Konkrete Simulationsstufe

Die zweite Stufe der interdisziplinären Modellbildung umfasst vom Rechner interpretier- und ausführbare Simulationsmodelle. Als typische Vertreter der Simulationssprachen sind Matlab und Modelica zu nennen. Sie gestatten, technische Systeme objekt- oder komponentenorientiert zu modellieren. Dabei können in den Modellen Gleichungen – beispielsweise für physikalische Gesetze – nicht nur hinterlegt, sondern auch ausgeführt werden. Der Detaillierungsgrad kann variieren: Zunächst können abstraktere Modelle mit generalisierten Komponenten, beispielsweise aus einer Bibliothek, aufgebaut und simuliert werden. Die Modellte dienen dazu, Erkenntnisse über erste Konzeptideen zu gewinnen. Es existieren aber auch Simulationsmodelle, die Produktkomponenten und ihr Verhalten in großem Detail beschreiben und eine hohe Aussagegüte liefern. Die Grenze zwischen der abstrakten, funktionsorientierten Modellierung und der Modellierung im tiefen Detail ist auf der zweiten Stufe der Produktmodellierung fließend. Es besteht keine Möglichkeit, Detaillierungsebenen festzulegen, die in PDM mitverwaltet werden könnten. Eine direkte Abbildung dieser Detailmodelle im PDM wäre, bedingt durch den Umfang der Simulationsmodelle, sehr aufwändig.

PDM-Anbindung realisieren

Die Modelle auf der übergeordneten Beschreibungsebene zeigen dagegen ein besseres Potenzial zur PDM-Anbindung: Diese Modelle sind weniger formell, also vom Rechner auswertbar, und mehr vom Menschen begreifbar: Sie werden vom Ingenieur, ausgehend von den in der Regel frei ausformulierten Produktanforderungen, manuell generiert. Eine Anknüpfung an die Anforderungen, die der Rechner sonst nicht automatisch auswerten kann, ist somit vorgegeben. Darüber hinaus arbeiten Produktbeschreibungsmodelle mit weniger Details als beispielsweise eine Produktstückliste.

Die Implementierung einer Anbindung – beispielsweise von SysML-Modellen – im PDM ist wiederum eine sehr sensible Angelegenheit. Das liegt primär an der Funktionsweise von PDM-Systemen und dem Aufbau der Produktbeschreibungsmodelle: PDM-Systeme verwalten primär hierarchische Strukturen, während Produktbeschreibungsmodelle oft komplexer aufgebaut sind, Klassische Funktionsstrukturen sind zum Beispiel nicht hierarchisch. Dennoch lässt sich ein hierarchischer Aufbau feststellen: Funktionen werden in Teilfunktionen aufgeteilt. Darüber hinaus sind die Teilfunktionen wiederum auf jeder Hierarchieebene über Signal-, Energie- und Stoffflüsse untereinander verbunden. So gliedert sich die Funktion ‚Scheibe Wischen‘ bei der Konstruktion eines Autos in die Teilfunktionen ‚Reinigungsmittel Auftragen‘ und ‚Abwischen‘, wobei das Auftragen des Reinigungsmittels wiederum aus den Teilfunktionen ‚Reinigungsmittel befördern‘, ‚Reinigungsmittel leiten‘ und ‚Reinigungsmittel verteilen‘ besteht.

Damit ergibt sich eine netzwerkartige Funktionsstruktur, die aus verschiedenen Arten von Beziehungen in Produktbeschreibungsmodellen besteht. Bei einer PDM-Integration sollten idealerweise die Informationen zu allen Beziehungen im PDM mitverwaltet werden. Der Lehrstuhl für Virtuelle Produktentwicklung (VPE) der Technischen Universität Kaiserslautern hat diese Beziehungsarten in Produktbeschreibungsmodellen klassifiziert:

  • Hierarchische Beziehungen auf Produktionsdatenebene
    Die primäre Beziehungsart, die auf die PDM-Ebene übertragen werden kann, ist die hierarchische Baumstruktur. Generische Produktstrukturen sowie Funktionsstrukturen sind in erster Linie hierarchisch aufgebaute Modelle.
  • Verbindungen unter Modellelementen innerhalb einzelner Modelle
    Oft bestehen auf den einzelnen Hierarchieebenen zusätzliche Beziehungen unter Modelelementen. Außer der Funktionsstruktur kann hier eine in SysML modellierte generische Produktstruktur als Beispiel dienen: Die Haupthierarchie lässt sich mit Blockdefinitionsdiagrammen darstellen, während komplexere Beziehungen wie Referenzen, Flussgrößen und typisierte Ports unter einzelnen Komponenten anhand interner Blockdefinitionsdiagramme aufgenommen werden können.
  • Referenzierungen unter Modellelementen über Modellgrenzen hinweg
    Die letzte Stufe des Detaillierungsgrades stellen die Beziehungen bestimmter Modellelemente innerhalb verschiedener Modelle dar. Hier zeigt sich der große Vorteil des modellbasierten Systems Engineering: Elemente der generischen Produktstruktur, beziehungsweise Funktionsstruktur lassen sich zum Beispiel auf Anforderungen referenzieren. Es ist oft sinnvoll Typen dieser Referenzbeziehungen anzulegen: eine Komponente kann zum Beispiel eine Funktion ‚realisieren‘ und eine Anforderung ‚erfüllen‘.

Derzeit spezifizieren die Wissenschaftler der Hochschule aufbauend auf diesen Beziehungsarten ein zentrales VPE-Datenschema, das alle für die Integration mit PDM-Systemen relevanten Inhalte von Produktbeschreibungsmodellen umfasst.

Klarheit über die Modellinhalte

Der große Vorteil eines Systems Engineering VPE-Datenschemas erschließt sich aus den klaren Modellinhalten. Diese lassen sich auf verschiedenen Stufen ihrer Vernetztheit auf dem PDM-Backbone verwalten. Die PDM-Integration kann insbesondere sehr nützlich sein, wenn das entwickelte Produkt gegen die ursprünglichen Anforderungen validiert wird, beziehungsweise wenn Auswirkungen von Änderungen an Anforderungen auf das Produkt eingeschätzt werden müssen. Alle Geschäftsprozessworkflows auf der PDM-Ebene könnten dann über diese Nachverfolgungsfunktionalität erweitert werden, um die Transparenz und die frühe Fehlervermeidung zu verbessern. Das kann gerade auf der PDM-Ebene erfolgreich umgesetzt werden, weil Freigabe- und Änderungsprozesse, Konfigurationsmanagement sowie die damit verbundene Produkthaftung Aspekte der Produktentwicklung darstellen, die auf dieser Ebene abgewickelt werden.







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