Interview

„Bei der Nutzung von IoT-Technologie vor den USA“

Mit seinen 31.500 Partnern in Deutschland macht Microsoft hierzulande 90 Prozent des Geschäftes. Christoph Heiming leitet das Partnermanagement bei Microsoft und schildert im Interview, warum die Partnerlandschaft systembedingt gegen Totalausfälle geschützt ist. Heiming spricht aber auch über aktuelle IT-Trends von Cloud Computing über IoT bis hin zu Augmented Reality – und über die Microsoft-Kernanwendungen für ERP und CRM.



Christoph Heiming (40) ist seit Juli 2014 Director Partner Business & Development bei Microsoft Deutschland. Davor war er seit 2004 als Head of Strategic Channel Development und Platform Strategy Advisor Financial Services für Microsoft Deutschland tätig. Von 1999 bis 2003 arbeitete Heiming bei IBM. Heiming ist Diplom Kaufmann und hat an der Uni Münster Wirtschaftsinformatik mit dem Schwerpunkt Öffentliche Betriebe studiert. Bild: Microsoft

31.500 Partner und zahlreiche Zertifizierungen – auf was sollten Produzenten bei der Wahl eines Microsoft-Partners achten?

Christoph Heiming: Microsoft bietet eine Vielzahl unterschiedlicher Zertifizierungsprogramme für einzelne IT-Spezialisten und Partner. Die Auszeichnungen stehen für umfangreiche Expertise in fachlichen Prozessen und relevanten Technologien sowie große Lösungskompetenz bei allen Themen rund um den Einsatz von Microsoft-Technologien und die digitale Transformation. Über die Zertifizierungen hinaus stehen wir über unser Partnernetzwerk und unsere Communities in engem Kontakt mit unseren Partnern und versorgen sie mit Know-how zu Marketing- und Vertriebsfragen. Über das Pinpoint-Portal können Produzenten einen passenden Partner auswählen.

Was passiert, wenn ein Partner ausfällt. Springt Microsoft ein?

Heiming: Uns ist kein einziger Fall bekannt, in dem ein Partnerunternehmen ausgefallen ist. Unser Netzwerk vernetzt Partnerunternehmen nicht nur mit Microsoft, sondern auch untereinander. Die Zusammenarbeit mehrerer komplementärer Partner in einzelnen Projekten beugt Worst Case-Szenarien vor, indem sich Partner beispielsweise für ein Projekt oder ein bestimmtes Kundenszenario zusammenschließen. Nicht selten bilden sich in unserem Ökosystem immer wieder Partnerkonsortien für einzelne Anwendungsbereiche, sodass in vielen Projekten auch alternative Partner eingebunden werden können. Diese Konstruktion ist systembedingt gegen Totalausfälle geschützt, sodass es für Microsoft nicht nötig ist, sich aktiv in solche Szenarien einzuschalten. Wir müssen also nicht aktiv einspringen, unterstützen indes die Funktionsfähigkeit im Hintergrund.

IoT und Cloud-Computing zählt in den Vereinigten Staaten zu den großen Industrietrends. Lässt sich das auf das produzierende Gewerbe in Deutschland übertragen?

Heiming: Auch in Deutschland zählen IoT und Cloud Computing zu den großen Industrietrends. Aber kein noch so erfolgreiches Konzept lässt sich einfach von einem auf ein anderes Land übertragen. Es geht vielmehr immer darum, Technologien wie Cloud Computing und IoT für jedes Land, jede Industrie und jede Unternehmensgröße individuell zu betrachten. Und übrigens liegt Deutschland bei der Implementierung und Nutzung moderner IoT-Technologien sogar vor den USA.

Welche Impulse setzen Sie im Partnergeschäft aktuell?

Heiming: Wir diskutieren schon seit Jahren intensiv mit unseren Partnern darüber, wie die digitale Transformation, die Cloud und das Internet der Dinge Geschäftsmodelle disruptiv verändern – nicht nur die ihrer Kunden, sondern auch ihre eigenen. Unser gemeinsames Ziel ist es, Cloud Computing in Deutschland vom Hype zum Trend zu machen und alle Unternehmen, also auch IT-Dienstleister, zu befähigen, ihre Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben und profitabler zu werden. Unsere gemeinsame Strategie haben wir in einem Chancenpapier Cloud formuliert.

Was versprechen Sie sich von der deutschen Microsoft-Cloud?

Heiming: Mit der Microsoft Cloud Deutschland reagieren wir auf die steigende Nachfrage nach unseren Cloud-Diensten in Deutschland. Das neue lokale Angebot richtet sich besonders an Organisationen und Unternehmen in datensensiblen Bereichen wie dem öffentlichen, dem Finanz- oder dem Gesundheitssektor, die besonders strikten Compliance-Richtlinien, zum Beispiel bezüglich der Datenhaltung, unterliegen. Das Besondere: Wir bieten die Microsoft Cloud-Dienste Azure, Office 365 und Dynamics CRM Online zukünftig nicht nur auch aus deutschen Rechenzentren an. Der Zugang zu den Kundendaten, die in den neuen Rechenzentren gespeichert werden, liegt darüber hinaus beim Datentreuhänder T-Systems, einem unabhängigen Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland, das der deutschen Rechtsordnung unterliegt. Unsere Partner und Kunde können also weiterhin unsere öffentlichen, privaten und hybriden Cloud-Lösungen nutzen oder sich dafür entscheiden, unsere Services aus deutschen Rechenzentren zu beziehen.

Was gibt es Neues bei Ihren Kernanwendungen für Enterprise Resource Planning und Customer Relationship Management?

Heiming: Microsoft hat im März diesen Jahres eine auf Azure in der Microsoft-Cloud betriebene Version von Dynamics AX veröffentlicht, im Mai folgte die aktualisierte Version von Dynamics CRM 2016. Dynamics AX bietet Unternehmenskunden höhere Geschwindigkeit, bessere Skalierbarkeit und größere Flexibilität. Zudem ist Dynamics AX mit anderen Cloud-Lösungen wie Office 365, Power BI oder Azure SQL eng verzahnt. Die Vorzüge der Cloud-Lösung Dynamics AX kommen besonders bei den Funktionen für vorausschauende Analysen zum Tragen, für die Daten mit den In-Memory-Technologien von Azure SQL und dem Visualisierungstool Power BI aus laufenden Prozessen nahezu in Echtzeit analysiert werden. Dynamics AX profitiert auch von Azure Machine Learning und ermöglicht damit Analysen auf der Basis von Daten aus der vernetzten Produktion – eine Bedingung für Industrie 4.0 Anwendungen. Mit der neuesten Version seines Kundenmanagementsystems Dynamics CRM 2016 verbindet Microsoft auch den Kundendienst stärker mit dem Internet der Dinge und vereinfacht somit beispielsweise die vorausschauende Wartung von Produkten. In der neuen Version kommen erstmals auch adaptive maschinelle Lernprozesse zum Einsatz, die ermitteln, wie ein Produkt oder eine Kampagne in den sozialen Medien wahrgenommen wird. Die sogenannte ‚Automated Social Triage‘ erkennt außerdem automatisch Intention in sozialen Statusmeldungen und leitet sie an Vertrieb, Marketing und Servicemitarbeiter weiter.

Gibt es etwas, das hiesige Anwender und Partner vom internationalen Markt für Unternehmens-IT lernen können?

Heiming: Von gelungenen und gescheiterten Beispielen bei der digitalen Transformation können Anwender und Partner aus meiner Sicht am meisten lernen. In unseren internationalen und nationalen Kundenreferenzen berichten wir über Projekte und Erfahrungen beim Einsatz moderner Cloud-Technologien. Diese Beispiele zeigen, dass es sich lohnt, mit der Digitalisierung jetzt anzufangen, weil es Unternehmen, Partner und Anwender agiler, effizienter macht und dadurch profitabler und wettbewerbsfähiger. Sie zeigen aber auch, dass die digitale Transformation nicht immer ein firmenumspannendes Großprojekt ist, sondern mitunter bei der Verbesserung einzelner Produkte, Services oder Prozesse beginnt; dass es sich lohnen kann, innerhalb des Unternehmens Startups zu gründen, die sich losgelöst vom Alltagsgeschäft um Innovationen kümmern. Und dass es die Technologien dafür schon gibt, die ohne großen Aufwand und ohne riskante Investitionen genutzt werden können.

Was wird nach Cloud Computing und dem Internet of Things der nächste große Trend?

Heiming: Zunächst einmal bleiben Cloud Computing und das Internet der Dinge Megatrends für die kommenden Jahre. Hier gibt es ein riesiges Entwicklungspotential für unsere Industrien, viele Chancen auf neue Geschäftsmodelle für Unternehmen jeder Größe und Branche auf der einen Seite sowie einen großen Investitionsbedarf auf der anderen. All das wird unsere Ökonomie und Lebenswirklichkeit in den kommenden Jahren prägen und bestimmen. Die nächsten großen Trends ergeben sich aus den aktuellen: Die riesige Menge an Daten, die zum Beispiel vernetzte Produktionsanlagen, Maschinen und Alltagsgegenstände generieren, werden wir nicht nur für historische Analysen nutzen, sondern immer mehr auch für vorausschauende Analysen – und zwar bei Nutzung moderner In-Memory-Technologien quasi in Echtzeit. Wir werden unsere Umwelt mit Augmented Reality erweitern und anreichern. Technologien wie die Hololens werden unser Privatleben verändern, noch mehr aber die Industrie, das Gesundheitswesen und den Dienstleistungssektor revolutionieren, weil sie Einblicke und Handlungen ermöglichen, die uns bis jetzt verwehrt sind. Schließlich werden intelligente Assistenten und ‚Bots‘ unser Leben angenehmer und einfacher machen. Bots, wie unsere digitale Sprachassistentin Cortana sind in der Lage zuzuhören und zu verstehen, was wir tun. Sie lernen von unseren Gewohnheiten und erledigen Dinge für uns. Wenn wir uns zum Beispiel zum Essen verabreden, schlagen Sie uns ein Restaurant vor oder buchen uns gleich einen Tisch. Eine andere Anwendung betrifft den Kundenservice: Anrufer können durch digitale Assistenten sofort in der von ihnen bevorzugten Umgebung Service in Anspruch nehmen oder Transaktionen durchführen, ohne ewig in der Telefonwarteschleife zu hängen oder auf E-Mail-Antworten zu warten. Wir stehen bei all diesen Szenarien noch am Anfang – und ich bin gespannt, was die digitale Transformation noch alles mit sich bringt!





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