraden. Es ist nicht unüblich, dass ein Unternehmen in einzelnen Maßnahmen herausragend gut ist – beispielsweise in der Berechnung der Sicherheitsbestände – jedoch Schwächen in anderen Maßnahmen hat und beispielsweise Kunden und Lieferanten schlecht in die Planung einbindet. Steht fest, wie reif ein Unternehmen in einem Bereich ist, geht es darum den aktuellen Reifegrad mit dem angestrebten Reifegrad zu vergleichen.

Verbesserungen und Zeitrahmen identifizieren

Wendet man die Reifegradmatrizen für jedes Supply Chain-Element, also beispielsweise für ein einzelnes Werk an, kann man auch vergleichen, wie groß die Optimierungspotenziale in den Segmenten der Zielgrößen sind. Berücksichtigt man nun noch, wie lange die Umsetzung der Maßnahmen dauert, lässt sich sogar abschätzen, wann die erwarteten Verbesserungen bei den einzelnen Supply Chain-Elementen eintreten. Die Verbesserungspotenziale eines jeden Supply Chain-Elements und einer jeden Maßnahme kombiniert mit den ermittelten Zielgrößen und Kennzahlen im Modell ergeben die insgesamt möglichen Verbesserungen je Maßnahme.

Mit Blick auf die gesamte Lieferkette lassen sich nun die Verbesserungen übergreifend abschätzen. Durch diese Betrachtungsweise ließen sich in der Praxis bereits mehrmals falsch oder zu früh adressierte Maßnahmen korrigieren: Ein Konsumgüterunternehmen hatte bereits recht gute Ergebnisse in der Absatzprognose, die es durch die Einführung einer wetterdatengestützten Prognose noch weiter verbessern wollte. Gleichzeitig zeigte sich anhand der Reifegradmatrizen, dass das Unternehmen in der eigenen Planung überhaupt keine Prognosedaten berücksichtigt.

Jeder Aufwand, der in die Verbesserung der Absatzprognose gesteckt werden sollte, wäre also effektlos verpufft. Die Abschätzung der Maßnahmen dient jedoch lediglich als ein Kriterium für die Priorisierung der notwendigen Schritte. Weitere Kriterien sind die zu erwartenden Umsetzungskosten sowie die Bestimmung der Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Maßnahmen. Denn selbst wenn die Umsetzungskosten einer Maßnahme höher sind als die zu erwartenden Einsparungen, kann sie sinnvoll sein – beispielsweise dann, wenn sie in Abhängigkeit zu einer anderen, wirtschaftlich sinnvollen Maßnahme zwingend notwendig ist. Typischerweise zählen Schulungsreihen, die Einführung von Supply Chain-Scorecards sowie die Einrichtung einer Supply Chain-Governance dazu.

Bei der Realisierung Schwerpunkte setzen

Aus diesen Betrachtungen und der Priorisierung lassen sich die sinnvollen und die zur Unterstützung nötigen Maßnahmen identifizieren und in eine logische Reihenfolge bringen. Aus der logischen Reihenfolge ergibt sich eine zeitliche Abfolge und damit der Projekt- oder Programm-Zeitplan. Bei der Erstellung des Projekt-/Programmplans empfiehlt es sich, einen klaren Fokus auf wenige wichtige Maßnahmen zu setzen statt viele Maßnahmen gleichzeitig angehen zu wollen. Die Gefahr sich zu verzetteln ist ansonsten groß. Kombiniert man nun noch den Zeitplan mit dem Modell, das zur Ermittlung der Verbesserungspotenziale erstellt wurde, lassen sich verschiedene Zeitverläufe ermitteln, zum Beispiel:

  • Erwartete Verbesserungen je Supply Chain-Element wie Werk, Lager oder Stufe
  • Erwarteter Cash-Flow als Ergebnis von Umsetzungskosten und Verbesserungspotenzialen
  • Kennzahlenverläufe, die als Ziele für die Supply Chain-Elemente genutzt werden können

Neben den Maßnahmen, die einen eher inhaltlichen Fokus darstellen, sollten Supply Chain-Entscheider bei ihrem Realisierungsplan noch zwei weitere Bestandteile unbedingt berücksichtigen, nämlich das Projekt- beziehungsweise Programm-Management sowie das Management von Change-Maßnahmen. Bei erfolgreichen Umsetzungen gingen Unternehmen häufig zu Beginn des Projekts die Maßnahmen an, die zwar keinen direkten Nutzen bringen, aber grundlegend sind. Sie haben beispielsweise ein zentrales SCM-Office eingerichtet, Kennzahlentransparenz über die Lieferkette hinweg geschaffen oder Schulungsreihen durchgeführt, um die Organisation auf einen bestimmten Wissensstand zu bringen. Diese Maßnahmen wurden begleitet von Roadshows, um alle Beteiligten mit ins Boot zu holen. Erst nachdem diese Grundlagen geschaffen worden sind, empfiehlt es sich, die inhaltlichen Themen in Angriff zu nehmen. Eine Umsetzung auf dieser Basis führt dann in der Regel aber auch tatsächlich zu den erwarteten Verbesserungen.