Feinplanungsproblematik in der Produktion

Ungeachtet der Vielzahl von Systemen mit Feinplanungsansätzen sind im Unternehmensalltag häufig noch Wandtafeln, Excel oder auch ein einfacher Schreibblock zur Feinplanung im Einsatz. Daher stellt sich die Frage nach den Ursachen dieser Entwicklung – und nach Wegen zur erfolgreichen Nutzung von Feinplanungsverfahren im Betrieb.

Bild: Daimler

Erklärtes Ziel eines Manufacturing-Execution-Systems (MES) ist es, Planvorgaben über Produktionsrückmeldungen stets aktuell zu halten. Doch hier schleicht sich bereits die erste Fehlerquelle ein, denn die Qualität der Produktionsrückmeldungen ist gerade bei manueller Erfassung vielfach nicht ausreichend: Die Qualität der Betriebsdaten spiegelt den Produktionsprozess nicht ausreichend exakt wieder. Oft werden Meldungen vergessen, oder im Rahmen von Schichtmeldungen gebündelt abgesetzt. Gründe dafür liegen teilweise an mangelnder Disziplin der Mitarbeiter, am vermeintlich unproduktiven Weg zum BDE-Terminal und einer aufwändigen Eingabe von Daten im Meldungsdialog.

Ansatzpunkte zur Verbesserung der Rückmeldequalität

Wie beim klassischen Regelkreis sind jedoch die Rückmeldungen des aktuellen Produktionsprozesses elementar. Klare, verbindliche Meldereglen können helfen, dieses Dilemma zu überwinden: Wer meldet, was wird gemeldet, welche Konsequenzen drohen bei Nichtbeachtung. Auch die Vereinfachung der Meldungsdialoge kann sich bezahlt machen, damit ein Werker mittels eines einfachen Dialogs eine Aufgabe annehmen und nach Fertigstellung als erledigt abhaken kann. Parameter wie Auftrag, Prozess, Maschine, Mitarbeiter sollten automatisch korrekt belegt werden. Das Gleiche gilt für den Einsatz mobiler Endgeräte wie Smartphones, die jeder Mitarbeiter für das Absetzen von Meldungen mit sich führt. Zuletzt empfiehlt sich vielfach eine höhere Automatisierung durch direkte Maschinenanbindung und Einsatz von automatischer Werkstückidentifikation wie RFID.

Stammdatenqualität: Kein Quell der Freude

Eine weitere essentielle Fehlerquelle liegt in der Qualität der Stamm- und Bewegungsdaten, die in aller Regel von den eingesetzten Enterprise-Resource-Planning-Systemen (ERP) übernommen werden. Fehlerhafte Daten zu Prozesszeiten, Maschinenalternativen oder fehlerhafte Abläufe in den Arbeitsplänen führen dazu, dass die Planungsergebnisse ebenso fehlerhaft sind. Auch dies fördert das ‚Auseinanderdriften‘ von Planungsergebnis und Produktionsprozess. Bei der Feinplanung sind eine Vielzahl von Randbedingungen zu berücksichtigen, damit die Planung dem Produktionsprozess möglichst nahe kommt. Abhängig vom Anwendungsfall kann es beispielsweise notwendig sein, folgende Randbedingungen zu berücksichtigen:

  • Kein Ressourcenwechsel zwischen Vorgängen: In verfahrenstechnischen Prozessen soll ein Abfüllvorgang etwa nur aus dem Kessel erfolgen, in dem die Einsatzstoffe gemischt wurden.
  • Die Einplanung von Auf- und Abrüstvorgängen kann elementar sein. Dabei sind gegebenenfalls Umrüst- und Reinigungszeiten sowie Ressourcen für die Umrüstung zu berücksichtigen.
  • Vor Arbeitsgängen sind Wartezeiten zu vermeiden, da das Zwischenprodukt sonst qualitativ leidet. Oder minimale Zeitspannen zwischen Arbeitsvorgängen sind einzuhalten, damit das Vorprodukt beispielsweise reifen kann.
  • Berücksichtigung von Neben- oder Abfallprodukten, die entsprechend weiterzubearbeiten oder zu entsorgen sind. Im Einzelfall kann es etwa aus Platzgründen erforderlich sein, dies bei der Feinplanung zu berücksichtigen.
  • Ebenfalls kann es notwendig sein, alternative Herstellungswege zu berücksichtigen. Die Modellierung alternativer Anlagen oder Maschinen allein reicht häufig nicht aus. Denn möglicherweise gibt es Abhängigkeiten zwischen einsetzbaren Maschinen aufeinanderfolgender Arbeitsvorgänge.

Dies sind nur einige Randbedingungen, die je nach Anwendungsfall bei der Feinplanung zu berücksichtigen sind. Hinzu kommt, dass Rahmenbedingungen und Zielsetzungen auch etwa aufgrund saisonaler Schwankungen variieren können.

Stamm- und Bewegungsdaten zuverlässig pflegen

Um die Qualität der Stamm- und Bewegungsdaten anzuheben, bieten sich zwei Vorgehensweisen an. Die erste Methode stellt das Lernen aus der Produktionshistorie dar: Auf der Basis aufgezeichneter Produktionsdaten können Verfahren aus Statistik und dem Data-Mining eingesetzt werden, um Vorschläge zur Korrektur der Vorgabedaten im ERP-System zu generieren. Diese Vorschläge können dann manuell oder halbautomatisch im datenführenden System korrigiert werden. Je länger dieses Vorgehen implementiert wird, umso besser werden die Vorgabedaten. Das System lernt quasi vom tatsächlichen Produktionsprozess, Voraussetzung hierfür sind natürlich wiederum möglichst exakte Produktionsrückmeldungen

Regelwerk für die Feinplanung

Andererseits bietet es sich an, die Datenbasis aus dem ERP-System durch ein Regelwerk für die Feinplanung geeignet aufzubereiten. Denn ERP-Lösungen bieten in aller Regel nicht die Möglichkeit, alle im Einzelfall geforderten Produktionsrandbedingungen abzulegen. Das auf Feinplanungsebene hinterlegte Regelwerk hat dann die Aufgabe, die Vorgabedaten vom ERP-System in einem eigenständigen Verarbeitungsschritt geeignet zu ergänzen. In diesem Falle arbeitet ein Regelinterpreter die definierten Regeln ab und ergänzt das Datenmodell der Feinplanung. Auf das Modell im ERP-System hat dieses Vorgehen keinerlei Auswirkungen. Auf diese Weise können beispielsweise Übergangszeiten zwischen Arbeitsvorgängen auf bestimmten Maschinen eingebracht werden, ohne das Datenmodell im ERP-System zu belasten. Die Korrektur wird von einer hierfür verantwortlichen Datenaufbereitung automatisch durchgeführt.

Fingerspitzengefühl bei der Modellbildung

Beim Einbringen der zu berücksichtigenden Randbedingungen sollten die Feinplanungsexperten in Abstimmung mit den verantwortlichen Produktionsfachleuten sehr viel Fingerspitzengefühl walten lassen, um die Komplexität der Regeln beherrschbar zu halten. Randbedingungen bei denen der Aufwand für die Modellierung und der Nutzen in keinem ausgewogenen Verhältnis stehen, sollten im Vorfeld bereits von der Modellbildung ausgeschlossen werden. Nicht nur in diesem Fall sind auch trotz bester Modellbildung noch manuelle Nachbesserungen der Planungsergebnisse notwendig. Hierfür sind geeignete intuitive graphische Benutzerschnittstellen erforderlich. Und für die manuelle Planung eines oder auch mehrerer Disponenten muss ein intelligentes Zusammenspiel mit der automatisierten Planung durch ein Optimierungsverfahren gefordert werden.

Reaktionszeiten im Sekundenbereich

Besonders wichtig ist es außerdem, dass die Feinplanungsmodelle möglichst einfach gepflegt und an Veränderungen angepasst werden können. Hierfür ist einerseits ein detailliertes Wissen um die Zusammenhänge in der Produktion und die Möglichkeiten, diese einfach und korrekt zu modellieren, gefordert. Darüber hinaus ist ein detailliertes Verständnis der eingesetzten Feinplanungsverfahren und -algorithmen notwendig, sowie eine zur Produktionsform des jeweiligen Unternehmens geeignete Parametrierung der Verfahren zwingend. Zu guter Letzt muss die Reaktion der Feinplanung im Sekundenbereich erfolgen. Den Fertigungsverantwortlichen muss immer, die aktuelle Situation in der Produktion und der geplanten Produktionsabläufe in Echtzeit vorliegen. Erst das schafft Akzeptanz, denn andernfalls muss trotz automatischer Feinplanung die Produktion wie schon seit eh und je nach Störungen im ‚Blindflug‘ manuell und damit oft suboptimal, abgefahren werden.